Molières „Tartuffe“ in der Inszenierung von Theater-Intendant Holger Schultze soll die erste Premiere der neuen Spielzeit werden. Vor der ersten Probe – mit Maske – am Montag machten alle Beteiligten einen Corona-Schnelltest. Foto: Susanne Reichardt
Von Anica Edinger
Heidelberg. 135 Tage: So lange ist das Heidelberger Theater und Orchester nun schon geschlossen. 135 Tage: "Das ist brutal", sagt Intendant Holger Schultze. Immerhin, jetzt gibt es Hoffnung. Denn am Montagabend startete nach langer Pause nun wenigstens der Probenbetrieb. Endlich wieder auf der Bühne, endlich wieder ins Theater: Die Freude, die Schauspieler, Dramaturgen, Kostümbildner und alle weiteren Beteiligten darüber verspürten, war sichtbar. "Ich habe noch nie vor einer Probe so viele entspannte und glückliche Gesichter gesehen", erzählt auch Schultze. Der Intendant leitete die Probe, denn er inszeniert das Stück, um das es geht: Molières "Tartuffe". Es soll die erste Premiere der anstehenden Spielzeit 2021/2022 werden, im September, wenn hoffentlich alles gut geht.
"Toll, dass es wieder losgeht", freute sich bei der ersten Probe nach der Corona-Pause auch Oberbürgermeister Eckart Würzner, den das Theater zu dem in diesen Zeiten doch besonderen Anlass eingeladen hatte. Dass das Stadtoberhaupt auch tatsächlich kam, bezeichnete Intendant Schultze als "ungeheures Zeichen". Das zeige, dass der Oberbürgermeister hinter dem Theater stehe. Nun brauche man nur noch eine Landesregierung, bei der das auch so sei, sagt der Intendant.
In den vergangenen Monaten war in der Beziehung zwischen so manchem Kommunaltheater im Land und dem Kunstministerium in Stuttgart viel Vertrauen verspielt worden. Nicht zuletzt, weil das Ministerium die Förderung der Theater von einer Festbetrags- auf eine Fehlbedarfsfinanzierung umgestellt hatte und so auch etwaige Überschüsse, die beispielsweise aus den Rückerstattungen des Bundes für die Kurzarbeit erwirtschaftet worden waren, vom Förderbetrag abgezogen wurden.
Beim Probenbesuch war es Würzner, der aber auch darauf hinwies, dass der Anteil des Landes an der Theaterförderung seit Jahren prozentual zurückgehe: Lag sie einst bei 40 Prozent, seien es nun teilweise nur noch 25 Prozent. "Das muss ein Ende haben", so OB Würzner. Die Kommunen könnten nicht dauerhaft in die Bresche springen und sinkende Förderbeträge ausgleichen.
Drei Millionen Euro Verluste, berichtete auch Schultze, habe das Heidelberger Theater während der Corona-Krise nun schon aufgrund fehlender Einnahmen gemacht. Umso wichtiger sei es, dass der Spielbetrieb "so schnell wie möglich wieder aufgenommen wird", befand auch Würzner. Bis zum Ende der Pandemie könne man mit der Öffnung der Theater jedenfalls nicht mehr warten. Denn: "Dann gibt es dieses Jahr gar keine Öffnung mehr", ist sich OB Würzner sicher.
Intendant Schultze und sein Team hoffen darauf, dass sie im April wieder spielen dürfen. Ob das klappt, steht in den Sternen. Die Sieben-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner steigt auch in Heidelberg gerade wieder – und liegt laut Landesgesundheitsamt schon den zweiten Tag in Folge über 50 (Montag: 51,4; Dienstag: 50,2). Eine Öffnung von Theatern ist laut dem Stufenplan von Bund und Ländern erst in Stufe vier vorgesehen – bei einer stabilen Sieben-Tage-Inzidenz unter 50 Neuinfektionen. Ein Ziel, das mit weiter steigenden Fällen aufgrund der Corona-Mutanten derzeit illusorisch erscheint. Schultze hofft deshalb auch auf die Bund-Länder-Beratungen am 22. März und damit auf Konzepte, die eventuell eine frühere Öffnung erlauben.
Auch die Stadt arbeitet derzeit mit Hochdruck daran, den Besuch im Theater, aber auch im Restaurant oder im Konzert coronasicher zu machen. So sei man laut OB Würzner in guten Gesprächen mit einem Heidelberger Start-up, das die App "Radr" an den Start bringen will. Diese soll die Kontaktverfolgung von Gästen im Restaurant oder eben Besuchern im Theater massiv erleichtern. In Kombination mit der "Luca"-App, die schnelle und lückenlose Kontaktrückverfolgung sogar im Austausch mit den Gesundheitsämtern ermöglicht, sei eine raschere Öffnung denkbar. In trockenen Tüchern allerdings sind die Pläne noch nicht. Bis sich der Vorhang in den Theatern also wirklich wieder öffnet, wird eben geprobt. Immerhin.