Der Kanadier David Celia und die Ex-Heidelbergerin Marla sangen Songs von Neil Young im Karlstorbahnhof. Foto: Hoene
Von Peter Wiest
Heidelberg. Ein bisschen träumen sie schon in den Tag hinein, die beiden auf der Bühne – wie ihr 2018 erschienenes gemeinsames Album "Daydreamers" es ja auch nahelegt. Oder besser in den Abend hinein, wie jetzt im Karlstorbahnhof, wo die in Heidelberg aufgewachsene Sängerin Marla und der kanadische Sänger und Gitarrist David Celia mit ihrer Band ein außergewöhnliches Konzert gaben. Die Musik nehmen sie dabei, was schnell zu bemerken war, bei aller leichtlebigen Tagträumerei sehr ernst – womit bereits die erste Gemeinsamkeit vorhanden wäre mit Neil Young, dem sie an diesem Abend Tribut zollten.
Gibt’s das wirklich? Wenn man mit geschlossenen Augen so dasitzt im Saal, in den das als Open Air geplante Konzert wetterbedingt verlegt werden musste, hat man tatsächlich das Gefühl, da singe der junge Neil höchst persönlich. In der Tat: David Celia hat fast alles drauf, was seinen berühmten Superstar-Landsmann auszeichnet, der mit seiner klaren Haltung und Einstellung gegenüber Donald Trump gerade in den letzten Wochen fast mehr Schlagzeilen machte als mit seiner Musik – und der vor exakt 50 Jahren ein absolutes Meisterwerk veröffentlicht hat. Genau diesem Meilenstein-Album ist der Abend gewidmet: "After the Gold Rush", das musikalisch ja auch ab und an ein wenig tagträumerisch wirkt, dessen Songs jedoch inhaltlich immer wieder relativ düstere Blicke in die Zukunft werfen, von denen sich einige mittlerweile bereits bewahrheitet haben.
All dies kommt nicht zu kurz bei diesem Konzert. Wobei allerdings, und das ist gut so, die Musik natürlich im Vordergrund steht. Und siehe da: Die Frau neben David Celia trägt mit ihrer Bühnen-Präsenz, besonders jedoch mit ihrer wundervollen Stimme noch mehr dazu bei, dass das sichtlich Young-affine Publikum in einer Mischung aus Nostalgie und Begeisterung nach und nach dahin schmilzt. Marla ist ein Name, den man sich merken sollte – auch wenn oder vielleicht gerade weil er in der Stadt, aus der die Sängerin kommt, außerhalb der Musik-Szene noch immer weitgehend unbekannt ist. Das könnte, nein, das sollte sich ändern nach diesem Konzert: Denn auch diese Ex-Heidelbergerin hat’s absolut drauf.
Melancholisch stimmige Liebeslieder wie "Only Love can break your Heart" oder "I believe in you", der rockig-fetzige "Southern Man", faszinierende Melodiebögen wie beim Titelstück "After the Gold Rush" bis hin zu fast schon choralem Sound beim abschließenden "Cripple Creek Ferry": Was ist das doch heute mehr denn je für ein Album, das Neil Young da vor fünf Jahrzehnten veröffentlichte! Und wie gekonnt und mitreißend bringt es diese Band rüber: Nicht nur durch die authentischen Gesangsparts von David Celia und Marla, sondern auch durch die solide Grundlage von Pierre Thomé am Bass und Sacha Toorop am Schlagzeug sowie nicht zuletzt durch das Karlstorbahnhof-"Eigengewächs" Tobias Breier, der gekonnt die Keyboards bedient und dabei auch ein erstaunliches Gesangstalent offenbart.
Dass ein solches Ensemble nicht einfach so von der Bühne gehen kann, wenn der "Gold Rush" vorbei ist, versteht sich von selbst. Auch die Kostprobe der eigenen Celia/Marla-Musik kam gut an – und weitere Neil Young-Klassiker wie ein berauschendes "Cinnamon Girl".
Vielleicht gibt’s ja zum nächsten 50-jährigen Jubiläum in zwei Jahren das "Harvest"-Album zu hören – der Wormser Historiker Daniel Nagel könnte auch dazu wieder eine fundierte popkulturelle Einführung geben.