Erst spät wurde die große Bedeutung von Friedrich Hölderlins handschriftlichem Entwurf der „Heidelberg“-Ode entdeckt. Aus Anlass der gestern eröffneten Sonderausstellung im Kurpfälzischen Museum der Stadt wurde eine Faksimileedition des Wunderhorn-Verlags vorgestellt. Herausgegeben wurde sie von Roland Reuß in Zusammenarbeit mit Marit Müller. Das Kurpfälzischen Museum zeigt das Original bis 6. Dezember. Aus konservatorischen Gründen liegt es normalerweise im Depot. Repro: RNZ
Von Volker Oesterreich
Heidelberg. Es muss ein langer, faszinierender Schreibprozess gewesen sein: Friedrich Hölderlins 1801 erstmals veröffentlichte Ode "Heidelberg" ist nicht etwa in einem genialischen Glücksmoment entstanden, sondern in mehreren Arbeitsstufen. Das belegt der handschriftliche Entwurf, der zu den Schätzen des Kurpfälzischen Museums der Stadt gehört, aber normalerweise nicht gezeigt werden kann – aus konservatorischen Gründen. Zu lichtempfindlich ist das kostbare Dokument.
Aus Anlass des 250. Geburtstags des am 20. März 1770 in Lauffen am Neckar geborenen Dichters wurde es nun aus dem Depot geholt. Mit den Worten "Lange lieb’ ich dich schon / Du der Vaterlandsstädte / Ländlichschönste" feierte Hölderlin die besondere Aura Heidelbergs mit der geschwungenen Brücke und der "schicksalskundigen Burg". Die acht Strophen der Ode korrespondieren mit den acht Pfeilern der Alten Brücke.
Hölderlin-Porträt von Franz Karl Hiemer (1792). Foto: DLASchon vor 130 Jahren wurde das Blatt von der Stadt erworben, seine kulturgeschichtliche Bedeutung wurde aber lange missachtet – ähnlich wie das gesamte Werk Hölderlins. "Die Konjunktur der Wahrnehmung vollzieht sich in Wellen", sagte dazu der ehemalige Kulturamtsleiter Hans Martin Mumm. Er hat die Ausstellung zusammen mit Frieder Hepp, dem Direktor des Museums, kuratiert, unterstützt dabei vom Germanistischen Seminar der Universität und vom Kulturamt. Wichtige Exponate hat der Antiquar Thomas Hatry beigesteuert.
Das Heidelberger Fragment wird durch ein weiteres Blatt der Handschrift aus der Württembergischen Staatsbibliothek ergänzt. Damit ist erstmals die vollständige Fassung des ersten Entwurfs zusammen in einer Vitrine zu sehen.
In nur vier Räumen erschließt sich dem Museumsbesucher ein faszinierender literaturgeschichtlicher Kosmos. Und wenn man das Glück hat, von Mumm oder anderen Experten durch die Ausstellung geführt zu werden, beginnen die nur auf den ersten Blick unscheinbaren Exponate zu sprechen. Da erfährt man zum Beispiel, wie bösartig Justinus Kerner 1811 in seiner satirischen Schrift "Reiseschatten" über Hölderlin geurteilt hatte.
"Eine richtige literarische Mobbinggeschichte" sei das gewesen, sagt Hans Martin Mumm bei der Ausstellungseröffnung. Kerner habe Hölderlin als verrückten Romantiker, Homosexuellen und politischen Revoluzzer geschmäht. Eine Reihe von Erstveröffentlichungen belegen die weitere Rezeptionsgeschichte etwa im Umkreis Friedrich Gundolfs oder Norbert von Hellingraths, der mit seiner Hölderlin-Edition viel bewegt hat.
Zur Ausstellung ist eine mustergültige Faksimileedition der Hölderlin-Handschrift bei Wunderhorn erschienen, erhältlich für 15 Euro. Außerdem ist am 7. und 8. Oktober eine Tagung zu den Pindar-Fragmenten des Dichters geplant; und vom 24. September bis 26. November läuft jeweils donnerstags von 18.15 bis 19.45 Uhr eine Vortragsreihe, beteiligt daran sind unter anderen die Germanistik-Professoren Roland Reuß (24. September), Helmuth Kiesel (22. Oktober) und Andrea Albrecht (26. November).
Info: Die Ausstellung im Kurpfälzischen Museum der Stadt Heidelberg, ist noch bis zum 6. Dezember zu sehen.