Heidelberg

Jutta Glaser ist eine der ungewöhnlichsten Sängerinnen der Region

Die ganze Welt in einer Stimme. Sie beherrscht Improvisation und Weltmusik im besten Sinne.

09.06.2021 UPDATE: 10.06.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 55 Sekunden
Jutta Glaser. Foto: zg

Von Peter Wiest

Heidelberg. Es gibt nichts, wirklich absolut nichts, was diese Sängerin mit ihrer Stimme nicht ausdrücken könnte. Es gibt keine Tonlage, die sie nicht beherrscht; es gibt keine Stimmungslage, die sie gesanglich nicht beschreiben und darstellen könnte. Jutta Glaser ist die absolute Meisterin des lockeren gesanglichen Spaziergangs zwischen Melancholie und Wohlklang auf der einen Seite, der schrägen und fast bis an die Aufnahmefähigkeit des Gehörs gehenden Töne auf der anderen. Mit das Besondere und Schöne dabei: Selbst wenn sie gesanglich auf der schrägen Seite wandelt, wird das Ganze niemals zu einer anstrengenden und Geduld erfordernden Hörprobe, sondern immer wieder zu einem mitreißenden Parforceritt durch die schiere Urgewalt des Gesangs.

Ja, Jutta Glaser ist eine ungewöhnliche Sängerin. Die Wahl-Leimenerin, die in der Nähe von Pirmasens aufwuchs und deren musikalischer Weg über Speyer und Mannheim schwerpunktmäßig nach Heidelberg und Umgebung führte, kam bereits als Kind mit ungewöhnlichen Klängen der Instrumentenwelt in Kontakt. Ihr Vater spielte die Singende Säge; der Großvater das Akkordeon; die Mutter wurde "Weiße Taube" genannt, offenbar, weil sie gurrte wie ein Täubchen. "Hörbares und Unerhörtes" habe sie so aufgenommen, sagt die Sängerin heute. Und genau das ist es, was sie mittlerweile seit vielen Jahren selbst mit ihrer eigenen Stimme zum Ausdruck bringt.

Jazz, Rock, Pop, Swing, Folk, sogar Schlager: Genres haben noch nie eine Rolle gespielt, wenn Jutta Glaser ihre Stimme erhebt, in allen Tonlagen perfekt singt, darüber hinaus jedoch auch Tonkaskaden der eigenen Schöpfung einbringt. Dabei ist sie stets nach allen Seiten offen, folgt gerne auch mal zunächst bestehenden kompositorischen Vorgaben, mündet jedoch so gut wie immer im Improvisatorischen, was dann dem Song stets ein typisch Glaser’sches Gepräge gibt. "Ja, die stimmliche Improvisation ist meine große Leidenschaft", sagt die Künstlerin denn auch selbst: "Das ist schließlich genau das, was mir am meisten Spaß macht an der Musik. Und besonders interessant ist es, mit anderen Musikern Improvisation zu erleben, nicht zu wissen, was kommt, sich überraschen lassen – so wie es ja jetzt auch im Leben mit Corona war…"

Erst mit 24 Jahren stand Jutta Glaser als Sängerin auf der Bühne bei Auftritten in der Pfalz. Zuvor hörte sie, wie sie selbst erzählt, "die wenigen Jazz-Sängerinnen, die es in diesem Genre damals gab", und nennt als Vorbilder Namen wie Sarah Vaughan, Carmen McRae, auch Ella Fitzgerald: "Aber nicht Billie Holiday; das war nie meine Welt". Parallel zur eigenen Musik absolvierte sie danach Ausbildungen als funktionale Stimm- und Atemtypen-Trainerin und zum Stegreif-Coach (Improvisation mit Chören). Seit über 25 Jahren singt sie in den unterschiedlichsten Formationen und hat unter anderem mit Horst Jankowski, Günter Lenz, Michael Koschorek, Jochen Brauer und vielen anderen zusammen gearbeitet. Besonders intensive musikalische Kooperationen sind ein Duo mit dem Gitarristen Claus Boesser-Ferrari und eine Band mit Zélia Fonseca und Angela Frontera. Auf Tourneen war sie bereits in Neuseeland, Estland, Russland und zahlreichen europäischen Ländern.

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Aus den CD-Produktionen von Jutta Glaser sticht das 2019 veröffentlichte Album "Kantoj" hervor, auf dem unter dem Motto "The World in one Voice" ("Die Welt in einer Stimme") Volksmusik der unterschiedlichsten Art aus vielen Ländern interpretiert und neben Englisch und Deutsch hauptsächlich in Esperanto gesungen wird. Ein neues Album ist noch nicht in Sicht; dafür hat die Sängerin für die kommenden Wochen diverse Auftritte geplant, wird demnächst auch wieder unterrichten und ist an etlichen musikalischen und theatralischen Projekten beteiligt.

Dazu gehören eine Licht- und Tanzperformance "Ortopien" mit Claus Boesser-Ferrari, Nils Herbstried und Wayne Götz, ein Abend mit Gedichten von Etel Adnan in der Mannheimer Feuerwache mit Boesser-Ferrari und dem libanesischen Gitarristen Sharif Senaoui und nicht zuletzt das große Theaterprojekt "Antigone-Corona" mit mehreren Aufführungen in der Handschuhsheimer Tiefburg, bei denen Jutta Glaser mit der Cellistin Katja Zakotnik sowie den "Hendsemer Krischern" auftreten wird.

Zusammen mit der Heidelberger Musiktherapeutin Cordula Reiner-Wormit gibt es insgesamt dreimal im Jahr ein "Singvergnügen für Menschen, die gerne singen" auf dem Haftelhof in Schweighofen in der Pfalz. Wenn alles gut geht, wird die Sängerin zudem noch in diesem Jahr ihre unter dem. Schlagwort "voice and chords" ("Stimme und Saiten") angebotenen Workshops für Jazz und Anderes in Italien und Frankreich wieder aufnehmen, die sie seit sechs Jahren dort mit dem Gitarristen Paulo Morello durchführt (www.voiceand chords.de). Weiter laufen wird schließlich auch das Projekt "Spielraum Musik – Musik als Heimat", das sie mit drei Kollegen seit fünf Jahren für geflüchtete Kinder und Erwachsene in der Unterkunft Henkel-Teroson in Heidelberg durchführt. Nicht zuletzt freut sie sich über die Hofgesänge in Leimen, die nun wieder in den Äther gesungen werden können.

Hintergrund

Steckbrief

Name: Jutta Glaser

Instrument: Gesang

Musikstil: Quer durch alle gängigen und andere Genres außer Klassik

Aktuelle musikalische Kooperationen: Duo mit Claus Boesser-Ferrari; worldjazz-projekt mit Zélia Fonseca, Marcio

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Steckbrief

Name: Jutta Glaser

Instrument: Gesang

Musikstil: Quer durch alle gängigen und andere Genres außer Klassik

Aktuelle musikalische Kooperationen: Duo mit Claus Boesser-Ferrari; worldjazz-projekt mit Zélia Fonseca, Marcio Turbino und anderen. Zusammenarbeit mit vielen internationalen Musikern.

Alben: Kantoj – The World in one Voice (2019); Sump Sword Lily (2012); Ajoy (2008); Femalefuture (2005)

Geplante Liveauftritte: 23. Juli, "Ortopien", musikalische Licht- und Tanzperformance, Ort noch nicht bekannt gegeben; 5. September, Atelier Thomeczek,Tiefenthal, mit Erwin Ditzner und Paata Demurishvilli; "Planet Ears"-Festival im September, Feuerwache Mannheim; Ende September und Anfang Oktober, "Antigone"-Theaterprojekt Tiefburg Handschuhsheim; 24. Oktober, Tanz- und Musikprojekt zu "Der Bau" von Franz Kafka, Hebelhalle Heidelberg

Kontakt: kontakt@jutta-glaser.de

Homepage: www.jutta-glaser.de

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