Eine große luftgefüllte Blase dominiert den Heidelberger Kunstverein, den die rumänische Hündin Zéo neuerdings zutraulich bewacht. Foto: Philipp Rothe
Von Matthias Roth
Heidelberg. Subtiler Humor ist nachhaltiger als der knallige Lacheffekt. Und es gibt ihn sogar in England. Zum Beispiel in der Kunst Ian Kiaers. Am Freitagabend ist er zu Gast im Heidelberger Kunstverein, wo eine Einzelausstellung mit neueren Arbeiten eröffnet wird.
Bereits am Eingang wird man von einer riesigen Plastikblase empfangen, die sich in den Raum wölbt und dabei sanft bewegt. Ein dauernder Luftstrom hält sie in relativer Form, und ihre transparente Dünnhäutigkeit hat etwas sehr Fragiles, auch Prekäres. Der Künstler, 1971 in London geboren und dort am Royal College of Art und an der Slade School of Art ausgebildet, hat dieses Objekt speziell für den zentralen Raum des Heidelberger Kunstvereins entworfen und die verschieden großen Teile an Ort und Stelle zusammengeschweißt. Es nimmt in seiner luftigen Unförmigkeit Bezug auf die strenge Architektur, die es umgibt.
Aber es bezieht sich auch auf die Architekturutopien der 1960er Jahre, die mit "Inflatebles" experimentierten, also mit aus neuen Werkstoffen gebildeten, teils flexiblen Bauelementen und -strukturen: Ein berühmtes Beispiel ist der "Schrein des Buches" (1965) von Friedrich Kiesler in Jerusalem. Architektur spielt in Ian Kiaers Arbeit eine zentrale Rolle. Die meisten in Heidelberg zu sehenden Stücke beziehen sich auf die Baukunst, besonders die der 1960er und 70er Jahre, die heute nicht durchweg als bedeutend verstanden wird.
Die Ausstellung trägt den Titel "endnote (ping)" und bezieht sich zum einen auf die literarische "Fußnote", wie sie in Texten vorkommt als Quellennachweis oder Kommentar zum Haupttext. Zum anderen bezieht sich der Titel auf einen Text von Samuel Beckett: "Ping" bezeichnet hier den Übergang von einem Zustand in einen anderen. Becketts minimalistische Short Story, reduziert auf ca. 1000 Wörter, beschreibt die Auflösung des eigenen Körpers in einem von hellem Licht dominierten Raum.
Dieser Minimalismus findet sich auch in Kiaers Kunst, und helle, oft transparente Farben bestimmen sie. Etwa ein Zitronengelb, das mal etwas mehr ins Grünliche sticht und dann wieder in wärmeres Goldgelb changiert, etwa in "Seam", der Deckenarbeit "Tooth house, celling" und in "Bretteville/ Asimov". In Letztere hat Kiaer eine Videodokumentation über den amerikanischen Architekten Peter van Bretteville versteckt, die man leicht übersieht.
"Seam" (Saum, Naht) besteht aus mehreren Teilen und bezieht sich auf den berühmten "Crystal Palace", das erste gläserne Gebäude, das Joseph Paxton für die Weltausstellung 1851 in London schuf. Ein Modell auf dem Boden zeigt es. Ein Luftobjekt hängt von der Decke. Die an der Wand befindlichen Papierarbeiten zeigen hauchdünne Bleistiftzeichnungen: ein Raster, sowie Blätter und Gewächse – man muss in die Knie gehen, um sie zu sehen: Ein von Michael Webb entworfenes Gebäude, das wie eine riesige Frucht aussieht, lenkt hier den Blick auf sich. Subtilität ist vorherrschend. Bei dem Deckenobjekt "Tooth house", entwickelt für das Henry Moore Foundation in Leeds, fällt ein Charakteristikum von Kiaers Arbeit auf: Es sind die Gebrauchsspuren auf den Plexiglasscheiben, die in anderen Werken noch stärker zum eigenen Thema werden.
Verschmutzungen zeigen auch das große Triptychon in Blau und vor allem das Diptychon "Panoramico, pink", die sich beide auf ein Gebäude der Diktatur in Portugal beziehen. Zum Triptychon fehlt den beiden pinken Papierarbeiten eine dritte, die zusammengefaltet auf dem Boden liegt: Die Geschichte scheint niemals abgeschlossen. Und auch hier glänzt Humor - von der sarkastischen Seite.
In Lichthof und Kellerstudio finden sich weitere Arbeiten, die ein genaueres Betrachten lohnen: "Oft sind es nur Fußnoten zu einer Gedankenwelt, die von Vielen bevölkert und bebildert wird", so die Leiterin des Kunstvereins, Ursula Schöndeling, nach dem Rundgang. Es lohnt, sich Zeit zu nehmen für diese Schau, denn ihre Bezüge sind vielfältig.
Info: Heidelberger Kunstverein, Hauptstraße 97, bis 1. November. Vernissage heute um 19 Uhr.
Ian KiaerFoto: Kunstverein