Er war Philologe, Orientalist und Mythenforscher: Georg Friedrich Creuzer. Repro: H. Vogt
Von Heribert Vogt
Heidelberg. Eine Gestalt von europäischem Rang war der Geisteswissenschaftler Georg Friedrich Creuzer (1771-1858), der nach dem Neustart der Universität Heidelberg 1803 über ein halbes Jahrhundert am Neckar wirkte. Der vor 250 Jahren am 10. März in Marburg geborene Philologe, Orientalist und Mythenforscher war eine weit ausstrahlende Attraktion mit viel Licht, aber auch Schatten.
Er gilt als Schlüsselgestalt an der Ruperto Carola, aber er strahlte auch stark in die Stadt aus. Über Jahrzehnte gehörte er hier zu den Hauptrepräsentanten des Geisteslebens. Mit Creuzers Ankunft im Jahr 1804 begann die Heidelberger Romantik. Im Stadtteil Neuenheim identifizierte er ein Mithras-Heiligtum aus römischer Zeit.
Berühmt wurde der Wissenschaftler aber auch durch seine umstrittene Liebesbeziehung zu der Dichterin Karoline von Günderrode, die sich nach der Trennung das Leben nahm. Von ihr war der verheiratete Creuzer zwar fasziniert, aber nachdem ihm seine Ehefrau während einer Krankheit beigestanden hatte, entschied er sich für die Letztere. Daraufhin tötete sich Günderrode 1806 in Winkel am Rhein mit einem Dolchstoß ins Herz.
Die Wogen gingen hoch, und Creuzer wechselte für kurze Zeit nach Leiden in die Niederlande. Die Schriftstellerin Christa Wolf hat das tragische Geschehen in ihrem stark beachteten Buch "Kein Ort. Nirgends" (1979) literarisch aufgegriffen. Günderrode, die sich "Begierden wie ein Mann" zuschrieb, wurde zu einer Identifikationsfigur der Frauenbewegung.
Bald nachdem die rechtsrheinische Pfalz – und damit auch die Universität Heidelberg – an Baden gefallen war, hatte der Marburger Creuzer als erster bedeutender Gelehrter einen Ruf auf den Lehrstuhl für Philologie und Geschichte angenommen. Damals war er – beim Neuanfang infolge der Napoleonischen Kriege – an der Wiederbegründung der Hochschule beteiligt, das 1807 eingerichtete Seminar für Klassische Philologie geht auf ihn zurück.
Bis 1845 blieb der universal gebildete und mit Goethe befreundete Creuzer Professor in Heidelberg, wo er Vorlesungen über antike Literatur und Mythologie hielt und schließlich am 16. Februar 1858 starb. Im Jahr 1810 nahm er als erster Heidelberger Professor die Archäologie in seine Veranstaltungen auf und legte dazu auch Publikationen vor. Die eigene Sammlung sowie eine von Seminarteilnehmern stammende Kollektion aus Münzen, Edelsteinen und Abgüssen, das "Antiquarium Creuzerianum", wurde später der Grundstock der archäologischen Universitätssammlung.
Bereits vor seinem Wechsel an die Ruperto Carola hatte Creuzer Kontakte zu Vertretern der Romantik. Zu seinem Marburger Freundeskreis gehörte der Dichter Clemens Brentano, der ihm mit seiner Frau Sophie Mereau an den Neckar folgte. Schon 1801 war Brentano in Göttingen Achim von Arnim begegnet, mit dem er die Liedersammlung "Des Knaben Wunderhorn" in Heidelberg veröffentlichte.
Georg Friedrich Creuzer hatte sein Studium in Marburg durch einen Aufenthalt an der Universität Jena unterbrochen, wo er Friedrich Schillers universalhistorische Vorlesung gehört hatte und bereits der Frühromantik begegnet war, etwa Novalis (Georg Philipp Friedrich von Hardenberg). In Heidelberg war für seine Mythenforschung vor allem der Naturphilosoph Joseph Görres von Bedeutung. Und mit Carl Daub begründete Creuzer die Heidelbergischen Jahrbücher der Literatur.
Zu seinem Werk zählen die Titel "Das akademische Studium des Alterthums" (1807) sowie vor allem "Symbolik und Mythologie der alten Völker, besonders der Griechen" (1810-1812), ein Buch, das in Verbindung mit dem Orient stand. Und diesbezüglich sprach Creuzer mit Goethe bei dessen Heidelberger Besuch 1815, der im Zeichen des berühmten "West-östlichen Divan" stand, über das Verhältnis von Orient und Okzident.
Das Buch trug dem eher spekulativen Wissenschaftler die Bezeichnung "Symboliker" ein und festigte seinen Ruf als Romantiker unter den Philologen. Allerdings war dieses Werk auch Gegenstand des "Romantikerstreits", in dem der Klassizist und Übersetzer Johann Heinrich Voß zum Hauptgegner avancierte. Die Auseinandersetzung war zugleich ein Angriff auf die Romantik – bis hin zum Vorwurf eines reaktionären Mystizismus.
Seit den 1830er Jahren beschäftigte sich Georg Friedrich Creuzer intensiv mit den Denkmälern der Region. Besonders widmete er sich dem Mithräum von Heidelberg-Neuenheim. Dort war im Jahr 1838 am südwestlichen Hangfuß des Heiligenbergs ein Mithras-Reliefbild mit Stiertötungsszene aus rotem Buntsandstein entdeckt worden. Creuzer identifizierte den Fund aus römischer Zeit. Er wurde in der Universitätsbibliothek aufgestellt und befindet sich heute im Badischen Landesmuseum Karlsruhe.