Bunt muss es sein: Marilyn Monroe im gelben Kleid. Neufassung einer Arbeit von 1962. Foto: Matthias Roth
Von Matthias Roth
Heidelberg. Die Galerie Vogel auf der Heidelberger Hauptstraße ist kein Musentempel, der Kunst lange zeigt. Hier wird Kunst verkauft, hier wird mit Kunst gehandelt, und wer zuerst kommt, der bekommt das beste Stück. Dichtes Gedränge also bei der Vernissage des US-amerikanischen Pop Art Künstlers James Francis Gill, einem der letzten lebenden Stars dieser Kunstrichtung, der für wenige ausgesuchte Termine nach Europa kam und eben auch nach Heidelberg. Schon während der Veranstaltung mit dem Künstler entstanden beträchtliche Lücken an den Wänden, und manches Blatt wurde vom Künstler signiert.
Der aus der Provinz kommende Texaner mischte in den 1960er Jahren unter den ganz Großen dieses bunten, plakativen und auf Ikonen der Epoche konzentrierten, dabei der kommerziellen Verwertung nicht abgeneigten Stils mit: Er stellte zusammen mit Andy Warhol, Jasper Johns, Roy Lichtenstein oder Robert Indiana aus und schwamm ein ganzes Jahrzehnt auf der Erfolgswelle mit, kam ins Time Magazine und verdiente viel Geld.
Dann aber besann er sich eines anderen: 1972 steig komplett aus dem Kunstbetrieb aus. Es sei ihm zu anstrengend geworden, sagt er, vielleicht auch zu ungesund: Rund 30 Jahre widmete er sich seiner Familie und der Architektur. Dann wurde er wiederentdeckt und begann erneut zu malen.
Dabei reproduzierte er nun zahlreiche Motive aus früherer Zeit, variierte sie. Marilyn Monroe etwa, zu der er ein Triptychon kurz nach ihrem Tod 1962 schuf, das heute im Museum of Modern Art, New York hängt. Sie trägt nun ein gelbes, statt wie vorher ein rotes Kleid. Die Motive sind die gleichen geblieben, allen voran Marilyn, aber auch Mick Jagger, Jim Morrison, John Wayne, James Dean im Sportwagen oder John Lennon.
Aber dennoch ist ein stilistischer Wandel in James Francis Gills Spätwerk durchaus bemerkenswert: Auch wenn er die gleichen Motive für neue Bilder benutzt, sind sie anders behandelt. Er collagiert sie oder seziert sie, um sie beinah kubistisch wieder zusammenzufügen. Oder er überzieht sie mit abstrakten Farbmustern, vor allem in seinen Drucken.
James Francis Gill in Heidelberg. Foto: MR
In seiner kurzen Begrüßung wies er darauf hin, dass die Abstraktion der Farbfläche in den letzten Jahren immer wichtiger geworden sei, auch wenn die Grundmotive stets erkennbar blieben. So mag man sich wundern, wenn das Arsenal der Bildmotive sich nicht groß verändert ist: Ausnahme ist die politisch motivierte Verarbeitung von 9/11 in "Political Prisoner - Twin Tower" (2016), einem Siebdruck, der die explodierenden Türme mit einer Schwangeren und der amerikanischen Flagge kombiniert (die Schwangere taucht als Zukunfts-Menetekel in vielen Bildern dieser Zeit auf).
1934 in Tahoka/Texas geboren, studierte Gill Architektur und Malerei, um sich zunächst Letzterem zu widmen, womit er schnell sehr erfolgreich war. In Kalifornien fasste er Fuß und lehrte in Irvine, aber auch in Moscow/Idaho.
Nach dem selbst gewählten inneren Exil von der Kunstszene brachte ihn ein Interview 1997 wieder zurück ins Bewusstsein der Gegenwartskunst, aber erst zehn Jahre später begann eine wirklich neue kreative Phase in seinem Leben. Dazwischen liegen zahlreiche Studien mit hoch explosiver Farbpalette und dem Mut zum formalen Experiment. James Francis Gill ist ein Künstler, dessen jüngste Bilder ganz schön jugendlich wirken. Das verrät einen nach wie vor höchst kreativen Geist.
Info: Galerie Vogel Heidelberg, Hauptstraße 25, bis 4. Mai.