Christian Weiss, Udo Tschira, Jürgen Fritz, Manfred Lautenschläger, Thomas Bruder und Rainer Kern. Foto: Sebastian Weindel
Heidelberg. (we) Enjoy Jazz greift nach den Sternen. Jedenfalls sieht das Manfred Lautenschläger so. Der Mäzen, der das Festival in den kommenden Jahren noch mehr unterstützen wird, als bisher, fasst sein Engagement und das von Udo Tschira in ein passendes Bild: "Rainer Kern hat hier eine wunderschöne Abschussrampe gebaut. Wir sorgen dafür, dass man damit jetzt auch zum Mond oder um Mars liegen kann!"
Dann mal guten Flug. Die Besatzung jedenfalls hat es in sich. Da ist zum einen Kern, der seit zwei Jahrzehnten Deutschlands mittlerweile größtes Jazz-Festival auf die Beine stellt. Ihm zur Seite steht schon lange Christian Weiß, jetzt kommt Jürgen Fritz hinzu, lange beim Softwareanalysten SAS für das Marketing zuständig. Alle drei bilden künftig die Geschäftsführung der gemeinnützigen Enjoy Jazz GmbH, die dann von den Gaben Tschiras und Lautenschlägers profitieren wird. Wobei der Stifter Tschira diesen Begriff gar nicht mag. Als Musikfreund, der schon lange im Geschäft und bestens vernetzt ist, möchte er lieber "etwas zurückgeben" an Enjoy Jazz, das ihm so wahnsinnig viel Freude in all den Jahren bescherte. Tschira tritt zudem dem Kuratorium des Festivals bei, dem Manfred Lautenschläger bereits vorsteht. Jürgen Fritz und der Enjoy Jazz-Förderer Thomas Bruder werden ebenfalls Kuratoriumsmitglieder.
Ziemlich viel Organisatorisches, das Kern da in dieser Woche im Tankturm am Rande der Heidelberger Bahnstadt bekannt gibt. Aber hinter der Aufstockung von finanziellen Mitteln und Personal steckt ein ausgeklügeltes Konzept. Das Festival soll künftig noch etwas mehr das "Andere" betonen, programmatischer werden, Symposien halten und auch an Auftragsarbeiten für Künstler ist bereits gedacht. Das alles gab es zwar auch schon in früheren Jahren, aber nicht so strukturiert.
Es ist wohl die Coronakrise, die jetzt zum Handeln drängt. Gut, dass schon im letzten Jahr – ohne jeglichen Druck – mit den Vorarbeiten begonnen worden war. Kern hält nämlich die deutsche Kulturpolitik nicht für besonders gut aufgestellt. Vor allem die freien Künstler blieben alleine gelassen, das Festival will hier dagegenhalten, will Anker ein. Kostproben gab es bereits mit zehn gestreamten Konzerten aus dem Mannheimer Jazzclub "Ella & Louise". Alle Künstler hätten "eine ordentliche Gage" erhalten.
Enjoy Jazz zeigt zudem traditionell ein Herz für junge Künstler. Wenn Rainer Kern dann erzählt, wie er einer jungen Londoner Musikerin eine Kollaboration mit der Legende Archie Shepp arrangierte (die coronabedingt jedoch möglicherweise nicht zustande kommt), dann geht nicht nur Musikfreunden das Herz auf. Und: Wichtige Duos wie Brad Mehldau und Joshua Redman fanden erst bei Enjoy Jazz zusammen, sind heute international gemeinsam gefragt. Eine lange, lange Erfolgsgeschichte.
Auch wenn die Festivalmacher sich nicht so gerne in die Karten schauen lassen, wird klar, dass mit dem neu gewonnen Geld von Lautenschläger und Tschira vor allem solche Projekte noch mehr gefördert werden sollen - oder wie es Lautenschläger ausdrückt: "Wir können Rainer Kern und einem Team die finanziellen Möglichkeiten geben, künftig ein noch größeres Rad zu drehen".
Jetzt werden erst einmal neue Büroräume gesucht. Die Oberbürgermeister von Heidelberg, Eckart Würzner, und Mannheim, Peter Kurz, freuen sich mit den Festivalmachern, die im Tankturm versicherten, dass das Festival auf jeden Fall seinen Charakter behalten wird: Ungewöhnliche Musik an möglichst viel verschiedenen Orten. Ein Lichtblick in dieser coronageplagten Zeit. Toll übrigens, dass Enjoy Jazz 2020 stattfindet.