Autor Christoph Münch. Foto: Bernd Hoffmann
Von Matthias Roth
Dresden/Heidelberg. Keine "leichte" Literatur bieten die "500 Orte der Musik" in Dresden: 624 Seiten im DIN-A-4-Format bringen schlappe 1812 Gramm auf die Waage. Aber dennoch lohnt die Lektüre der Printausgabe, denn der Autor Christoph Münch kennt sich aus – nicht nur in Dresden, sondern auch in der Musik und in der Geschichte. Da verbietet sich ein kurzer Abriss, denn das Thema ist überaus reichhaltig. Münch bereitet es kenntnisreich und leicht lesbar auf.
Münch, der Musikwissenschaft, Germanistik und Geschichte in Heidelberg studierte, aber auch in Mainz einen Kirchenmusik-Abschluss machte, lebt und arbeitet seit 1994 in Dresden und ist dort beim Stadtmarketing tätig, aber auch als Journalist und Chorsänger beinah täglich mit dem Thema dieses Buches befasst. Denn Musik spielte in der Stadt Augusts des Starken seit jeher eine bedeutende Rolle, und diese behielt sie auch bis heute. Daher ist die Liste der hier gewirkt habenden und noch wirkenden Musiker lang und reicht von Michael Praetorius und Heinrich Schütz bis Udo Zimmermann und Christian Thielemann.
Doch Münch streift nicht chronologisch durch die klingende Muse, er erzählt die überaus reichhaltige Historie der Tonkunst in dieser Stadt anhand der Orte, an denen sie stattfand und stattfindet. Dabei lässt er auch untergegangene Säle, Theater und Kirchen wiederauferstehen und beschränkt sich nicht auf den urbanen Kernbereich um Semperoper und Hofkirche, Schloss und Kulturpalast. Münch weitet den Blick in die nähere Umgebung, in der es sehr viel historische Substanz auch für den Dresden-Kenner und -Liebhaber zu entdecken gilt.
Der Kunstgriff der Verbindung von Musik und Architektur bringt einen Umstand auf den Punkt, der oft übersehen wird – auch von Stadtplanern, politischen Instanzen und nicht zuletzt den Architekten: Musik braucht Raum, um überhaupt entstehen zu können. Und dieser Raum braucht besondere Eigenschaften, damit Musik darin ungestört durch akustische Nebeneffekte erklingen kann. Wer also die Tonkunst – egal welcher Couleur – in seinen Mauern beheimaten will, muss diese entsprechend ausstatten. Das zeigt sich auch beim Gang durch Dresden, bei dem der Autor den interessierten Besucher eloquent an die Hand nimmt.
Dabei ist fast jeder Stopp auch ein erhellender Abstieg in die zum Teil dunkle Geschichte dieser Stadt, die mit einem Kastell am Flussübergang begann, das im 13. Jahrhundert an der Stelle des heutigen Schlosses stand und dessen Fundament bildet. Seit 1548 leistete sich der kurfürstliche Hof eine eigene Musikkapelle, und im 57 Meter langen "Riesensaal" der Residenz fanden Bälle, Konzerte und Theateraufführungen statt. Sie bildeten den Beginn einer langen Musiktradition, die zahlreiche Berühmtheiten in die Stadt lockte und die selbst nach dem Untergang im Bombenhagel vom 13. Februar 1945 nicht abriss: Zu den ersten Großbauprojekten der jungen DDR zählte der "Kulturpalast" mit großem Saal, der von der Dresdner Philharmonie genutzt werden konnte. Vor wenigen Jahren wurde der unter Denkmalschutz stehende Bau entkernt und ein neuer Saal im "Weinberg-Format" integriert. Zahlreichen Musikstars lobten ihn als akustisch hervorragenden Konzertraum.
Die bekanntesten Musiktempel der Stadt sind freilich die Semper-Oper, die ebenso wiedererstandene Frauenkirche und die Kreuzkirche. Weniger bekannt sind der Saal des Hygienemuseums oder die wunderbaren Sommerresidenzen entlang der Elbe, zahlreiche Bauten in umliegenden Vororten wie Blasewitz, Loschwitz, Pieschen und Cotta sowie einige Ausflugsziele in gut erreichbarer Nähe, von Radebeul und Moritzburg bis Pirna-Graupa. Auch ruhigere Orte wie Friedhöfe, die an zahlreiche Künstler erinnern, lässt Münch in seinem flüssig geschriebenen Buch nicht aus. Der mit fast 900 zum Teil historischen Abbildungen äußerst bilderreiche Band macht Lust, das alles zu erkunden, ist aber auch für sich in schönes Leseabenteuer. Als Städteführer für die Jackentasche ist er allerdings nicht geeignet: Eine E-Book-Version böte da großes Potenzial.
Info: Christoph Münch, Dresden – 500 Orte der Musik. Books on Demand Norderstedt 2020, Paperback, 624 S., 59 Euro. Premium Edition 99 Euro.