Bühnenbildnerin Bettina Meyer hat einen Würfel gestaltet, der bei jeder Drehung eine neue Szene freigibt. Hier agieren die Sänger in Kostümen, die Sabine Hilscher entworfen hat. Foto: Elmar Witt
Von Jesper Klein
Schwetzingen. Die Bühne ist ein drehbarer Würfel. Mit jeder Drehung ergibt sich ein neuer Blick in ein Haus, das genauso voller Sprache ist wie voller rechter Winkel. Hier agieren die Sänger gemeinsam mit drei Schlagzeugern. Elena Mendozas Musiktheater "Der Fall Babel" eröffnet am Freitag im Schwetzinger Rokokotheater die SWR Festspiele. Immerhin ist das Thema dieser Uraufführung unmissverständlich: Babel. Hier geht es um das Spiel mit der Sprache und um das Spiel mit der (Un-)Verständlichkeit. Wie schlägt sich dieses biblische Sujet in der Jetztzeit?
Die spanische Komponistin Elena Mendoza, die in diesem Jahr den Heidelberger Künstlerinnenpreis erhielt, ist offenkundig genauso sehr am Wort interessiert wie an der Musik. So geht es in "Der Fall Babel" um die Verbindung von Sprache und Musik allgemein, konkret etwa um die verschiedenen Möglichkeiten, die Stimme zu aktivieren.
Es gibt zum Beispiel verschiedene Klangkategorien, mit denen die Sänger der Schola Heidelberg (Leitung: Walter Nußbaum), das in zeitgenössischer Musik erfahrene Vokalensemble des Heidelberger Klangforums, spielen: schnalzen, rauschen, singen. In einer Szene ist nur das Schlagzeug durchkomponiert, die Geräusche, die von den Sängern mit allerhand Alltagsgegenständen an ihren Schreibtischen erzeugt werden, sind es nicht. Rhythmisch werden Bücher auf- und zugeschlagen oder aus dem ersten Stock ins Erdgeschoss fallen gelassen. Das ergibt eine spannende perkussive Geräuschkulisse. Die Sänger improvisieren dazu mit verschiedenen Silben.
"Für mich als Komponistin ist ‚Der Fall Babel‘ das Wagnis, Stimmen, Objekte und Schlagwerk ohne Orchester, ohne Klavier, ohne akustischen doppelten Boden zu inszenieren, lediglich erweitert durch den fantastischen Klangraum der Elektronik", sagt Elena Mendoza. "Durch diesen Akt der Reduktion sollen neue Räume für die Imagination geschaffen werden." Dennoch, so scheint es, spielt die Live-Elektronik des SWR- Experimentalstudios hier nur eine Nebenrolle. Vielmehr geht es darum, die Ebenen Text und Musik ineinandergreifen zu lassen wie Zahnräder.
Das zeigte sich schon in der Entstehung des Musiktheaters. Klassische Arbeitsprozesse gab es nicht, berichtet Mendoza, stattdessen habe sie die Szenen oft gemeinsam mit dem Regisseur Matthias Rebstock entwickelt. Am Anfang war dabei das szenische Setting (Bühne: Bettina Meyer), das Material wurde erst in den Proben fein geschliffen.
Die Texte dieses ungewöhnlichen Musiktheaters stammen von Yoko Tawada, Cécile Wajsbrot und Fabio Morábito. Japan, Frankreich. Mexiko. Auch hier ist das Thema der Vielsprachigkeit deutlich. Inwieweit sich die Zuschauer in diesem Sprachwirrwarr zurechtfinden (glücklicherweise sind manuell betriebene Übertitel ein Teil des Theaters!), darauf darf man gespannt sein.
Info: "Der Fall Babel" wird aufgeführt am 26. und 27.4. im Rokokotheater Schwetzingen. Karten auch an allen RNZ-Geschäftsstellen.