Prunkstück: barocke Hof-Apotheke aus Bamberg. Foto: Deutsche Apotheken Museum-Stiftung
Von Julia Behrens
Heidelberg. Normalerweise kann sich das Deutsche Apotheken-Museum im Heidelberger Schlosshof vor Besuchern kaum retten. Als Teil des Besichtigungsrundgangs ist es jährlich mit rund 700.000 Gästen gesegnet und zählt damit zu einem der meistfrequentierten Häuser der Republik. Jetzt aber grassiert eine Seuche oder, glimpflicher ausgedrückt, eine Pandemie, und das Museum ist wie alle Kultureinrichtungen geschlossen.
Diesen ungewöhnlichen Umstand nimmt die Leitung des Hauses zum Anlass, das vor Ort gebündelte Fachwissen zum Thema Epidemien im Videoformat zu teilen. Dabei geht es nicht nur um Covid 19, sondern auch um die Pest und die Syphilis. Mit interessant aufbereiteten Beiträgen stellen die Direktorin des Apotheken-Museums, Dr. Elisabeth Huwer, und ihre Mitarbeiterinnen Art und Verbreitung der jeweiligen Krankheiten sowie die dazugehörigen Behandlungsmethoden und Arzneien vor. Und das hat einen erstaunlichen Effekt, denn angesichts der über mehrere Jahrhunderte wütenden, alten Plagen erscheint Corona zwar immer noch gefährlich, doch insgesamt schneller bezwingbar zu sein.
Gegen die durch Bakterien übertragene Pest war lange kein Kraut gewachsen. Deshalb gab es schon im 14. Jahrhundert Quarantäne, Schutzkleidung und Abstandsregeln. Die Seuche wurde häufig als Strafe Gottes angesehen und konnte erst mit der Entwicklung von Antibiotika im 20. Jahrhundert ganz bezwungen werden. Ähnlich hartnäckig hielt sich die seit dem 15. Jahrhundert verbreitete Syphilis. Die Geschlechtskrankheit führte unbehandelt über einen Zeitraum von etwa 20 Jahren zum Tod. Hier kamen zunächst Therapien mit Quecksilber oder Bleikraut inklusive verheerender Nebenwirkungen zum Einsatz, bevor Paul Ehrlich 1910 ein wirksames, Arsen-basiertes Medikament entwickelte. (https://www.deutsches-apotheken-museum.de/aktuell/aktuelle-themen/videos-aus-der-ausstellung)
Ganz neu in der Sammlung sind Medikamente, die im Kampf gegen Covid 19 erprobt werden.Und schon ist man mittendrin in der spannenden Geschichte der Pharmazie, die entlang eines digitalen Rundgangs durchs Museum anschaulich dargestellt wird. Das Deutsche Apotheken-Museum ist im Besitz von rund 100.000 originalen Objekten, die von unzähligen Rohstoffen und Arzneimitteln über wertvolle Gefäße und Laborgeräte bis hin zu vollständig erhaltenen, zum Teil barocken Apotheken-Einrichtungen reichen. Es ist die weltweit größte Sammlung in diesem Bereich und wird ständig durch den Erhalt neuer Medikamente und Nachlässe von Apotheken aus ganz Deutschland erweitert.
Nach einer Einführung in die Entwicklung der Heilkunde führt der virtuelle Rundgang zum "Arbeitsplatz" des Apothekers, angefangen bei der sogenannten "Offizin" (Werkstatt) mit zum Teil prachtvollen Interieurs von Stadt- und Hofapotheken. Daran schließen sich eine pittoreske "Material- und Kräuterkammer" sowie ein großes "Labor" an, das sich passenderweise im ehemaligen Apothekerturm des Schlosses befindet. Nach dem Erstarken der Alchemie im 16. Jahrhundert übten sich viele Apotheker in der Praxis der Destillation, sodass es hier neben Salbenmühlen, Öfen und Schmelztiegeln eine Vielzahl von technischen Gläsern zu entdecken gibt (https://www.deutsches-apotheken-museum.de/museum).
Schön blau: Lapislazuli war lange nicht nur als Schmuckstein und Pigment, sondern auch als medizinischer Inhaltsstoff begehrtMit dem nächsten Klick gelangt man zur beeindruckenden "Arzneimittel"-Sammlung des Museums. Sie beginnt exemplarisch mit einem Querschnitt von Rohstoffen aus dem Mineral-, Tier- und Pflanzenreich, die im 18. Jahrhundert in Apotheken vorrätig waren, zum Teil aber schon in der Antike Verwendung fanden, und reicht bis in die Jetztzeit.
Zur inhaltlichen Vertiefung einzelner Themen stehen auf der Website weitere Navigationskacheln im Abschnitt "Sammlung" zur Verfügung. Hier werden auch die Neuzugänge sowie die Ergebnisse der am Museum durchgeführten Forschungsprojekte vorgestellt (https://www.deutsches-apotheken-museum.de/sammlung). Eine schöne Gelegenheit, sich "gefahrlos" von zu Hause aus in die Welt der Pharmazie zu begeben.