Apache 207 hat sich an den Journalisten vorbeigepirscht. Den Durchbruch hat er dennoch geschafft. 2021 soll der 23-Jährige seine Deutschland-Tournee nachholen. Foto: Sony Music
Von Daniel Schottmüller
Mannheim/Ludwigshafen. Apache schweigt. Interviews gibt es bei ihm nicht. Der Zwei-Meter-Hüne mit der schwarzen Mähne hat es trotzdem bis ganz nach oben geschafft: Gleich fünf Singles seines Albums "Treppenhaus" kletterten 2020 an die Spitze der Charts. Sein "Roller" war sogar der meistgestreamte Deutschrap-Song des Jahres – gigantische 243 Millionen Mal wurde der Titel bisher beim Streaming-Anbieter Spotify abgespielt. Wäre Corona nicht dazwischen gekommen, hätte der Ludwigshafener sicher auch die Arenen des Landes erobert. Seine ursprünglich für April 2020 angekündigte Tour war in nur vier Minuten komplett ausverkauft.
Ja, Apache 207 – so sein voller Künstlername – ist gefragt. Obwohl verdammt wenig über ihn bekannt ist. Oder gerade deshalb? So viel will das Internet ausgekundschaftet haben: Der 23-Jährige hat türkische Wurzeln und wuchs als Volkan Yaman in Ludwigshafen-Gartenstadt auf. Genauer gesagt im Stadtteil Niederfeld, der in der ohnehin glanzarmen Arbeiterstadt als Brennpunkt gilt.
Graubraun die Klinkerfassaden, die Kellerfenster mit Zeitungspapier isoliert, so präsentiert Apache im Musikvideo von "Famous" dann auch das, was er sein "Ghetto" nennt. Dunkelhaarige Jungs wärmen sich am Feuer, die Kapuzen über die Köpfe gezogen. Dann erhebt sich Apache, er kommt aus dem Keller, tritt hinaus ins Freie. Die Menge johlt und zeigt der Kamera die Mittelfinger. Als der weiß gekleidete Krieger vom Vordach des Mietshauses springt, landet er in den Armen seiner Brüder. "Es versteht sich von selbst, dass er niemals seine Hood verlässt wegen paar Kröten mehr in seiner Lederbauchtasche / Er ist famous, denn Kids im Block freu’n sich, wenn er kommt und wollen Apache einen Kuss geben auf Backe", schallt es aus den Boxen. Rap-Romantik, die ohne spärlich bekleidete Damen, Schampus, Knarren und Joints auskommt.
Wenn Apache auf Instagram doch mal vor einer Edelkarosse posiert, kommt im Text darunter die erklärende Einordnung: Er könne sich noch gut erinnern, wie seine Mama sich von der Nachbarin drei Euro leihen musste, damit sie ihrem Sohn ein Glas Nutella kaufen kann. "Wir waren auf dem Heimweg von Netto, ich trug das Glas voller Stolz in meiner Hand und ließ es fallen. Das Glas zerbrach, ich erinner mich noch Mama. Ich erinner mich, wie verzweifelt du versucht hast, mitten auf der Straße die Glassplitter rauszuholen – vergeblich."
Apache, die Stimme des Gewissens im Gangsta-Rap-Geschäft. Kein Wunder, dass er, dem als Nachwuchskicker beim VfR Frankenthal eine Profikarriere prophezeit wurde, sich nicht mit Neymar, sondern einem anderen bodenständigen Pfälzer vergleicht: "Ich stehe hier mit meinem Hemd in der Hose / Denn ich bin Deutschraps Miroslav Klose", heißt es in "Kein Problem". Zeilen, die nach Bescheidenheit klingen, nach Loyalität und Anstand. Karl May wäre stolz, ob dieses "edlen Wilden". Aber Moment.
Dass Apache der Durchbruch 2018 ausgerechnet mit dem frauenfeindlichen "Kleine Hure" gelang, entspricht nicht unbedingt dem Winnetouschen Idealbild. Genauso wenig, wie sein von der "Stuttgarter Zeitung" als "Ludwigshafener Look" gefeierter Modestil: In enge Jeans (zur Not in die Socken gesteckt) oder Latzhosen, Unterhemd oder einfach nur Windeln gewandet, gibt der Rapper eine eher eigenwillige Erscheinung ab. Überhaupt: Apache mag über Messerstechereien und sein Holzboot rappen, aber hinter dieser Kunstfigur steckt mehr als stumpfe Indianerklischees.
Sein klangliches Erscheinungsbild zum Beispiel ist mindestens genauso exaltiert wie der Kleidungsstil. "Deutschlandfunk Kultur" bezeichnet ihn nicht von Ungefähr als "Falco des Deutschrap". Wie der Wiener tobt sich auch Apache auf schillernden Achtziger Beats aus und mischt dabei munter Rap und Gesang.
Aber das ist noch nicht alles. Zweieinhalb Jahre nachdem er im "No No"-Video rückwärts durch Mannheim cruiste, streiten Musikkritiker immer noch darüber, was den Apache-Sound so eingängig macht. Der "Focus" will Reminiszenzen an die "Barbie Girl"-Hersteller Aqua und Helene Fischer erkannt haben. "Die Zeit" zieht Phil Collins, Cloudrap und Matthias Reim zum Vergleich heran. Deutschrap-Übervater Kool Savas wiederum sieht in dem Ludwigshafener einen waschechten R-n-B-Sänger.
Vielleicht einigen wir uns darauf: Apache ist vielschichtig. Wie gezielt der junge Mann, der ein Jurastudium in Mainz auf Eis gelegt haben soll, um sich seiner Karriere zu widmen, seine Fährten auslegt, lässt sich schwer sagen. Fest steht, dass er über einen untrüglichen Instinkt verfügt. Seine Melodien, seine innovativen Videos, selbst der Modestil: Das alles ist extrem einprägsam. Und in Kombination mit seiner Phantomhaftigkeit anscheinend ziemlich attraktiv.
Auch im neuen Jahr hat es eine Apache-Single wieder auf Platz 1 der Charts geschafft. "Angst" thematisiert die Konsequenzen des kometenhaften Aufstiegs. In den Strophen berichtet der Rapper von siebenstelligen Plattendeals und einem Management, das ihn bittet, das Fluchen sein zu lassen. Dann folgt ein deprimierender Chorus: "Hier draußen ist es kalt / So voller Gewalt / Ich will nicht, dass du um mich bangst, Baby / Doch selbst ich hab’ so ’ne Angst, Baby / Auch wenn ich’s dir niemals zeig’ / Ich bin es so leid / Man sagt, Apache ist die Eins, Baby / Doch ich wollt es nie sein, Baby." Scheint, als sei der Krieger müde geworden. Oder lacht sich Apache ins Fäustchen, weil er mit seinem leiderfüllten Geheule gerade die nächste Million eingefahren hat? Schwer zu sagen.
Aber macht den Künstler nicht genau diese Ungewissheit aus? Vielleicht passt zu dem Mann aus Gartenstadt nicht das Stereotyp des stoischen Helden. Eher das, des "Trickster". Jener Figur, die in der indianischen Mythologie vom Kojoten verkörpert wird. Auch der ist ein Einzelgänger, der im Schutz der Nacht agiert. Versucht man, ihn zur Strecke zu bringen – so warnten einst die Prärieindianer – sollte man sich nicht wundern, wenn man statt eines Fangs anderntags eine Überraschung in seiner Falle vorfindet: ein strategisch platziertes Häufchen Kojoten-Kot. Ähnliches scheint auch auf Apache zuzutreffen: Er ist schwer zu fassen und gerade deshalb interessant.