"Wer in intakte Gebäude investiert, der gibt Werte weiter"
Mit viel Geld gegen den Sanierungsstau: OB Eckart Würzner verteidigt seine Haushaltspolitik und hat keine Angst vor grünem OB-Kandidaten

Von Ingrid Thoms-Hoffmann und Micha Hörnle
Eckart Würzner (51) ist seit sechs Jahren Oberbürgermeister von Heidelberg, im nächsten Jahr will sich der Parteilose zur Wiederwahl stellen - und die Grünen haben angekündigt, in jedem Fall einen Gegenkandidaten aufstellen zu wollen. Das Regieren in Heidelberg ist mit seinem zersplitterten Gemeinderat - hier gibt es seit der Kommunalwahl 2009 zehn Gruppierungen, und Würzners "bürgerliches" Lager hat keine Mehrheit - nicht einfach. Und doch gibt es kleine kommunalpolitische Wunder: So wurde vor einem Monat fast einstimmig der umstrittene und vom Steuerzahlerbund gerügte Doppelhaushalt verabschiedet - wenn auch mit deutlich weniger Schulden als ursprünglich geplant.
Wenn Sie dem letzten Jahr eine Schulnote geben müssten, wie wäre die?
Ich bin sehr zufrieden mit den Ergebnissen unserer Arbeit im letzten Jahr, beispielsweise bei der Fortsetzung der Schulsanierung, beim Ausbau der Bildung und Kleinkinderbetreuung, unseren Angeboten in der Sozialpolitik und unseren großen Bauprojekten. Die aktuelle Heidelberg-Studie zeigt: 96 Prozent der Bürger fühlen sich wohl in Heidelberg, 67 Prozent sogar sehr wohl, das sind mehr als je zuvor. Wir sind gut auf dem Weg. Insofern: die Note gut.
Bestimmt nicht gut war für Sie die jüngste Rüge des Bundes der Steuerzahler, was Ihren Haushalt angeht. Ärgern Sie sich immer noch darüber?
Ehrlich gesagt, schon ein wenig. Denn als eine der wenigen Städte im Land haben wir konsequent unseren Haushalt nach buchhalterischen Regeln umgestellt und können eine klare Bilanz vorlegen, die beispielsweise auch Abschreibungen und Rentenzahlungen abbildet. Wir sind eine der Kommunen mit der geringsten Verschuldung im Land, im Bund sowieso, und haben in den letzten Jahren die Verwaltungsausgaben massiv reduziert: Allein in den letzten 17 Jahren haben wir fast 17 Prozent unseres Personals abgebaut - trotz immer mehr Aufgaben. Insofern ärgert einen schon eine solche Kritik. Schließlich lag unser Schwerpunkt bei den Investitionen: Denn wer intakte Gebäude an kommende Generationen weitergibt, der gibt Werte weiter.
Nun fällt die Neuverschuldung niedriger aus, vor allem weil die Verwaltung sieben Millionen Euro in diesen zwei Jahren sparen soll. Sie sprachen es gerade an: Wo kann die Verwaltung denn noch sparen?
Das wird schwierig. Wir können nicht einfach große Positionen streichen. Ich habe vorgeschlagen, dass wir uns bei den Zuschüssen und den allgemeinen Ausgaben zurückhalten, um weitere Investitionen, gerade bei Schulen und Kindergärten, zu ermöglichen.
Wenn schon in guten Jahren das Geld nicht reicht, wie wollen Sie in Zukunft Großprojekte, wie das Mobilitätsnetz, überhaupt stemmen?
Der Sanierungsbedarf an städtischen Gebäuden, gerade im Schulbereich, war weit höher, als ich es erwartet hatte, deswegen engagieren wir uns hier finanziell besonders stark. Bis 2016 sollen die großen und dringendsten Vorhaben abgeschlossen sein. Andere Städte schieben hier einen riesigen Sanierungsstau vor sich her. Mein Vorschlag ist weiterhin, mehr zu investieren, gerade bei den Straßen - und uns bei Zuschüssen zurückzuhalten.
Apropos Großprojekte: Haben Sie sich innerlich vom Neckarufertunnel verabschiedet?
Nein, ich halte das Projekt, die Innenstadt an den Neckar näher heranzuführen, für zukunftsträchtig. Niemand sollte es aufgeben. Allerdings haben wir es in der derzeitigen Situation zurückgestellt, schließlich ist die Unterstützung des Landes und auch des Bundes dafür zwingend erforderlich.
Könnte denn der Neckarufertunnel im Gewande einer Altstadt-Straßenbahn doch wieder auf die Agenda kommen?
Das sollte man rein sachpolitisch sehen. Jetzt müssen Daten erhoben werden, welche Trassenführung der Altstadt-Straßenbahn sinnvoller ist - zum Karlstor oder zum Uniplatz. Generell sollten wir uns beim "Mobilitätsnetz", also unseren Ausbauplänen für das Straßenbahnnetz, darauf konzentrieren, was machbar ist.
Das hieße aber dann, dass im Rahmen des Mobilitätsnetzes die Altstadt-Straßenbahn eher hintangestellt wird - nach dem Motto: Lieber das schnell bauen, was bis 2019 noch vom Bund gefördert werden kann.
Ja, dann läuft auch die Bundesförderung aus. Deswegen forcieren wir auch die Straßenbahn ins Neuenheimer Feld, die bereits in der Planfeststellung ist, die Straßenbahn nach Schwetzingen, die Umgestaltung am Hauptbahnhof und die Bahn in die Bahnstadt. Ich erhoffe mir vom Gemeinderat eine klare Entscheidung für unser Mobilitätsnetz.
Immer wieder taucht der Vorwurf auf, dass Heidelberg zu viel Geld für die Kultur ausgibt, eingeschlossen ist ja dabei auch die Jugendkultur. Und trotzdem sind viele der Kulturtreibenden unzufrieden. Wie passt das zusammen?
Das Engagement in Forschung, Wissenschaft und Kultur sollte sich eine Stadt wie Heidelberg zwingend leisten, die international ausgerichtet ist und für ihre Bewohner wie für ihre Gäste attraktiv bleiben will. Zum Thema Halle 02 und Dischingerstraße haben wir klar gesagt: Wir wollen diese jugendkulturellen Einrichtungen - aber auch nicht zu jedem Preis.
War es nicht ein Fehler, die Verantwortlichen erst einmal planen zu lassen und ihnen dann als Stadt zu wenig Geld zu geben?
Eine eigene vollwertige Veranstaltungsstätte in der Dischingerstraße zu errichten, kostet nochmals mehr als zwei Millionen Euro. Wir können neben Angeboten wie der Halle 02, dem Karlstorbahnhof oder dem Haus der Jugend nicht alle Wünsche erfüllen. Nun wollen wir mit den Jugendlichen ein zukunftsorientiertes Konzept erarbeiten, das mit einer halben Million Euro umsetzbar ist - zusätzlich zum bestehenden Angebot.
Kritiker im Gemeinderat sagen, Ihr Entwurf für den Doppelhaushalt 2013/14 sei einer für den OB-Wahlkampf 2014 gewesen, bis Sie vom Gemeinderat ausgebremst wurden.
Ich wüsste nicht, welches Projekt im Haushalt von der Linie abweicht, die wir in den letzten Jahren eingeschlagen haben. Es wurde auch nichts grundlegend Neues von mir vorgeschlagen. Ich habe einen Haushalt vorgelegt, der die bisherigen Schwerpunkte fortsetzt. Insofern ist die Aussage falsch. Ich hatte als Grundlage im Frühjahr angestrebt, dass der Gemeinderat die Eckwerte des Haushaltes definiert, inklusive der maximalen Neuverschuldung. Das aber wollte die Mehrheit des Gemeinderats nicht. Wir haben einen Doppelhaushalt von einer Milliarde Euro eingebracht. Von diesen 1000 Millionen hat der Gemeinderat sieben Millionen an Investitionen reduziert, indem er sie in kommende Haushalte verschoben hat. Die Stadtverwaltung hat mit eigenen Vorschlägen zu Einnahmeverbesserungen von sechs Millionen beigetragen. Und der Gemeinderat hat der Verwaltung eine globale Minderausgabe von sieben Millionen Euro auferlegt, hat aber zugleich die Zuschüsse um jährlich 1,6 Millionen erhöht. Also: Unter Ausbremsen verstehe ich etwas anderes. 98 Prozent des Haushaltes wurden so verabschiedet wie von mir eingebracht.
Wo sehen Sie für 2013 die Schwerpunkte Ihrer Arbeit?
Wir setzen das Engagement in den Bereichen Familien, Bildung und Kinderbetreuung fort. Dazu kommen zwei Dinge: eine neue Initiative für bezahlbaren Wohnraum auf den US-Flächen. Und wir werden die Belange älterer Menschen stärker in den Fokus nehmen, beispielsweise durch neue Wohnformen wie Mehrgenerationenhäuser, mehr Barrierefreiheit und mehr Begegnungsstätten. In 20 Jahren werden wir doppelt so viele Menschen über 65 Jahren haben wie heute.
Das hört sich eher nach einem sozialen Schwerpunkt an ...
Ja, aber nicht nur. Natürlich werden wir Heidelberg auch weiterhin konsequent als Wissenschaftsstadt herausstellen, beispielsweise durch die Internationale Bauausstellung und die weitere Verbesserung der Infrastruktur im Schulterschluss mit der Universität und den Forschungseinrichtungen. Aber das sind eher Aufgaben für das nächste Jahr. Dann werden wir auch Gebiete entwickeln, die dafür in Frage kommen, wie beispielsweise Patrick Henry Village als möglicher neuer Forschungsstandort.
Die Grünen, als stärkste Fraktion im Gemeinderat, wollen bis spätestens Januar 2014 ihren OB-Kandidaten präsentieren. Wie sieht es bei Ihnen aus - werden Sie auch weiterhin von den Konventparteien unterstützt?
Auf jeden Fall. Ich decke ein breites Spektrum ab - in der Familienpolitik, im Umweltschutz, in der Wirtschaftspolitik mit dem Schwerpunkt auf nachhaltiges Wirtschaften, und mit meinem Engagement für Bildung und Wissenschaft. Dass es da auch andere Positionen gibt, ist legitim. Ich sehe das gelassen.
Aber Ihre Themen hören sich doch ziemlich grün und auch sozialdemokratisch an.
Die Politik im Rathaus soll sachorientiert, nicht parteipolitisch geleistet werden. Diesen Weg möchte ich fortsetzen.
Noch einmal: Haben Sie denn bereits den uneingeschränkte Rückhalt Ihres bürgerlichen Lagers?
Ich habe eine breite Unterstützung. Und die gibt mir auch die Energie, mein Amt so auszuführen, dass wir Projekte wie die Bildungs- und Familienpolitik, die Theatersanierung, die Bahnstadt und die US-Flächen stemmen. Das sind Projekte, die Heidelberg in dieser Dimension bisher noch nicht realisiert hatte.