"Dachüber hineingestürzt"

Sinsheim. Ob "Hausgeburt" oder "Ausbruch" ist zweitrangig: Kunstpreis findet sympathischen Abschluss

14.04.2012 UPDATE: 14.04.2012 17:55 Uhr 1 Minute, 39 Sekunden

Das Werk von Timm Ulrichs am Polizeirevier nimmt das zerrissene Sinsheimer Stadtbild aus altem und neuem augenzwinkernd auf die Schippe. Fotos: Kegel

Von Tim Kegel

Sinsheim. Ob sie nun "Hausgeburt" heißt, wie eigentlich nur der örtliche Arbeitstitel, oder doch "Ausbruch", wie in Künstler Timm Ulrichs Katalog - diese noch zu klärende Frage will derselbe "nicht zu einem Klassenkampf machen." Überhaupt war bei der Bauabnahme der neuen Kunst im öffentlichen Raum an der kahlen Wand des Polizeireviers keinem mehr nach Kampf zumute. Binnen einer Stunde mutierte der erste, vor sechs Jahren vergebene Kunstpreis der Stadt, vom Stiefkind zur Erfolgsgeschichte.

Mit kritischer Distanz und lakonischem Witz, mit der Präzision des Professor-Architekten (der er nun mal ist) und der bubenhaften Lust am Spielerischen, war der Berliner Timm Ulrichs, den man getrost einen der großen deutschen Zeitgenossen nennen kann, ans Werk gegangen. Seine Beobachtungen hätten sich dabei auf die architektonische Situation in der Stadt gestützt, schilderte Hans-Michael Franke, Bildhauer und Organisator des Kunstpreises, daneben Ulrichs "alter Freund und Kupferstecher" in witzig-spitzen Worten.

Ulrichs Entwürfe beleuchteten die Lage am Flüsschen Elsenz - frei übersetzt "El-Senza": "Das Ohne" - sowie "die Absurdität von eng aneinander gepferchten Alt- und Neubauten über dennoch vorhandenen Baulücken", so Franke weiter. Oder mit Ulrichs Worten: "Es könne ja ein Haus, dachüber vom Himmel fallend, sich da hineinstürzen wollen." Dies ausgerechnet an der einzigen großen freien Wand in Sinsheim. Ein gerüttelt Maß anarchistischen Witzes also - wie es sich gehört, direkt bei der Polizei. "Ausbruch" würde dem Künstler, dem man seine 72 Lebensjahre nicht im Mindesten anmerkt, als Name für sein Werk selbstverständlich besser gefallen.

Auch freut er sich, dass es "nun doch kein Werk aus meinem Nachlass geworden ist." Neben den 20 000 Kunstpreis-Euro steuert Ulrichs einen nicht geringen Teil der Entstehungskosten selbst bei und witzelt mit der RNZ: "Lieber fahr' ich nicht nach Mallorca." Sinsheim die Stange halten will er. Wiederkommen und "vielen Leuten sagen: dort müsst ihr mal hinfahren."

Alle Unstimmigkeiten im Vorfeld und eine - so Oberbürgermeister Rolf Geinert - "eine schon ab dem Zeugungsakt langwierige und schwierige Schwangerschaft" - sie waren nun vergessen und wirklich jeder hatte die wahre Größe, nun nach vorn zu blicken. "Dankbar und sehr, sehr stolz" zeigte sich Geinert, der nur noch 18 Tage im Amt ist, berührt vom sympathischen Ausgang einer kaum enden wollenden Geschichte. "Ich freue mich auf die Diskussionen", sagte das Stadtoberhaupt. Er rechne mit deren vielen. Wünsche nach einer Fortsetzung des Kunstpreises wurden laut, der an das Bildhauersymposium vor 20 Jahren erinnert, dessen Teilnehmer auch die Kunstpreis-Jury bildeten.

Zufrieden auch die Vertreter des Landes: Baudirektor Bernd Müller und Sinsheims Polizeichef Erhard Loy. Man sei auf einfachem Weg erstens an hochklassige Kunst am Bau gekommen, zweitens mit großem Sympathiefaktor für die örtlichen Ordnungshüter.

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