Hintergrund Chronologie Bluttest

12.07.2019 UPDATE: 12.07.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 29 Sekunden

Die Chronologie des Versagens am Universitätsklinikum Heidelberg 

> November 2015: Ein Team am Universitätsfrauenklinikum forscht nach einem Bluttest zur Brustkrebsfrüherkennung - und glaubt fündig geworden zu sein. Die Forscherinnen Rongxi Yang und Barbara Burwinkel melden erste Erfolge.

> April 2016: Yang erhält eine Förderzusage vom Wirtschaftsministerium im Rahmen des Exist-Programms: 855.000 Euro für drei Jahre.

> November 2016: Die chinesische Firma NKY Medical verhandelt mit Yang und der Technology Transfer Heidelberg GmbH (TTH) über einen Einstieg beim Bluttest. Alle gehen von einer Trefferquote des Tests zwischen 95 und 100 Prozent aus.

> März 2017: Yang fällt am Uniklinikum in Ungnade - angeblich, weil sie den Deal mit NKY zum Platzen brachte. Sie wird Ende März als Projektleiterin abgesetzt und verlässt wenig später die Klinik. Das Wirtschaftsministerium beendet die Förderung vorzeitig. Yang wirft Frauenklinikchef Christof Sohn und der neuen Projektleiterin Sarah Schott vor, die Lorbeeren für den Brustkrebstest einstreichen zu wollen.

> Juni 2017: Das neue Team um Schott erzielt bei der Auswertung des Bluttests nicht die gleichen Spitzenwerte wie Yang.

> Oktober 2017: Die Heiscreen GmbH wird gegründet. Der Unternehmer Jürgen Harder ist über die "MSB Mammascreen Beteiligungs GmbH" mit 39,2 Prozent beteiligt - und besitzt ein Vorzugsrecht. Die TTH hält 48,6 Prozent der Anteile, Sohn 4,9 und Schott 7,3 Prozent. Eine zweite Firma, die Heiscreen NKY GmbH, soll den Bluttest in China vermarkten. Hier hält die TTH 80 Prozent der Anteile, Sohn acht und Schott zwölf Prozent. Die beiden Ärzte fliegen im November nach China und unterzeichnen eine Absichtserklärung für eine Kooperation mit NKY Medical.

> 17. April 2018: Sarah Schott und ihr Team präsentieren die aktuellen Daten in großer Runde - auch Harder und der Ex-Chefredakteur der "Bild"-Zeitung, Kai Diekmann, sind dabei. "Jetzt wussten wir alle: Der Test taugt nichts", sagt nach dem Treffen einer, der dabei war.

> Dezember 2018: Nach und nach verbessern sich die Werte im Team Schott, auch wenn der Bluttest keine 100-Prozent-Trefferquote erreicht, wie dies Yang gemeldet hatte. Bei der Heiscreen GmbH wächst die Zuversicht, den Test demnächst präsentieren zu können.

> 31. Januar 2019: Die interne Abstimmung zwischen Heiscreen, Uniklinikum, TTH und den Forschern ergibt: Am 21. Februar sollen die "Zwischenergebnisse" bei einem Kongress in Düsseldorf von Prof. Sohn präsentiert werden. Für den gleichen Tag ist eine Pressekonferenz geplant.

> 21. Februar 2019: "Weltsensation aus Heidelberg: Bluttest erkennt Brustkrebs", schreibt die "Bild"-Zeitung groß auf ihrer Titelseite. Das Uniklinikum schickt eine Mitteilung über den "ersten marktfähigen Bluttest für Brustkrebs", der ein "Meilenstein der Brustkrebsdiagnostik" sei, an alle Medien. In Düsseldorf geben Sohn und Schott eine Pressekonferenz. Die RNZ deckt später auf, dass der Klinikvorstand frühzeitig in die PR-Kampagne - für welche die Agentur "Deekeling Arndt" 80.000 Euro in Rechnung stellte -, eingeweiht war. Selbst das Sohn-Interview in der "Bild" wurde in der Pressestelle und im Vorstand vorab gegengelesen.

> März 2019: Der Aktienkurs der Firma NKY Medical steigt und steigt: zwischen 21. Februar und 25. März um über 55 Prozent - so ermittelte es die RNZ. Zugleich tauchen immer mehr Ungereimtheiten rund um den Brustkrebstest auf. Die Uniklinik taucht ab - und ignoriert die meisten Fragen der RNZ. Bundesweit hagelt es Kritik.

> April 2019: Die Uniklinik stellt "Anzeige gegen Unbekannt unter allen rechtlichen Gesichtspunkten". Wenig später übernimmt die Staatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität Mannheim die Ermittlungen. Im Raum stehen zahlreiche Vorwürfe - etwa Insiderhandel. Der Aufsichtsrat des Uniklinikums entzieht dem Vorstand die Aufklärung des Bluttest-Skandals. In mehreren Gesprächen mit der RNZ sagt die Leitende Ärztliche Direktorin des Uniklinikums, Annette Grüters-Kieslich, weiterhin die Unwahrheit darüber, wie frühzeitig und umfangreich sie von der PR-Kampagne und dem "Bild"-Interview wussten. In der Uniklinik beginnt ein offener Machtkampf: Rücktritte von Vorstandsmitgliedern werden gefordert und zurückgewiesen.

> Mai 2019: Markus Jones, der für die Uniklinik bei TTH in der Geschäftsführung saß, wird freigestellt - offiziell wegen möglicher "Interessenkonflikte" bei der "Aufklärung der Sachverhalte". Der Rektor der Universität kündigt wenig später den Dienstleistungsvertrag mit der TTH - und zieht die Entscheidungsgewalt über Uniklinik-Ausgründungen an sich.