Beim "Protest-Slam" ging es zur Sache: (v.l.) Moderator Philipp Herold, Tehzina Ahmad, Paul Meier, Christian Pfahl, Wortkauz, Jayson Salazar und Andrea van Bebber sprachen über das, was sie ärgert. Foto: Philipp Rothe
Von Inga Jahn
Heidelberg. Von dort, wo der Pfeffer wächst, gleich neben "Protest-Disneyland", von der Kunst aus dem Nichts und von "Trumpeltieren" berichteten zwölf Poetry-Slammer vergangenen Mittwoch auf der Bühne des Theaters im Karlstorbahnhof. Ob mit Gitarre oder Spickzettel, sogar Requisiten waren erlaubt - einzig das Thema stand fest: Protest! Organisiert vom Referat für Politische Bildung des Studierendenrates sollte das in präzise, ausgefeilte Sprache verpackte Protestieren ein würdiger Abschluss der Veranstaltungsreihe "Protest!" sein. Ob Profi oder Neuling, alle waren auf der Bühne willkommen.
Zwölf mutige Sprachtalente, aufgeteilt in zwei Gruppen, stellten sich der Aufgabe und protestierten in dem gut gefüllten Theater. Der Eine übte Kritik am politischen Geschehen, der andere am Heidelberger Wohnungsmarkt. Egal wie, egal wogegen, nur zwei Regeln legte Moderator Philipp Herold, selbst Profi-Slammer, zu Beginn fest: "Nach sieben Minuten ist Schluss und ganz wichtig: Jeder Künstler hat den Respekt des Publikums mehr als verdient. Ganz egal ob ihr mögt, was er macht, oder nicht - ein Applaus ist immer drin."
Das Publikum, die meisten zum ersten Mal auf einem Poetry-Slam, applaudierte, mal lauter, mal leiser und entschied so, wer als Sieger des Abends hervorging. Siegerin der ersten Runde, Andrea van Bebber, bezeichnet sich selbst als Neuling unter den Slammern. "Meinen ersten Text habe ich vor knapp einem Jahr geschrieben, auf die Idee des Slammens haben mich meine Kinder gebracht", erzählte die fünffache Mutter und mittlerweile auch Großmutter, die sich schon durch ihr Alter von den anderen Künstlern abhob. Van Bebber ist Musikerin und Schriftstellerin, ihr neuster Roman "Perlen vor die Säue", der zu DDR-Zeiten in Heidelberg spielt, erscheint im Februar. "Das Schreiben von Romanen und Musik ist im Gegensatz zum Schreiben von Slams einfach irgendwie vorgegebener, eingerahmt von Regeln und nicht so frei", erzählt die Heidelbergerin. Auf der Bühne lässt sie in rhythmischer Art und Weise mit ihrem Text "Also prost!" mal so "richtig Dampf" ab: Sie schimpft, sie wettert, sie äußert Unmut über politische Entwicklungen: Verbote von Plastiktüten und Einwanderung, die Wahl des "Trumpeltiers" oder eingeschränkte Meinungsfreiheit - die Künstlerin packte einige Themen an.
Auch Thanu X., Siegerin der zweiten Gruppe des Wettbewerbs, spricht über einige Tabus und Probleme. "Mit meinem Text möchte ich nicht aktiv provozieren - dass er aber als Provokation gesehen wird, verrät vieles über unsere Gesellschaft", sagt die Schweizerin im Gespräch mit der RNZ. Für sie ist ihre "reine Existenz ein Protest". Sie spricht über kulturelle Unterschiede, über Sexismus, sexuelle Nötigung und über Depression - all das habe sie selbst erlebt. "Depression ist wie singen ohne Stimme, wie fliegen ohne Flügel", so die junge Künstlerin.
"Mit meinem Auftritt mache ich mich natürlich total verletzbar, weil ich so offen über mich, meine Ängste und meine Erfahrungen spreche, aber genauso will ich es", meint sie selbstbewusst. Ihr Ziel sei es, Betroffene anzusprechen, um zu erreichen, dass vor allem das Thema Depression "nicht mehr marginalisiert und stigmatisiert wird, sondern einen Raum innerhalb der Gesellschaft findet". Mehr als einmal sei es passiert, dass nach ihren Auftritten Betroffene zu ihr kamen, sich verstanden fühlten und über sich und ihre Krankheit reflektierten.
Info: Am heutigen steht Thanu X. im Café Leitstelle im Dezernat 16, Emil-Maier-Straße 16, um 20 Uhr beim Newcomer-Slam wieder auf der Bühne.