Heidelberg

(K)ein Leben ohne Hilfe mit dem Angelman-Syndrom

Lukas Wienecke hat das seltene Angelman-Syndrom. Er kann seinen Alltag nicht alleine bewältigen.

16.03.2022 UPDATE: 17.03.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 15 Sekunden
Lukas Wienecke wird von der Studentin Paula Lanz (24) unterstützt. Sie hatte die Idee, gemeinsam an einem Spendenlauf teilzunehmen, der Menschen mit seltenen Erkrankungen unterstützen soll. Foto: Friederike Hentschel

Von Lea Jäger

Heidelberg. Am 28. Februar war internationaler "Rare Disease Day", ein Tag, der auf seltene Erkrankungen aufmerksam macht – und obwohl selten bedeutet, dass nur eine von rund 2000 Personen erkrankt, sind es ganze 300 Millionen Menschen weltweit. Meist sind es genetisch bedingte Krankheiten, die nicht heilbar sind. Im Rahmen dieses Tags hat der Verein "Laufen macht glücklich" einen Spendenlauf organisiert, bei dem Teilnehmer zehn Selbsthilfe-Elternvereine unterstützen, die sich mit unterschiedlichen seltenen Erkrankungen befassen. Gelaufen wurde im Zeitraum vom 28. Februar bis 6. März, jeder für sich. Das gesammelte Geld hilft den Vereinen in ihrer Aufklärungsarbeit, Informationsbereitstellung und Forschung.

Auch der 19-jährige Lukas Wienecke und seine Betreuerin Paula Lanz aus Heidelberg haben an dem Lauf teilgenommen. Lukas hat das seltene Angelman-Syndrom, eine angeborene Behinderung, die sich vor allem durch kognitive Entwicklungsstörungen und verringerte Sprachentwicklung auszeichnet. Durch die Krankheit kann der junge Erwachsene seinen Alltag nicht allein bewältigen und ist auf dauerhafte Hilfe angewiesen.

Paula ist 24 Jahre alt und studiert an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg Sonderpädagogik. Bereits seit fünf Jahren ist sie eine große Unterstützung für Familie Wienecke. Von ihr kam die Idee, an dem Lauf teilzunehmen: "Ich finde es eine wichtige Aktion, um auf die belastende Situation von Betroffenen aufmerksam zu machen", sagt sie. Den Menschen eine Stimme zu geben, die es selbst nicht können, und Lukas etwas von dem zurückzugeben, das er ihr gibt – so fasst Paula ihre Motivation zusammen.

Lukas sei ein lebensfroher und herzlicher Mensch, der eine positive Qualität in ihr Leben bringe, sagt die Mutter des jungen Mannes. Gerade deswegen sei es Frau Wienecke wichtig, ihm ein Leben zu ermöglichen, das zu seinen Bedürfnissen passt. Die Situation, in der sich die Familie und viele andere befinden, ist prekär. Eine der unzähligen Belastungen sind die aufwendigen Anträge für verschiedene Dinge, die zur Grundversorgung von Lukas beitragen. Angefangen bei Hilfsmitteln für sein alltägliches Leben wie ein passender Rollstuhl und Medikamente bis hin zu einem geeigneten Wohnheimplatz – für alles muss ein Antrag bei der Krankenkasse gestellt werden, der sich oft lange hinzieht und nicht selten abgelehnt wird. Das verlange Engagement, eine Menge Eigeninitiative und bedeute viel Bürokratie.

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Bis vor eineinhalb Jahren hat Lukas zu Hause gelebt und wurde von seiner Familie betreut, nun wohnt er unter der Woche in einer Betreuungseinheit in Heddesheim. Das sei allerdings nur eine kurzfristige Lösung, da die Einrichtung auf Personen bis 21 Jahre ausgerichtet ist und so in den nächsten zwei Jahren eine neue Lösung gefunden werden muss. "In Heidelberg gibt es keine adäquate Wohnmöglichkeit", erzählt Lukas’ Mutter. Deshalb seien sie bis zu 125 Kilometer gefahren, um etwas zu finden, das auf seine Persönlichkeit und seinen Betreuungsbedarf abgestimmt ist.

Paula und die Mutter erzählen von langen Wartelisten, mangelndem Pflegepersonal und wenig informationeller und emotionaler Unterstützung für Familien von behinderten Menschen: "Es gibt keinen, der einem sagt, was genau man machen muss, man ist oft auf sich allein gestellt", beschreibt Lukas’ Mutter den Kampf. Aufgrund dieser Situation wurde sie aktiv und wendete sich mehrfach an den Oberbürgermeister, den Leiter der Lebenshilfe und die Sozialbeauftragte der Stadt, um wohnortnahe, individuell passende Wohnmöglichkeiten einzufordern – bislang ohne Erfolg.

Es solle mehr zur Selbstverständlichkeit werden, dass Menschen mit Behinderung genauso am Leben teilhaben können wie nicht davon Betroffene, wünscht sich Paula. Doch dafür muss einiges passieren, Barrieren müssen abgebaut werden und die Krankheiten eine größere Beachtung in der Gesellschaft erhalten. Der "Rare Disease Day" und der Lauf sind ein Weckruf für ein "Thema, das mehr Reichweite bekommen muss" – und einer von vielen wichtigen und notwendigen Schritten in die richtige Richtung.

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