Moderne Methoden zum Erhalt des historischen Gartens
Der Schwetzinger Schlosspark und die Gefahren des Klimawandels.

Schwetzingen. (cab) Trüffel, Feldsalat und Buchensetzlinge: Im Schwetzinger Schlossgarten bieten die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg (SSG) dem Klimawandel und seinen Auswirkungen mit ungewöhnlichen Maßnahmen die Stirn. Eingebunden in Forschungsprojekte und Expertennetzwerke, gehen die SSG zusammen mit der Schlossgärtnerei vor Ort neue Wege. Ihr Ziel auch in diesem Jahr: das 72 Hektar große Gartendenkmal und das historische Gesamtbild langfristig erhalten. Eine Übersicht zum Stand der Dinge.
> Die Ausgangslage. Der Klimawandel verändert die Lebensbedingungen der Ökosysteme im Schlossgarten. Mit konventionellen Techniken von Düngung und Schädlingsbekämpfung kann man das Gesamtbild des Schlossgartens nicht mehr erhalten. Darauf reagieren die SSG seit Jahren mit Maßnahmen, welche die Bodenqualität langfristig verbessern, die Biodiversität sichern und den Garten nachhaltig pflegen.
> Wegweisende Projekte. "Wir sind auf einem guten Weg", blickt SSG-Geschäftsführer Michael Hörrmann zurück auf 2021. "Es gibt aber noch viel zu tun." Die Lösungen zum Erhalt des Gartens denken sich die Expertinnen und Experten nicht allein aus. "Wir arbeiten mit Kolleginnen und Kollegen aus ganz Europa zusammen, um gemeinsam Lösungen zu finden", erklärt Hörrmann. Im Schlossgarten Schwetzingen sind vor allem die zum Teil 200 bis 300 Jahre alten Solitäre und Baumgruppen extrem gefährdet, die zugleich Lebensraum für Kleintiere, Insekten und Pilze sind.
> Die Bestandsaufnahme. Im November 2020 startete eine auf drei Jahre angelegte Untersuchung der Artenvielfalt im Schlossgarten mit Mitteln aus nicht abgeholten Gewinnen der Glücksspirale der Staatlichen Toto-Lotto GmbH Baden-Württemberg. Mit dem Projekt (gemeinsam mit dem Naturkundemuseum Karlsruhe) erarbeiten die SSG eine denkmalgerechte Erhaltungsstrategie für die historischen Gärten. In der Studie werden erstmals neben Gefäßpflanzen und Insekten auch Pilze berücksichtigt.

> Auf Trüffelsuche. Viele sogenannte Ektomykorrhizapilze bilden vorzugsweise mit alten Bäumen Symbiosen, wie sie in historischen Gärten zu finden sind. Sie sind heute aber vom Rückgang betroffen oder sogar vom Aussterben bedroht. Typische Pilze sind Pfifferling, Täubling und Knollenblätterpilz. Doch auch unterirdisch wachsende Pilze wie die Sommertrüffel gehören zu den Ektomykorrhizapilzen. Nach Abschluss der Monitoring-Studie wollen die Fachleute der SSG in der Lage sein, die Bedingungen für Mykorrhizapilze und damit für Altbäume gezielt zu verbessern, und bei Nachpflanzungen von Anfang an diese so wichtige Symbiose zu fördern.
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> Versuchsbaumschule der Zukunft. Um das authentische Bild des Schlossgartens dauerhaft erhalten zu können, gehen die Staatlichen Schlösser und Gärten auch den Weg der "Naturverjüngung". Dazu belebten sie am Rand des Schlossgartens, nach historischem Vorbild die Tradition einer Baumschule. In der Versuchsbaumschule werden Techniken und Gehölze zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels erprobt. Dazu werden auch Sämlinge aus dem Garten oder aus Forstbaumschulen schrittweise an die Verhältnisse gewöhnt, in denen sie später im Schlossgarten wachsen sollen. Je nach Art, werden die Jungbäume frühestens nach fünf bis sieben Jahren ausgepflanzt.
> Naturverjüngung im Schlossgarten. Aus eigener "Naturverjüngung" stammen die sechsjährigen Eichen, die im Frühjahr des vergangenen Jahres einen Platz im Schlossgarten fanden. In der Versuchsbaumschule werden aber auch Jungbäume aus dem In- und Ausland herangezogen, aus Gebieten, die wärmer und trockener sind. Zu den besonders gefährdeten Baumarten im Schwetzinger Schlossgarten gehören die Buchen. In der Baumschule werden daher Setzlinge aus verschiedenen Regionen getestet: vom Oberrheingraben, aus dem Westerwald und aus dem fränkischen Hügelland sowie aus Ostpolen. Erst im November wurden zudem Buchensetzlinge aus Katalonien im Schlossgarten gepflanzt. Katalonien ist die südliche Verbreitungsgrenze der Buche.
> Feldsalat statt Blumenpracht. In der Baumschule testen die Fachleute auch das Wuchsverhalten der Gehölze auf unterschiedlichen Bodenverhältnissen und Bodenzusatzstoffen. Dafür reicherten sie Teilbereiche der Baumschulfläche mit Pflanzenkohlesubstrat an und versorgten die Wurzeln gezielt mit Algen und Mikroorganismen, um sie zu kräftigen. Pflanzkohle setzt das Gartenteam auch in den Blumenbeeten ein. Durch das wärmere Klima haben sich im Blumenflor in den vergangenen Jahren Schadpilze wie Tulpenfeuer und Grauschimmel ausgebreitet. Die Phosphat- und pH-Werte in den Rabatten waren zu hoch, der Boden war ermüdet. Ergänzend zur Pflanzkohle, pflanzte man 2021 nach der Sommersaison Feldsalat als Gründünger in den Blumenrabatten – anstelle der Blumenzwiebeln des Frühjahrsflors. So sollen sich die ausgelaugten Böden erholen können. Ihre Sanierungsphase zur Erholung soll noch bis ins Frühjahr hinein dauern. "Für Besucherinnen und Besucher ist das natürlich erst mal ein ungewöhnlicher Anblick", räumt Hörrmann ein. Aber: "Wir gehen davon aus, dass der Barockgarten mit dem Sommer wieder wie gewohnt erblühen kann."
Info: Eintrittspreise sowie Hinweise für Gäste des Schwetzinger Schlosses und des Schlossgartens.



