Gemeinderat Heilbronn

Situation in den Kliniken ist sehr angespannt

Das größte Problem sei die Personalsituation, die größten "Problemverursacher" seien die Ungeimpften.

19.11.2021 UPDATE: 20.11.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 34 Sekunden
Am Freitag vor der Harmonie: Drinnen wird über Corona diskutiert, draußen getestet. Foto: Fritz-Kador

Von Brigitte Fritz-Kador

Heilbronn. Nach zwei Stunden Information und Diskussion ließ Oberbürgermeister Harry Mergel bei der Gemeinderatssitzung am Donnerstag erst mal den Saal der Harmonie lüften – die kurzfristig angesetzte Corona-Debatte hatte alle Voraussetzungen geboten, um die Gemüter zu erhitzen. Die Zahlen, die der Leiter des Heilbronner Gesundheitsamtes, Dr. Peter Liebert, dann auch Thomas Weber als Geschäftsführer und Professor Wolfgang Linhart als Ärztlicher Direktor der SLK-Klinik "Am Gesundbrunnen" vorlegten – sie waren danach, und sie erklären sich mit diesen Worten: "Impfmüdigkeit" und "Ungeimpfte".

Am Freitag lagen im "Gesundbrunnen" 80 Corona-Patienten, davon 20 auf der Intensivstation, von denen 19 beatmet werden mussten; nur drei von ihnen waren geimpft. Dass es nach den Vorträgen der drei "Corona-Frontkämpfer" in den Redebeiträgen der Gemeinderäte – nur Stadtrat Alfred Dagenbach, Mitglied der AfD-Fraktion, scherte da aus – fast einhellig Lob, Dank und Anerkennung für das Pflegepersonal gab, das mag diesem als Zeichen der Wertschätzung gutgetan haben, geholfen aber war damit noch niemandem. Denn konfrontiert mit den neuesten Entwicklungen hatten auch die Stadträte mehr Fragen als Lösungsansätze zu bieten.

Hintergrund

> Mit Tabellen und Zahlen konnte Dr. Peter Liebert, der Leiter des Gesundheitsamtes, die Corona-Situation in Heilbronn für die Woche vom 7. bis 13. November darstellen. Die Alterspyramide der Corona-Erkrankten zeigte eine überproportionale Häufung von Fällen bei den zehn-

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> Mit Tabellen und Zahlen konnte Dr. Peter Liebert, der Leiter des Gesundheitsamtes, die Corona-Situation in Heilbronn für die Woche vom 7. bis 13. November darstellen. Die Alterspyramide der Corona-Erkrankten zeigte eine überproportionale Häufung von Fällen bei den zehn- bis 19-Jährigen wie auch bei den 30- bis 39-Jährigen, erst bei Patienten, die älter als 60 sind, waren die Zahlen deutlich niedriger. Zu diesem Bild passt auch, dass es in den Schulen 93 positive Schnelltests und 78 positive PCR-Tests gab, in den Kitas immer noch 15 positive Schnelltests und zehn positive PCR-Tests. Betroffen waren auch drei Pflege-Einrichtungen mit 14 positiven PCR-Tests bei Bewohnern und vier beim Personal. Ein immer wichtiger werdender Faktor ist die Hospitalisierung beziehungsweise der Schutz davor durch Impfung. Nach der Aufstellung sind 88 Prozent der Heilbronnerinnen und Heilbronner im Alter von 18 bis 59 Jahren und 85 Prozent im Alter darüber vollständig geimpft und somit gut vor einem Krankenhausaufenthalt geschützt. In Bezug auf eine mögliche Behandlung auf der Intensivstation liegt der Prozentsatz der Geschützten noch höher: bei rund 93 Prozent (für Menschen im Alter von 18 bis 59 Jahren). OB Mergel konnte noch darauf verweisen, dass die Impfquote bei vollständig Geimpften in Heilbronn mit 63,9 Prozent über dem Landesdurchschnitt liegt (Stand 14. November), das sind 80.768 Geimpfte. Todesfälle gab es, so der letzte Stand, bislang 159. (bfk)

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Die Situation am "Gesundbrunnen" sei derzeit so, schilderte Weber, dass man nicht mehr wisse, wo und wie man die Patienten unterbringen könne. Er beschreibt den derzeitigen Klinikalltag als eine "maximale Belastungsphase" und versteht die Befürchtung einer Mitarbeiterin, die prophezeite, dass man nach der vierten Welle nur noch einen Scherbenhaufen vorfinden werde. Dabei gehe es nicht nur um Corona-Patienten, sondern auch um den "Normalbetrieb", vom Blinddarmdurchbruch bis zum Herzinfarkt. Erschwerend hinzugekommen ist derzeit auch noch eine Erkältungswelle. Inzwischen ist auch die erwartete neue Vorgabe der Landesregierung eingetroffen, nach der mindestens 40 Prozent der Plätze der Intensivstationen für Covid-19-Fälle freigehalten werden müssen. Weber rechnet bis zum Monatsende mit bis zu 900 Corona-Patienten für den November. Dennoch steht für ihn das "Platzproblem" mit ständig neuen Umschichtungen von Räumen und Einrichtungen hinter dem Personalproblem zurück.

Die monatelange Überbelastung zeigt sich auch in Heilbronn in Kündigungen, Ausfällen wegen Krankheit oder auch Stundenreduzierung. Die Kräfte seien nach eineinhalb Jahren Corona "einfach am Ende", sagt Weber – und auch: Das Personal fühle sich alleingelassen.

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Professor Linhardt beschreibt das Stimmungsbild ähnlich desaströs. Die "normale Versorgung" habe man so weit reduzieren müssen, dass man von einem "Normalbetrieb" weit entfernt sei. Vor diesem Hintergrund hat sich Weber am Freitag erneut an die Öffentlichkeit gewandt. "Um diese enorme Herausforderung weiterhin stemmen und gleichzeitig auch alle Non-Covid-Patienten medizinisch optimal versorgen zu können, appellierte er an alle Bürgerinnen und Bürger: "Lassen Sie sich impfen. Damit schützen Sie sich selbst wirkungsvoll und helfen mit, die hohe Belastung unseres Personals, vor allem auf den Covid-Stationen, wieder zu reduzieren."

Auch OB Mergel sieht in den Impfungen "die schärfste Waffe", und Agnes Christner als die zuständige Dezernentin versichert ein weiteres Mal, man unternehme alle Anstrengungen, um alle zu erreichen und zu motivieren, sich impfen zu lassen. Zum Impfbus, dessen Effizienz und Akzeptanz die Verwaltung stets betont, kam gerade in der Kaiserstraße ein neuer Impfpunkt hinzu, "um das Angebot zu den Menschen zu bringen", wie Christner sagt.

Mergel versucht den Spagat zwischen "nicht verharmlosen" und "Panik", deshalb kommt auch Steffen Schoch zu Wort. Als Ausrichter des Weihnachtsmarktes der Stadt versichert er, dass man entsprechende Vorkehrungen getroffen habe, für den Gastro-Bereich gelte "2G" und die Kontrollen würden noch verstärkt werden.

Die Wortmeldungen aus den Fraktionen zeigten auch eine große Bestürzung über die Lage. Rainer Hinderer (SPD) schlug vor, wieder eine Maskenpflicht für die Innenstadt zu erwägen. Auf Thomas Randeckers (CDU) Frage nach Ersatzpersonal sagt Weber, man versuche alles, auch extern, mit Honorarkräften und Leasing-Personal. Finanzielle Zulagen allein, auch das wurde deutlich, werden die Lage nicht entspannen. Zu erfahren war auch, dass von den Mitarbeitern "Am Gesundbrunnen" derzeit zwischen 85 und 87 Prozent geimpft sind und die Ungeimpften täglich kontrolliert werden.

Inzwischen kommen auch Appelle aus Wirtschaftskreisen. Dass sich die Pandemie-Situation zum Jahresende auch in der Abrechnung zur Wirtschaftlichkeit der SLK-Kliniken zeigen werde, auch weil viele medizinischen Leistungen gar nicht mehr angeboten werden konnten, das spielte in der Aussprache im Gemeinderat keine Rolle. Linhart brachte es auf den Punkt: "Wir sind keine Autobauer!"

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