Kontrollen von 3G am Arbeitsplatz "schwer umsetzbar" (Update)
Infektionsschutzgesetz: "Werden von der Möglichkeit Gebrauch machen". Roche hat die Regel am Standort in Bayern schon umgesetzt.

Von Matthias Kros und Barbara Klauß
Heidelberg. Viele Unternehmen haben offenbar Probleme, die 3G-Regeln umzusetzen, die vom heutigen Mittwoch an den Corona-Schutz am Arbeitsplatz verstärken sollen. "Manche Arbeitnehmer kriegen das nicht so schnell gestemmt, und manche Arbeitgeber wissen noch nicht so genau, wie sie das organisieren sollen", sagte Peer-Michael Dick, Hauptgeschäftsführer des Dachverbands Unternehmer Baden-Württemberg (UBW), der Nachrichtenagentur dpa zufolge am Dienstag in Stuttgart. Manche Betriebe würden Schwierigkeiten bekommen.
Die Ludwigshafener BASF, mit Abstand größter Arbeitgeber der Region, wird beispielsweise zunächst auf die vorgeschriebenen Kontrollen von 3G-Nachweisen verzichten und an den Werkstoren nur Stichproben durchführen. Das bestätigte eine Unternehmenssprecherin. Die Regelung sei in so kurzer Zeit nicht umsetzbar gewesen. Dabei handele es sich aber um eine Übergangslösung, zu der man parallel in Absprache mit den Behörden und der Arbeitnehmervertretung die zweite Phase der Umsetzung vorbereite. Es werde ein digitaler Prozess für Mitarbeitende angestrebt, der den Nachweis des 3G-Status und damit den Zugang zum Werk über den Werksausweis regele. Start soll Anfang Dezember sein.
Rückendeckung erhält die BASF vom zuständigen Verband: "Binnen weniger Tage sind Kontrollen im großen Stil, etwa für Schichtarbeiter in der Produktion, nur schwer umsetzbar", sagte Kai Beckmann, Präsident des Bundesarbeitgeberverbands Chemie. "Wir wollen ja auch Staus an Werkstoren verhindern, die zu Infektionen führen könnten. Zugleich müssen Schichten in der Produktion vollständig besetzt sein." Beckmann sprach von einer "Irrsinnskomplexität". Der Chemie- und Pharmakonzern Merck, in dessen Geschäftsleitung Beckmann ist, werde für 3G-Kontrollen eine eigene App haben, um den Impf- oder Genesenenstatus beziehungsweise Tests zu erfassen.
Bei der Heidelberger Druckmaschinen AG sind die Führungskräfte angehalten zu überprüfen, welche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geimpft oder genesen sind, wie eine Unternehmenssprecherin erklärte. Denjenigen wird ihr Werksausweis freigeschaltet, sie können das Werksgelände – etwa das Stammwerk in Wiesloch – wie gewohnt betreten. Der Druckmaschinenbauer schätzt, das rund 80 Prozent der Belegschaft geimpft sind.
Auch interessant
Wer nicht nachweisen kann, dass er geimpft oder genesen ist, muss einen negativen Covid-Test vorlegen, bevor er das Werksgelände betreten darf. Dafür stellt das Unternehmen vor dem Tor Tests zur Verfügung – obwohl es dazu nicht verpflichtet wäre. Allerdings sei es bei den Schichtzeiten, die im Betrieb herrschten, manchmal womöglich schwierig für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sich testen zu lassen, fügte ein Unternehmenssprecher hinzu. "Und es bringt uns nichts, wenn die Bänder still stehen, weil 50 Leute vor der Tür stehen und nicht rein können", sagte er. So hat das Unternehmen Mitarbeiter des Werksschutzes abgestellt, die die Tests vor dem Werkstor beaufsichtigen.
Der Baustoffkonzern HeidelbergCement wird die neue Regelung vom heutigen Mittwoch an umsetzen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die nicht geimpft oder genesen sind, müssten ab sofort für jeden Tag, den sie im Büro arbeiten, ein negatives Testergebnis vorlegen, teilte ein Unternehmenssprecher mit. Wollen sich Kollegen zu Meetings treffen, gelte 2G + (geimpft/genesen, plus negatives Testergebnis), fügte er hinzu. Auch alle externen Besucher müssten 2G+ erfüllen.
Der Daimler-Gesamtbetriebsratschef Michael Brecht sagte der Deutschen Presse-Agentur, es sei klar, dass die Beschäftigten geschützt werden müssten. "Die Umsetzung ist für Daimler jedoch ein Riesenkraftakt, der erneut jede Menge Unruhe in die Betriebe bringt." Die geltenden Regelungen sollten offensichtlich den Druck auf die Impfverweigerer erhöhen. "Das sollte aber nicht auf dem Rücken der Unternehmen ausgetragen werden", fügte Brecht hinzu.
Update: Dienstag, 23. November 2021, 19.25 Uhr
Wiesbaden/Berlin. (dpa/AFP) Die Chemie-Arbeitgeber sind bei der schnellen Einführung von 3G-Kontrollen am Arbeitsplatz skeptisch. "Binnen weniger Tage sind Kontrollen im großen Stil, etwa für Schichtarbeiter in der Produktion, nur schwer umsetzbar", sagte Kai Beckmann, Präsident des Bundesarbeitgeberverbands Chemie (BAVC), am Montag. "Wir wollen ja auch Staus an Werkstoren verhindern, die zu Infektionen führen könnten. Zugleich müssen Schichten in der Produktion vollständig besetzt sein." Es seien noch manche Fragen ungeklärt. Bisher hätten Arbeitgeber nicht einmal den Impfstatus von Arbeitnehmern erfragen dürfen.
Bundestag und Bundesrat haben zur Bekämpfung der Pandemie eine 3G-Regel am Arbeitsplatz beschlossen, die ab Mittwoch bundesweit gelten soll. Wenn im Betrieb physischer Kontakt zu anderen nicht ausgeschlossen werden kann, soll der Zutritt nur Geimpften, Genesenen oder Getesteten möglich sein. Firmen sollen das täglich kontrollieren und dokumentieren.
Beckmann, der Mitglied der Geschäftsleitung beim Darmstädter Chemie- und Pharmakonzern Merck ist, sprach von einer "Irrsinnskomplexität". "3G im Betrieb hilft, muss aber rechtssicher ausgestaltet werden", sagte Beckmann.
Unterdessen hat der Vorsitzende der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL), Claus Weselsky, die 3G-Regel in Bussen und Bahnen scharf kritisiert. "Kein Mensch beantwortet die Frage, wer das umsetzen beziehungsweise auch kontrollieren soll", sagte Weselsky am Sonntagabend in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin". Das Zugbegleitpersonal werde das nicht machen, stellte Weselsky klar. "Das gehört nicht zu ihren Aufgaben." Der Gewerkschaftsvorsitzende beklagte das "erhöhte Aggressionspotenzial", das schon seit mehreren Jahren festzustellen sei. "Und angespannte Situationen" wie derzeit in der Corona-Pandemie "befördern das noch".
Und auch ein Logistik-Verband warnt vor Problemen, die durch die neuen Regelungen entstehen könnten: Aus Sicht des Deutschen Verkehrsforums könne 3G am Arbeitsplatz zu erheblichen Lieferproblemen führen. Es drohe ein "Lockdown der Lieferketten", warnte der Verein am Montag. Er vertritt Unternehmen und Verbände aus dem Personen- und Güterverkehr. "Wenn keine Ausnahmeregeln kommen, drohen diesmal keine Staus an den Grenzen, sondern an den Toren der Logistikzentren."
Problematisch werde vor allem die grenzüberschreitende Belieferung, sagte Geschäftsführer Florian Eck. "Oftmals ist das Personal mit in Deutschland nicht zugelassenen Impfstoffen immunisiert, Tests vor der Belieferung nicht möglich." Damit werde die bisherige Ausnahme von Transportpersonal von der Testpflicht faktisch außer Kraft gesetzt.
Update: Montag, 22. November 2021, 19.22 Uhr
So wollen Unternehmen mit 3G am Arbeitsplatz umgehen
Von Matthias Kros
Heidelberg. Die verbindliche Einführung der 3G-Regel am Arbeitsplatz, die der Bundestag am Donnerstag beschlossen hat, wird von den Unternehmen der Region durchweg begrüßt. Viele große Arbeitgeber hatten das Prinzip, dass nur noch geimpfte, genesene und getestete Mitarbeiter auf dem Betriebsgelände Zugang haben, ohnehin schon auf freiwilliger Basis eingeführt – darunter SAP, ABB und HeidelbergCement. Ehe sie diese Regeln verschärfen, wollen die Unternehmen aber noch abwarten, ob das Infektionsschutzgesetz es auch durch den Bundesrat schafft. "Wir spekulieren nicht", sagt etwa eine Sprecherin des Weinheimer Mischkonzerns Freudenberg. "Sobald konkrete gesetzliche Beschlüsse vorliegen, werden wir darauf reagieren und unsere Konzepte entsprechend anpassen".
> Roche: Am Roche-Standort im bayrischen Penzberg zeigt sich schon jetzt, auf was sich Beschäftigte künftig in ganz Deutschland einstellen müssen. Denn in Bayern ist die Überprüfung der 3G-Regelung durch den Arbeitgeber bereits seit vergangener Woche vorgeschrieben. "Dort werden je nach 3G-Status die Werksausweise dauerhaft oder temporär freigeschaltet", erklärt eine Sprecherin. "Die Prozesse, die dort bereits gut aufgesetzt wurden und umgesetzt werden, können wir auch in Mannheim schnell implementieren."
Grundsätzlich findet der Pharmakonzern, größter Arbeitgeber Mannheims, 3G am Arbeitsplatz gut: "Wenn der Bundesrat dem Infektionsschutzgesetz zustimmt, gibt es eine einheitliche Regelung zur Abfrage des 3G-Status für alle Unternehmen und somit eine Gleichbehandlung aller Beschäftigten in Deutschland", so die Sprecherin. "Das begrüßen wir sehr."
> MLP: Bei dem Wieslocher Finanzdienstleister gilt seit Mittwoch für alle Geschäftsräume die 3G-Regel auf Vertrauensbasis. "In geschlossenen Räumen dürfen sich nur noch Personen aufhalten, die immunisiert sind oder tagesaktuell negativ getestet sind", erklärt ein Sprecher. Man gehe davon aus, dass in den nächsten Tagen für ganz Deutschland eine Rechtsgrundlage geschaffen werde, um Nachweise auch arbeits- und datenschutzrechtlich zulässigerweise kontrollieren zu dürfen. "Sobald dies möglich ist, beabsichtigt MLP von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen."
> SAP: Der Walldorfer Softwarekonzern hatte die 3G-Regel bereits Anfang Oktober weltweit in allen Firmengebäuden eingeführt. Grundsätzlich befürworte SAP die 3G-Regel am Arbeitsplatz zum Schutz der Mitarbeitenden und Kunden und empfehle diese derzeit stark, so ein Sprecher. "Bei Vorliegen der entsprechenden gesetzlichen Grundlagen in der Zukunft, können wir uns vorstellen, diese auch verpflichtend zu machen."
> ABB: Heidelbergs größter industrieller Arbeitgeber hat ebenfalls 3G auf Vertrauensbasis eingeführt und würde gerne einen Schritt weitergehen: "Wir begrüßen, dass es sehr wahrscheinlich kurzfristig eine gesetzliche Grundlage für Kontrollen am Arbeitsplatz geben wird.", sagt eine Sprecherin. "Unsere Experten arbeiten bereits an einer Umsetzung" – vorbehaltlich der gesetzlichen Details.
> SRH: Der Heidelberger Bildungs- und Gesundheitskonzern setzt auf die Kooperation der Beschäftigten: "Eine Regelung wie 3G ist sicher sinnvoll und auch hilfreich", sagt ein Sprecher. "Der weitaus größte Teil unserer Belegschaft ist geimpft oder genesen. Wir gehen eher noch einen Schritt weiter und bieten Tests nicht nur ungeimpften Kollegen an, sondern auch geimpften und genesenen."
> Heideldruck: Der Wieslocher Druckmaschinenbauer drängt schon seit längerem auf eine Auskunftspflicht der Beschäftigten. Man werde nun zunächst abwarten, ob der Bundesrat der neuen Regelung zustimme. Anschließend werde man die gesetzlichen Vorgaben umsetzen, verspricht ein Sprecher, sagt aber auch ganz klar, dass eine 3G-Regel nur dann Sinn ergebe, wenn die entsprechenden Daten der Mitarbeiter auch erhoben und gespeichert werden.
> BASF: Dem Chemiekonzern ist wichtig, "dass die Corona-Schutzmaßnahmen praktikabel an unseren Standorten umsetzbar und für unsere Mitarbeitenden nachvollziehbar sind", so eine Sprecherin. Bisher sind wir mit unserem funktionierenden Maßnahmenpaket am Standort Ludwigshafen sehr gut gefahren. Nun bereiten wir uns darauf vor, unsere Maßnahmen entsprechend der neuen gesetzlichen Regelungen anzupassen. Dies wird derzeit ausgearbeitet.
> SNP: Der Heidelberger Softwarespezialist hat 3G bereits eigenverantwortlich eingeführt. Neben Selbsttests biete SNP einmal wöchentlich von Fachpersonal durchgeführte Antigen-Tests an, so eine Sprecherin. "Eine weitere Sicherheitsmaßnahme ist das Einchecken über einen QR-Code, falls eine Kontaktverfolgung erforderlich werden sollte."



