Rat stimmt trotz Zweifeln fürs Carsharing
Lieber hätte man ein Elektrofahrzeug, außerdem sind Fragen offen, aber ein erster Schritt hin zur Mobilitätsalternative schien wichtig.

Symbolfoto: dpa
Mühlhausen. (seb) Das Auto ist ein Diesel: Das war einer der größten Kritikpunkte in Mühlhausens jüngster Gemeinderatssitzung, als es um das sogenannte "Carsharing" ging. Damit ist das "Autoteilen" gemeint, wenn eines oder mehrere Fahrzeuge zur Verfügung gestellt werden, die dann gemeinschaftlich genutzt, also von den Bürgerinnen und Bürger für eine bestimmte Zeitspanne angemietet werden können.
Diese Idee dient der Senkung des Verkehrsaufkommens und damit auch dessen negativen Folgen, ist also ein möglicher Baustein für den Umwelt- und Klimaschutz. Auch wenn eine Mehrheit schließlich fürs Carsharing stimmte: Viele Stimmen hätten ein Elektro-Fahrzeug bevorzugt, ein Diesel schien dem ökologischen Grundgedanken zu widersprechen.
Der Knackpunkt jedoch ist die Größe des Autos: Mühlhausen wurde ein Neunsitzer-Kleinbus als Carsharing-Auto angeboten. "Ich wäre auch lieber vollelektrisch", erklärte Karl-Heinz Kaiser, Geschäftsführer des Carsharing-Anbieters "Mikar", der seinen Angaben nach aktuell gut 100 Standorte im Bundesgebiet hat. Mikar war ihm zufolge an Bürgermeister Jens Spanberger herangetreten, nachdem der Erkundigungen eingeholt hatte zu alternativen Mobilitätsangeboten im ländlichen Raum.
Kaiser erläuterte, dass es gegenwärtig keine Elektro-Variante eines solchen Neunsitzers gebe, die bezüglich Reichweite, Gewichtsbeschränkungen und nicht zuletzt Kosten in Frage käme. Zudem sei das Netz von Ladestationen "noch nicht so weit". Sobald es machbar erscheine, "bin ich der erste, der das Auto tauscht".
Holger Meid (CDU) hatte, nachdem er das Carsharing grundsätzlich begrüßt hatte, die Frage nach batterieelektrischen Alternativen aufgeworfen. Dominique Odar (SPD) wiederum störte sich an Kaisers Versprechen, die Gemeinde Mühlhausen müsse sich um nichts kümmern und ihr entstünden keine Kosten. Kaiser hatte erläutert, dass man das unternehmerische Risiko selbstverständlich trage und auf die Unterstützung von Sponsoren aus der Wirtschaft vor Ort setze.
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In einer vorläufigen Vereinbarung aber, so Odar, heiße es, das Bürgerbüro der Gemeinde überprüfe die Fahrerlaubnis der Interessenten und unterstütze Mikar bei der Öffentlichkeitsarbeit: Dieser Aufwand sei nicht umsonst. Und was sei, wenn ein Elektro-Auto angeschafft werde: Müsse Mühlhausen dann die zusätzliche Ladeinfrastruktur schaffen? Kaiser beharrte darauf, dass Mühlhausen keine Kosten entstünden – Bürgermeister Jens Spanberger meinte: wenn, seien sie überschaubar. Kaiser ergänzte, dass Mikar selbstverständlich die nötigen Elektro-Ladesäulen errichten werde, falls sie bis dahin nicht schon vorhanden seien, und die Stromkosten trage.
Reimund Metzger (Freie Wähler) blickte kritisch auf die offene Standortfrage: Wo solle der Neunsitzer-Bus künftig stehen, wenn dieser nicht genutzt werde? Die Gemeinde müsse dann einen Parkplatz, der größer als einer für einen PKW sei, wahrscheinlich in zentraler Lage zur Verfügung stellen – und "in der Hauptstraße ist Platz Mangelware". Kaiser erwiderte, dass man aus Sicherheitsgründen lieber keine Hauptverkehrsachsen als Standort wähle. Besser seien Schul- oder Sportgelände, zweite Wahl wäre eine Tankstelle.
"Wir Grünen sind begeistert", meinte Gerhard Welker. Hier in Mühlhausen sei man bisher abgeschnitten von den Carsharing-Anbietern andernorts gewesen. Es werde Zeit, Autos zu teilen und damit ihre Zahl zu senken. Das sei wichtig, gerade auch zugunsten von mehr Sicherheit und Lebensqualität im Ort. Momentan sei zu befürchten, dass Rettungskräfte wie die Feuerwehr durch die zugeparkten Straßen nicht mehr hindurch kämen.
Nachdem es auch Kritik an Mikars "App" gab, der Anwendung fürs Handy, um das Carsharing zu nutzen, und weiterer Diskussionsbedarf angemeldet wurde, stellte Bruno Sauer (Freie Wähler) den Antrag auf Vertagung. Der wurde jedoch bei nur sieben Ja-Stimmen abgelehnt.
Karl-Heinz Kaiser plädierte dafür, jetzt mit dem Carsharing in Mühlhausen zu starten und Erfahrungen zu sammeln. "Wir müssen erst mal Geld verdienen", meinte er offen. Und der Neunsitzer-Diesel sei das, was Mikar derzeit anbieten könne, der Wagen könne immer noch Fahrten mit mehreren Privatautos ersetzen und damit einen Beitrag zu Mobilitäts- und Energiewende leisten.
Spanberger meinte, ein Elektrofahrzeug sei nicht ausgeschlossen, wenn der Bedarf stimme – dann könne man auch an eine Erweiterung des Fahrzeugbestands denken. Und die Standortfrage könne man später immer noch klären. Bei ein Mal Nein und drei Enthaltungen war die Ratsmehrheit für die Kooperation mit Mikar.