Neckar-Odenwald-Kreis

In der Gastronomie fehlt es an Köchen und Servicekräften

Personalsorgen bei Gastronomen: Viele Aushilfen haben sich während der Krise umorientiert.  Es wird wohl noch jahrelange Belastungen geben.

02.07.2021 UPDATE: 03.07.2021 06:00 Uhr 3 Minuten, 17 Sekunden
Nach siebenmonatiger Schließung hat die Gastronomie seit einigen Wochen wieder geöffnet. Nun fehlt es aber an Personal; zahlreiche Aushilfen haben sich umorientiert. Foto: Schattauer

Von Noemi Girgla

Neckar-Odenwald-Kreis. Kaum darf die Gastronomie wieder öffnen, stehen die Wirte vor einem neuen Problem: Das Personal ist knapp. "Auch in der Gastronomie hat die Kurzarbeit zwar viele sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze gerettet, doch das Auf und Ab während der Pandemie führte zu Verunsicherungen. Manche haben sich – beispielsweise im Handel oder in Krankenhäusern – etwas Neues gesucht. Die Personalengpässe und Nachwuchssorgen, die es schon vor der Pandemie gab, dürften sich verstärken", teilte die Agentur für Arbeit Schwäbisch Hall-Tauberbischofsheim der RNZ mit. Und weiter: Mit den Lockerungen der letzten Tage und Wochen steigt der Bedarf an Arbeitskräften. Zahlreiche Stellen wurden und werden uns derzeit gemeldet."

Nach einer internen Umfrage des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) Baden-Württemberg berichteten 40 Prozent der Betriebe von einer teils massiven Abwanderung von Mitarbeitern. Besonders hart hat es im Kreis die Pizzeria "Bella Marmaris" in Hüffenhardt getroffen. Schon vor drei Wochen hatte Betreiber Ayhan Kösker in verschiedenen Zeitungen und im Internet Stellenanzeigen geschaltet. Derzeit sucht er zwei Servicekräfte, einen Pizzabäcker und einen Koch. "Bislang hat sich kein einziger Interessent gemeldet", berichtet er.

Vier seiner Angestellten hat Kösker während der Krise verloren. "Zwei sind zu einem Paketzustelldienst gegangen, eine putzt im Krankenhaus, eine andere arbeitet jetzt beim Bäcker." Er versteht seine früheren Mitarbeiter. "Auch ihnen hat das Geld gefehlt, und sie mussten sich umorientieren. Ich verstehe auch, dass sie nicht zurückkommen. Die Unsicherheit ist groß. Wer garantiert ihnen und uns denn, dass sie nicht im Oktober wieder ohne Job dastehen", resümiert er.

Eine Einschätzung, die auch die Agentur für Arbeit teilt: "Früher galt die Gastronomie als krisensicher, doch die Pandemie hat gezeigt, wie schnell die Situation kippen kann. In der Berufsberatung merken wir, dass der Aspekt ,Sicherheit’ bei der Berufswahl inzwischen eine größere Rolle spielt."

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Im Mosbach stellt sich die Situation nicht ganz so dramatisch dar. Thomas Kohlhepp, Betreiber des Landgasthofs "Farmer’s", berichtet: "Unsere Festangestellten sind geblieben. Wir konnten aber nur eine Aushilfe halten, da wir ihn als Liefer- und Abholfahrer eingesetzt haben. Jetzt ist er wieder im Service. Alle anderen haben sich umorientiert. Es fehlen die Aushilfen auf 450-Euro-Basis. Nur wenige melden sich für die Jobs, und die, die sich melden, sind nicht unbedingt geeignet. Entweder verfügen sie nur über geringe Deutschkenntnisse oder haben keinerlei Erfahrungen in der Gastronomie."

Im Service könne man die Leute wenigstens einarbeiten, und nach ein paar Wochen laufe es dann – immer in der Hoffnung, dass das neu angelernte Personal danach auch im Betrieb bleibe. "In der Küche ist es schon schwieriger, jemanden zu finden. Da bedarf es Vorkenntnissen und Fingerfertigkeit. Momentan kommen wir durch, aber wenn es wieder mehr wird, müssen wir Personal aufstocken."

Dass es in den Küchen fehlt, hat auch Klaus Reger gemerkt. Er ist einer von drei Inhabern des "Ludwig" in Mosbach. "Wir haben Glück gehabt. Dadurch, dass wir durchgehend Essen anbieten konnten, war die Küche besetzt, und wir konnten unser Personal halten. Im Küchenhilfesektor ist es schon schwieriger. Da könnten wir gut noch jemanden gebrauchen, aber viele haben sich umorientiert", muss auch er feststellen.

Der Job mache zwar Spaß, sei aber eben auch hart, bringt es Reger auf den Punkt. Wenn man gemerkt habe, dass man auch anders gutes Geld verdienen kann, sei das natürlich attraktiv. "Der Beruf ist einfach mit viel Idealismus verbunden." Auch der Konkurrenzkampf sei härter geworden, bemerkt Reger. "Man hat kürzlich versucht, mir meine Köche, die ich über die Krise halten konnte, abzuwerben", ärgert sich der Gastronom. "Aber uns geht es hier noch ganz gut. Von Kollegen aus dem Heilbronner Raum habe ich schon ganz anders gehört. Die haben größere Personalsorgen."

Während die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge im Gastgewerbe laut Dehoga im Jahr 2020 in Baden-Württemberg um 20,8 Prozent gesunken ist, hat das Mosbacher Brauhaus eine neue Ausbildungsstelle besetzt. "Bei uns sind alle bis auf eine geblieben", erzählt Betreiber Hans-Georg Thielecke. "Das gelang aber nur, weil wir alle Zuschläge gegeben haben, die man geben konnte, und permanent mit unserem Personal in Kontakt waren." Bei den Gästen komme es positiv an, dass noch die vertrauten Gesichter im Dienst sind.

Das konnten aber nicht alle leisten. "Viele Betriebe standen mit dem Rücken zur Wand und konnten das Kurzarbeitergeld nicht aufstocken. Das Gastgewerbe war wehrlos. So entstand bei dem Personal neben den wirtschaftlichen Einbußen auch die Unsicherheit, ob der eigene Betrieb die Krise überleben würde. Somit haben einige – völlig nachvollziehbar – den Weg woandershin gesucht", berichtet ein Dehoga-Sprecher.

Beim Dehoga geht man davon aus, dass die Folgen der Krise das Gastgewerbe noch über Jahre hinweg belasten werden – nicht nur finanziell. "In der Ausbildung gab es einen krassen Einbruch. Und wen wir jetzt nicht ausbilden, der wird in den nächsten Jahren als Fachkraft fehlen. Dabei sind die Karrieremöglichkeiten jetzt noch gestiegen. Der Bedarf an Personal ist größer. In Zukunft werden verstärkt Überlegungen eine Rolle spielen, wie man die Betriebe mit weniger Personal am Laufen halten kann", heißt es von der Pressestelle.

In der Stadt sei es einfacher, Personal zu finden als auf dem Land, darin sind sich Kösker und Thielecke einig. Kösker hat inzwischen drei Leute ohne jegliche Vorkenntnisse eingestellt, sucht aber immer noch dringend Personal. "Denn sonst gehen wir kaputt. Es ist eine Katastrophe."

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