Der Kermesbeere im Hardtwald soll der Garaus gemacht werden
Die Aktionsgemeinschaft Hardtwald hat damit begonnen, der invasiven Kermesbeere den Garaus zu machen. Mit dem Spaten geht's gegen den Eindringling.

Von Rolf Kienle
Hockenheim/Rhein-Neckar. Sie packen das Übel an der Wurzel: Rein mit dem kleinen Spaten ins Erdreich, die Wurzeln der Kermesbeere samt dem jungen Austrieb heraushebeln und ab damit auf den großen Berg aus Ästen und Baumstämmen. Dort soll die Pflanze verrotten. Rund 30 Naturfreunde haben sich am Samstagmorgen im Hardtwald aufgemacht, die invasiven Pflanzen zu eliminieren.
Denn der Eindringling aus Nordamerika verdrängt die komplette übrige niedere Vegetation des Hardtwaldes. Und wenn nichts passiert, dann ist der Waldboden bald komplett in der Hand der Kermesbeere. Und die wird zu drei Metern hoch. Es ist eine Aufgabe für mehrere Jahre. Dessen sind sich die Akteure durchaus bewusst. Aber: "Ich kann da nicht zugucken", sagt Peter Schimass, dem es kalt den Rücken runter läuft, wenn er daran denkt, wie der Wald in zehn, zwanzig Jahren aussehen könnte – wenn niemand etwas tut. Genau dies haben sich Teilnehmer der Aktionsgemeinschaft Hardtwald jetzt vorgenommen. "Wir sind eine Graswurzelbewegung", scherzt Norbert Wilkens.
Nahe der Hockenheimer Autobahnraststätte haben sie in einem Aufforstungsareal den Spaten angesetzt. Es ist ein anschauliches Beispiel für das Problem: Zwischen den jungen Kastanien und Eichen machen sich zahllose Kermesbeeren breit, und bis zum Spätsommer werden sie womöglich die Vorherrschaft übernommen haben, und zwar sowohl zahlenmäßig als auch in ihrer Größe. Sie werden die Jungpflanzen überwuchert haben. Außerdem werden ihre Wurzeln dafür sorgen, dass kein Leben in ihrer Nähe möglich ist. Die Wurzeln werden bis zu fünf Meter lang.

Das anderthalb Hektar große Stück hat ihnen ForstBW vorgeschlagen. Dort steht man der Aktion sehr wohlwollend gegenüber, selbst wenn eventueller Optimismus gedämpft wird: "Die Bekämpfung der Kermesbeere macht nur auf ausgewählten Flächen Sinn. Die Kermesbeere kann nicht auf ganzer Fläche beseitigt werden. Der Boden ist mit den Samen, die Jahrzehnte lang keimfähig bleiben, durchsetzt", sagt Christoph Weihrauch von ForstBW.
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Die Samen warten nur auf günstige Rahmenbedingungen. Ein paar Zahlen machen die Dimensionen deutlich: Aus den Wurzeln können jeweils mehr als zehn Sprosse austreiben. "Wegen ihrer geringen Ansprüche an Licht- und Nährstoffversorgung kann sie über die Jahre dschungelartig wirkende Reinbestände ausbilden," notierte die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt.
Das größte Problem sind ihre Blütenstände mit 80 weißen Blüten, die sich derzeit mächtig ins Zeug legen: Die Forstleute schätzen ihre Zahl pro Spross auf 32.000 Samen, was bei einem Hektar Wald hochgerechnet 64 Millionen Samen ausmacht. Der Hardtwald bringt es insgesamt auf etwas mehr als 3000 Hektar.
Das hält die Initiatoren der Aktionsgemeinschaft nicht davon ab, der Kermesbeere den Garaus zu machen. Als Klaus Frohn vor einigen Monaten per Aushang an Waldbäumen Mitstreiter suchte, fanden sich auf Anhieb fast 200 Interessierte, die das Problem Kermesbeere an Angriff nehmen wollen. Sie haben erkannt, wie eine Mitstreiterin aus Mauer sagte, dass die Forstverwaltung das Dilemma nicht allein lösen könne.
"Da müssen wir mithelfen." Dass das alles eine "Katastrophe" ist, sei ihnen schon lange klar. Frohn, Schimass und Wilkens gaben der Aktionsgemeinschaft Struktur und organisierten das erste große "Stechen", das an den nächsten Samstagen fortgesetzt werden soll.
Sie geben den Teilnehmern zudem eine kurze Einweisung, auf was es beim Ausgraben ankommt. "Die Wurzel muss an der richtigen Stelle gekappt werden." Frohn appelliert noch an die Gemeinden rund um den Hardtwald, sich zu beteiligen: Zur Entsorgung der ausgegrabenen Pflanzen braucht man Container, die möglichst an den Waldwegen stehen. Denn ausreißen und dem Wald überlassen, das nütze nichts.
Ein fünf Hektar großes Waldstück hat ihnen der Forst zunächst zugewiesen, das die Akteure in den nächsten Wochen bearbeiten wollen. Dazu sind robuste Schuhe und ein Spaten nötig. "Am besten ein kurzer Spaten. Der kostet 13 Euro", erklärt Norbert Wilkens, der die Kanten seines Spatens noch angeschliffen hat, damit er leichter stechen kann. Er hat sich außerdem eine besondere Technik beim Stechen angewöhnt: Er bückt sich nicht runter, sondern geht in die Hocke, was besser sei für den Rücken. Peter Schimass war am Samstag klar, dass er drei Tage Muskelkater haben wird. Die Sache ist es ihm wert.



