Peter Deike sammelt ehrenamtlich den Müll anderer
Der Wieslocher hebt den Müll auf, der ansonsten liegen bliebe. Es geht nur, wenn alle mitanpacken.

Von Sophia Stoye
Wiesloch. 15 Kilometer ist Peter Deikes Strecke lang, die er insgesamt zurücklegt, wenn er die Umwelt im und rund um den Wieslocher Dämmelwald sauber hält. Der 79-, bald 80-Jährige sammelt schon seit fünf Jahren ehrenamtlich das auf, was andere aus Unachtsamkeit oder Gleichgültigkeit auf den Boden statt in den Mülleimer werfen.
"Unsere Umwelt wird inzwischen zugemüllt, das Problem gibt es überall", sagt Deike, dessen Engagement durch eine zufällige Begegnung geweckt wurde: "Ich war Mitglied im Odenwaldklub und habe den Rheinauenweg in Mannheim markiert", erzählt der 79-Jährige. "Dort habe ich mitten im Wald einen Mann gesehen, der Müll eingesammelt hat." Als Deike ihn fragte, was er da mache, habe der Mann berichtet, dass er mittlerweile schon 6000 Säcke voll mit Müll zusammengesammelt habe. "Das hat mich so beeindruckt, dass ich mir gesagt habe, wenn ich schon im Dämmelwald spazieren gehe, kann ich dort auch gleich den Müll einsammeln", erklärt der 79-Jährige. In der Nähe des Waldes lebe er ohnehin.
Mit der Zeit hat sich sein Gebiet immer mehr erweitert: War er anfangs nur im Dämmelwald unterwegs, sammelt er inzwischen auch den Müll im Gerbersruhpark, entlang der Parkstraße, auf dem Schulgelände und bei der Dreifaltigkeitskirche ein. Deike zufolge finden sich meistens Plastikverpackungen von Lebensmitteln, leere Zigarettenschachteln, Taschentücher, benutzte Hygieneartikel – oder auch einige Mund-Nasen-Masken in Gebüschen oder an Straßenrändern.
Vieles davon ist aus Plastik, das sich nur sehr langsam zersetzt und zu einer Gefahr für Tiere werden kann. Laut der Umweltschutzorganisation BUND sind beispielsweise in Alltagsprodukten aus Plastik zahlreiche Schadstoffe versteckt, die dann in das Ökosystem gelangen – und auch für die Menschen gesundheitsschädlich sind.
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Kamen die Masken beim Sammeln dazu, ist im Gegenzug seit Beginn der Pandemie auf dem Wieslocher Schulgelände und an der Eishalle die Vermüllung weniger geworden. Allerdings merkt der 79-Jährige auch die Folgen der "Corona-Partys". Regelmäßig sammelt er nach den Freitag- und Samstagabenden an beliebten Treffpunkten die Überbleibsel der Gruppentreffen zusammen: "Alles, was sie dabei haben, bleibt stehen – auch wenn es einen Mülleimer in der Nähe gibt", schildert er. Teilweise würden sogar die Glasflaschen noch zertrümmert werden, sodass er tags darauf die einzelnen Scherben aufsammeln muss.
Unterwegs ist Peter Deike am liebsten sonntagmorgens, "weil dann alles frei ist und ich meine Ruhe habe", erzählt er. Die 15 Kilometer lange Strecke läuft er allerdings nicht am Stück ab. In drei Etappen ist er pro Woche unterwegs, meist rund zwei Stunden. Das Kurioseste, was er dabei bisher gefunden hat, waren alte Reifen, Feuerlöscher, Möbel, auch mal eine Matratze oder Elektrogeräte – "manchmal sind auch ganze Abfallsäcke dabei", berichtet er. Vor allem die Parkstraße werde gerne zur illegalen Müllentsorgung genutzt.
Auf seinen Runden macht Peter Deike "jeden kleinen Fetzen Müll weg, damit es keinen Anreiz für andere gibt, noch etwas dazu zu schmeißen". Selbst die kleinen Werbe-Visitenkarten sammelt der 79-Jährige peu à peu ein, auch wenn Dutzende davon von den Frontscheiben der parkenden Autos entlang der Parkstraße gefallen sind.
Seinen Müll – in zwei Stunden bekommt er bis zu drei zusammengestampfte Körbe zusammen – lädt Deike an drei dafür vorgesehene Stellen ab. Große, sperrige Sachen, die zu schwer sind, lässt der 79-Jährige von den Mitarbeitern des Bauhofs abholen, erzählt er. Ausgerüstet ist Deike mit einer Greifzange, Handschuhen und einem Müllkorb – ein Sack wäre zu unhandlich. Alles hat er von der Stadt Wiesloch und dem Bauhof zur Verfügung gestellt bekommen, die sein Engagement gerne unterstützen.
Warum manche Menschen so handeln, erklärt sich Deike mit der Erziehung. "Manche denken inzwischen, dass sie machen können, was sie wollen", meint der 79-Jährige, "meiner Ansicht nach fehlt hier die harte Hand." In Singapur gebe es beispielsweise – nachdem die Vermüllung dort enorm zugenommen hatte – strenge Strafen für Personen, die ihren Müll einfach liegen lassen. "Nur so bekommen wir es in den Griff", sagt Deike.
Denn momentan komme es oft vor, dass der Ehrenamtliche eine Stelle sauber macht und am nächsten Tag wieder alles zugemüllt ist. "Das ist die Krux an dem Ganzen", berichtet er. Dennoch ist Deike sonntags auch schon um 8 Uhr morgens auf den Beinen, um seiner Route nachzugehen. Seine Motivation dabei: "Ordnung und Sauberkeit müssen sein." Wiesloch als Stadt werde immer größer, "wir haben hier noch ein paar schöne Flecken und die sollten auch so erhalten bleiben", meint der 79-Jährige. Deshalb sei es umso wichtiger, dass alle mit anpacken, denn "als einzelner kann man das Problem nur sporadisch und in gewissen Ecken in den Griff kriegen".
Ob er die derzeitige Arbeit noch auf Dauer machen kann, wisse er nicht. Eine Nachfolge ist dem 79-Jährigen zufolge bisher nicht in Sicht. "Aber mir ist aufgefallen, dass es weitere fleißige Heinzelmännchen gibt", der Dämmelwald sei in den letzten Wochen auffällig sauber gewesen.



