Leimen knipst das Licht (noch) nicht aus
Die Stadt hat die Beteiligung an der "Earth Hour" auf 2022 verschoben. Der Gemeinderat hatte ungutes Gefühl bei einer dunklen "Nacht".

Von Thomas Frenzel
Leimen. Licht an? Oder: Licht aus? Das war die existenzielle Frage, die den Gemeinderat beschäftigte, am Donnerstagabend, in der hellen Kurpfalzhalle, in die mit der öffentlichen Ratszusammenkunft ausgewichen wurde, weil die von Corona erzwungene Rats-Ausweiche Aegidiushalle vom mobilen Impfteam belegt war. Und diese entscheidende Grundsatzfrage bewirkte, wovon sich üblicherweise nur träumen lässt: eine herzerfrischende Debatte, die gleichermaßen argumenten- wie fintenreich daherkam. Es ging um eine "Stunde" und um eine "Nacht", es ging um Leimens Beteiligung am weltweit beliebten Lichtausschalten während der "Earth Hour" jetzt am 27. März und während der "Earth Night" am 7. September. Es ging ums Zeichen-Setzen für Natur- und Umweltschutz, womit gemäß dem Ratsvotum aber noch etwas gewartet wird.
Den zeitlichen Unterschied zwischen beiden Aktionen erklärt die unverzichtbar englische Begrifflichkeit: Bei der "Welt-Stunde" wird am Samstag um 20.30 Uhr für 60 Minuten die Beleuchtung ausgeschaltet, bei der "Welt-Nacht" am 7. September wird das Licht um 22 Uhr erst gar nicht eingeschaltet und die danach herrschende Neumondnacht erst vom Morgengrauen vertrieben.
Nichts gegen ein dunkles Stündlein, so hielt Oberbürgermeister Hans D. Reinwald mit seiner Meinung "nicht hinterm Berg", aber die ganze Stadt eine ganze Nacht lang durch Komplettabschaltung der Straßenbeleuchtung im Dunkeln versinken zu lassen, das sei nicht zu rechtfertigen. Schon aus Rücksicht auf das Sicherheitsempfinden der Bürgerschaft. Widerhall kam von Richard Bader (CDU): Eine einstündige Abschaltung der Straßenbeleuchtung, wie sie der Energieversorger Syna auch jetzt im Stadtteil Gauangelloch zur "Hour" praktiziert, sei als Aktion mitzutragen – nicht aber ein "Night"-langes Aus. Für Bader gab es da kein Wenn und Aber: "Die Sicherheit der Bevölkerung geht vor."
Das war selbstredend gar nicht nach dem Geschmack der GALL. Sie hatte den "Hour-Night"-Antrag eingebracht. Und das aus gutem Grund, wie Michael Reinig vortrug: Lichtverschmutzung ist ein Grund für das weltweite Bienen- und Insektensterben. Abgesehen von der Einführung von insektenfreundlicherer Straßenbeleuchtung – Reinig: insektenfreundliche Beleuchtung gibt es nicht – müsse auch ein Zeichen gesetzt werden, dass sich Leimen der Verantwortung stellt. Ralf Frühwirt sah in beiden Aktionen die Möglichkeit einer neuen Bewusstseinsbildung. Sicherheitsprobleme herbeizureden, sei an den Haaren herangezogen: "Da fällt mir nichts mehr ein."
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Weniger emotional ließ es Dietrich Unverfehrt (SPD) angehen. Vom Grundsatz her seien beide Aktionen eine gute Sache, sie sollten aber nicht überbewertet werden: "Das hilft mehr dem eigenen Gewissen und weniger der Umwelt." Im Übrigen sei die Straßenbeleuchtung kein Selbstzweck, sondern wichtig beispielsweise für den nächtlichen Nachhauseweg. Hier das Licht eine Nacht lang abzuschalten fand auch Rudolf Woesch (FW) "ein bissel schwierig", der aber nichts gegen die "Hour" hatte, selbst wenn diese für etwas Bürgerirritation sorgen könnte.
Was die anderen Redner immer wieder angedeutet hatten, packte Klaus Feuchter (FDP) schlussendlich in einen Antrag: Während der September-"Night" sollten alle öffentlichen Gebäude, Kirchen und Marktbäume inklusive, unbeleuchtet bleiben – "alles, was nicht sicherheitsrelevant ist". Was die "Hour" anbelangt, so sollte man das durchaus einmal stadtweit probieren, auch wenn nicht alle Stadtteile so ruhig seien wie das schon länger an der Stunden-Aktion teilnehmende Gauangelloch.
Ach ja, von Verwaltungsseite war auch noch von offenen technischen Fragen zu hören. Unklar ist unter anderem, ob sich die Beleuchtung der öffentlichen Gebäude einzeln ausschalten lässt oder ob neue Schalter und Schaltuhren eingebaut werden müssen. Offen ist ebenfalls, ob die abzuschaltenden Straßenlaternen mit jenem roten Ring markiert werden müssen, mit dem laut Straßenverkehrsordnung Laternen mit Nachtabschaltung markiert werden müssen.
Das zu klären, wäre bis zum aktuellen 27. März 2021 dann doch etwas zu kurzfristig gewesen: Der einstimmige Ratsbeschluss fasste für die Große Kreisstadt eine "Hour"-Beteiligung erst fürs Jahr 2022 ins Auge. Das mit der Unbeleuchtung öffentlicher Gebäude am 7. September könnte indessen schon 2021 klappen: Anders als der GALL-Antrag für eine stadtweite Dunkelheit erhielt der erwähnte Feuchter-Antrag für öffentliche Bauten eine quer durch die Fraktionen verlaufende Mehrheit von 15 Stimmen.



