Alltag in Pandemie-Zeiten

Die Heidelberger Jugend im Corona-Lockdown

Zukunftsängste, durchkreuzte Pläne, keine Motivation mehr fürs Homeschooling: Fünf Jugendliche berichten über ihren Alltag in Pandemie-Zeiten.

23.03.2021 UPDATE: 24.03.2021 06:00 Uhr 3 Minuten, 22 Sekunden
Die Heidelberger Hauptstraße. Foto: Rothe

Von Anica Edinger und Philipp Neumayr

Heidelberg. Sie sind viel allein, haben Zukunftsängste und fühlen sich oft nicht ernst genommen: Junge Menschen müssen in Zeiten der Pandemie jung sein, ohne jung zu sein. Wie geht es ihnen? Was fehlt ihnen? Was wünschen sie sich? Und was sind ihre Pläne für die Zukunft? Die RNZ hat nachgefragt bei fünf Heidelberger Jugendlichen und jungen Erwachsenen.

Jonathan Göbes. Foto: privat

> Jonathan Göbes, 16 Jahre: "Am Anfang der Pandemie war die Situation noch neu und deswegen auch ganz spannend. Doch je länger alles dauert, vor allem das Homeschooling, umso anstrengender wird es. Sich jeden Morgen vor den Bildschirm zu setzen, immer zu Hause zu bleiben: Das ist nicht mehr so cool. Die Motivation lässt auch nach. Man merkt richtig, wie schön es eigentlich ist, in die Schule zu gehen, normalen Unterricht mit Lehrern zu haben und seine Freunde jeden Tag zu sehen. Das fehlt alles sehr. Ich habe auch Bedenken, dass es beispielsweise Firmen auf dem Schirm haben werden, dass unsere Generation quasi ein Jahr Unterrichtsverlust hatte und wir so Nachteile haben werden. Ansonsten halte ich mich an die Regeln, auch, um meine Familie zu schützen und denjenigen Respekt zu zollen, die besonders gefährdet sind."

​Samuel Janssen. Foto: privat

> Samuel Janssen, 16 Jahre: "Mir geht es schon schlecht. Der Online-Unterricht klappt für mich überhaupt nicht gut. Ich bin nicht diszipliniert genug, die Aufgaben in Eigenregie zu machen. Wir haben das ja auch nie gelernt, uns selbst zu organisieren. Es fällt mir schwer, mich aufzuraffen, dass man den ganzen Tag zu Hause ist, macht das noch schlimmer. In unserer Klasse hat eine Lehrerin einmal eine anonyme Umfrage gemacht, wie es uns geht. Wir sollten das auf einer Skala von 1 für sehr schlecht bis 5 für sehr gut angeben – der Durchschnitt lag bei 1,3. Das ist schon krass. Ich verstehe, dass wir aufgrund der Pandemie-Lage zu Hause unterricht werden müssen, aber das kann doch keine Dauerlösung sein. Es gibt aber auch kleinere Vorteile durch Corona. Ich zum Beispiel spiele normalerweise Fußball in Walldorf, das ist sehr leistungsorientiert, ich habe vier Mal die Woche Training. Dadurch bin ich sehr beschäftigt und muss pendeln. Da das nun schon seit über einem Jahr ausfällt, habe ich mehr Zeit für mich und auch für Freunde."

Fee Wittekind. ​Foto: privat

> Fee Wittekind, 18 Jahre: "Ich habe im letzten Frühjahr meine Fachhochschulreife gemacht, ganz zu Beginn der Pandemie. Wir saßen zu Hause und mussten uns alles selbst beibringen, weil es noch nicht die heutige Struktur des Online-Unterrichts gab. Als Absolvent wurdest du komplett alleine gelassen, man hat nicht die Unterstützung bekommen, die man sich erhofft hat. Das war eine sehr schwierige Zeit. Und gleichzeitig hattest du Pläne, wolltest mit deinen Freunden verreisen – das wurde in Nullkommanichts weggeschmissen. Ich finde, die Politik hat uns Jugendliche ein bisschen vergessen. Man darf jetzt nach Mallorca fliegen und dort Urlaub machen und hier in Deutschland ist es nicht erlaubt, sich auch mal mit zwei weiteren Freunden zu treffen – da frage ich mich: Was ist da falsch? Man kann das irgendwann nicht mehr nachvollziehen. Ich glaube, das geht vielen Jugendlichen so. Aktuell fehlt mir vor allem die Normalität, das heißt, nicht mehr darüber nachdenken zu müssen: Darf ich das jetzt machen oder nicht? Ich komme gut damit klar, dass ich abends mal nicht weggehen kann, aber diese Ungewissheit macht es schwierig. Natürlich vermisse ich meine Freunde, natürlich vermisse ich dieses 19. Lebensjahr, das ich nicht so leben konnte, wie ich es mir erträumt hatte. Ich wünsche mir mehr Beachtung der Belange von Jugendlichen, dass manche Maßnahmen zumindest besser erklärt werden, und dass die Politik die Priorität nicht nur auf die Wirtschaft legt, sondern auch auf das Soziale, das menschliche Miteinander."

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Leni Bastian. ​Foto: privat

> Leni Bastian, 15 Jahre: "Mir geht es sehr gut. Durch Corona bin ich aber generell unmotivierter. Ich stehe später auf, ich mache mich später fertig – ich mache alles ein paar Stunden nach hinten versetzt. Leider kann man sich nicht mehr so einfach mit Freunden treffen. Man fühlt sich manchmal alleine. Ich verbringe viel Zeit vor dem Bildschirm. Ich schaue Netflix und vor ein paar Tagen habe ich mir eine Playstation 4 gekauft, über die ich jetzt gemeinsam mit meinen Freunden spiele. Normalerweise tanze ich Hip-Hop, aber das findet jetzt nur noch per Skype statt. Ich hätte nie gedacht, das mal zu sagen, aber ich freue mich wirklich sehr auf die Rückkehr in die Schule und einen normalen Unterricht. Einfach die Leute mal wieder zu sehen, das wäre schön. Ich hoffe sehr, dass das bald wieder möglich ist."

Daniel Grossarth. ​Foto: privat

> Daniel Grossarth, 17 Jahre: "Ich mache gerade mein Abitur und bin wechselweise in der Schule und im Homeschooling. Immer, wenn man in der Schule ist, merkt man, dass es einem besser geht. Am liebsten wäre ich gerne wieder dauerhaft im Präsenzunterricht. Gerade für uns Abiturienten wäre das sehr wichtig. Im Zuge der Pandemie wurde das Abi ja einen Monat nach hinten verschoben. Dadurch bin ich etwas entspannter und ganz zuversichtlich, dass das auch klappt. Nach dem Abschluss wollte ich eigentlich gerne mit dem Fahrrad nach Norwegen fahren. Dafür brauche ich jedoch offene Grenzen, am besten keine Quarantänepflicht, offene Jugendherbergen, Hotels, Restaurants und eine weitgehend normale Infrastruktur. Sollte es dieses Jahr nicht mehr möglich sein, werde ich es wohl im Frühjahr nächsten Jahres nachholen – aber dann ginge natürlich ein bisschen die Romantik des Ganzen verloren." 

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