Stadthaus Mannheim

Die Zeichen stehen auf Abriss

Eine Sanierung sei "nicht wirtschaftlich": Die Verwaltung und das private Unternehmen sehen keine Zukunft für das Stadthaus in seiner jetzigen Form.

09.02.2021 UPDATE: 10.02.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 43 Sekunden
Erst 30 Jahre alt und schon ein Auslaufmodell: das Stadthaus N 1 gegenüber dem Paradeplatz. Foto: Kay Sommer

Von Alexander Albrecht

Mannheim. Vor knapp 30 Jahren ist das Stadthaus N 1 gegenüber dem Paradeplatz eingeweiht worden – doch feiern mag das niemand, was ausnahmsweise mal nichts mit Corona zu tun hat. Die klare Tendenz geht zum Abriss. Das geht aus einer internen Vorlage der Verwaltung an den Gemeinderat hervor, die der RNZ vorliegt. In der Antwort auf eine Anfrage der Grünen-Fraktion heißt es unmissverständlich: "Eine Sanierung erscheint nicht wirtschaftlich und zweckmäßig." Und: "Der bisherige Nutzungsmix und die bauliche Anordnung haben sich in der Praxis nicht als erfolgreich erwiesen."

Deutlicher geht’s nicht. Diringer & Scheidel sendet gleichlautende Signale. Das Mannheimer Unternehmen hat im Frühjahr 2016 die Hälfte des Stadthauses erworben, vor allem die Abschnitte für Gastronomie und Handel. Der Ratssaal, die Stadtbibliothek und die Spielflächen des Oststadttheaters sind im Eigentum der Kommune.

Ins Herz geschlossen haben die Mannheimer die "postmoderne Interpretation" des im Zweiten Weltkrieg fast vollständig zerstörten "Alten Kaufhauses" eigentlich nie. Manche sprechen von einem "Schandfleck", andere stören sich an dem steril-kalten Ambiente oder den überdimensionierten Fluren. Dennoch hat die Stadt immer wieder versucht, das Haus aufzuwerten. Rückblickend betrachtet liest sich die 30-jährige Geschichte aber wie eine Chronik des Scheiterns. Ständig wechselten die Betreiber von Lokalen und Läden, manche Flächen blieben leer.

Die gewählte Haustechnik, so schreibt die Verwaltung, führe immer wieder zu Problemen und sei nicht auf dem aktuellen Stand, regelmäßig komme es zu Wasserschäden. 2016 musste das Turmcafé aus Brandschutzgründen schließen. Fluchtwege reichten nicht aus, es gab weder eine Sprinkler- noch eine Feuermeldeanlage. Das vernichtende Gesamturteil: Selbst bei einer Totalentkernung sei eine "sinnvolle Nutzung" fraglich.

Auch interessant
Mannheim: Arbeiten am Postgebäude am Paradeplatz  gestartet
Mannheim: Rathaus am Marktplatz - Bauwerk weltlicher und religiöser Macht
Stadtbibliothek Mannheim: "Ein neues Wissens- und Informationshaus"
Abriss zum Jubiläum: Sparkasse Rhein-Neckar-Nord will Neubau am Paradeplatz

Der Fairness halber muss man sagen, dass nicht alles schlecht ist. Ein mexikanisches Restaurant und der bis Mitternacht geöffnete Rewe-Markt laufen hervorragend. Auch wenn sich die Überlegungen nach Angaben der Rathaus-Experten noch in einem "sehr frühen Stadium" befinden und in Absprache mit Diringer&Scheidel erfolgen müssen, ist der Zeitpunkt, sich mit der Zukunft des Stadthauses zu befassen, recht günstig. Denn voraussichtlich im Herbst 2023 wird auch die Stadtbibliothek aus- und in den Neubau im Nachbarquadrat N 2 umziehen. Die Verwaltung will bis dahin geklärt wissen, ob und wie es im Stadthaus weitergeht. Leerstände und damit verbundene negative Folgen für die City sollen vermieden werden.

Die Grünen fordern ein Gutachten. "Wir erhoffen uns Informationen darüber, ob vielleicht auch ein Umbau oder doch eine Sanierung in Frage kommt, und was das kosten würde", sagte Fraktionschefin Melis Sekmen der RNZ. Letztlich hänge die Entscheidung darüber von einem Nutzungskonzept ab. "Und darüber sollten wir möglichst schnell sprechen – mit den Innenstadt-Bewohnern und natürlich auch im Gemeinderat", so Sekmen. Ihre Überlegungen gehen über das Stadthaus hinaus und beziehen den Paradeplatz mit ein. Angesichts von Flächenversiegelungen, etwa am Friedrichspark, kann sich Sekmen vorstellen, den Platz in ein "grünes Quadrat" zu verwandeln. Dieser könnte in der im Sommer aufgeheizten City für etwas bessere Luft und Abkühlung sorgen. Der Brunnen im Zentrum des Paradeplatzes soll nach dem Wunsch der Grünen erhalten bleiben.

Rundherum ist ebenfalls vieles in Bewegung. Die benachbarte Sparkasse plant einen Neubau, in das Postgebäude kommt ein Hotel der Kette "Motel One" mit großer Bar. Und da ist noch die Kunststraße zwischen Stadthaus und Paradeplatz ihre Anfang nimmt. In einzelnen Abschnitten wird sie in Richtung Wasserturm für den Durchgangsverkehr gesperrt. Ziel ist es die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt zu steigern und "Autoposern" mit ihren lauten, aufgemotzten Wagen den Garaus zu machen. "Es gibt eine reelle Chance für eine große Lösung mit mehr Grün und mehr Leben", sagte Sekmen. Was den Paradeplatz angeht, hat der neue Baubürgermeister Ralf Eisenhauer den Grünen allerdings bereits eine Absage erteilt. Und auch seine SPD-Parteifreundin und Stadträtin Isabel Cademartori findet, dass der Platz als Ort der Begegnung funktioniert. "In seiner grundlegenden Beschaffenheit sehen wir keinen grundsätzlichen Veränderungsbedarf", so die Genossin.

Beim Thema Stadthaus regt Cademartori im RNZ-Gespräch eine breite gesellschaftliche Debatte an, da die Immobilie allen Mannheimern "gehöre". Über die künftige Nutzung dürfe nicht in "kleiner Rund" entscheiden werden. Gegebenenfalls müsse das Stadthaus wieder komplett in öffentliches Eigentum überführt werden.

Erst wenn Klarheit herrsche, was mit dem Gebäude passiere, könne man das Umfeld betrachten. "Man kann nicht den dritten Schritt vor dem ersten machen", hielt Cademartori den Grünen und Sekmen vor.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.