Erste Kiefern im Naturschutzgebiet "Brühlwegdüne" gefällt
Auf rund 32 Hektar werden tote Bäume gerodet und der Kiefernwald gelichtet, um ökologisch wertvollen Sandrasen zu entwickeln.

Von Lukas Werthenbach
Sandhausen. Teils mit schwerem Holzvollernter, teils mit handlicher Kettensäge haben die Arbeiten für das viel diskutierte "Jahrtausendprojekt" namens "Naturschutzgebiet Brühlwegdüne" begonnen. Derzeit fallen die ersten Bäume, um auf der insgesamt rund 32 Hektar großen Fläche südlich der Landesstraße L598 in den nächsten zwei Jahrzehnten lichten Kiefernwald und den ökologisch besonders wertvollen Sandrasen zu entwickeln. Dabei erklärte Forstrevierleiter Robert Lang nun auf RNZ-Anfrage, dass es sich bei den bis Ende Februar rund 1500 zu fällenden Kiefern ausschließlich um abgestorbene Bäume handele.

Das Regierungspräsidium Karlsruhe (RP) hatte wie berichtet bereits mitgeteilt, dass die "Entnahme" von Bäumen auf den ersten 0,5 Hektar vorgesehener Sandrasen-Fläche beginnt. Insgesamt sollen in den nächsten rund 20 Jahren 15 Hektar dieses besonderen Bodens entstehen, den es hier bereits vor über 10.000 Jahren, nach dem Ende der Jahreszeit, gab: Seltene sowie streng geschützte Tier- und Pflanzenarten sollen sich darauf ansiedeln. Bekanntlich entsprechen diese 15 Hektar dem Wunsch der in die Planung eingebundenen Naturschutzverbände, nachdem ursprünglich nur 2,8 Hektar Sandrasen vorgesehen waren. Dies wiederum hatte bis zuletzt unter Bürgern und Kommunalpolitikern für Diskussionen gesorgt, da mit der vergrößerten Sandrasen-Fläche auch die Zahl der zu fällenden Bäume wächst.
Doch Revierförster Lang erklärte nun: "Die Natur ist schneller als dieses Projekt." Nach seiner Ansicht werde sich das Naturschutzgebiet aufgrund der immer extremeren klimatischen Bedingungen noch früher als innerhalb der vorgesehenen 20 Jahre "in diese Richtung" entwickeln. Dies hänge insbesondere mit den durch Hitze und Trockenheit verursachten "Absterbeprozessen" zusammen, sodass ohnehin nur tote Bäume gefällt würden: "Ein Pilzbefall sorgt teilweise dafür, dass einige Bäume für den Betrachter noch intakt aussehen, sie aber eigentlich schon tot sind." Zudem werden laut RP sogenannte Habitatbäume – in denen "Totholzbewohner" leben oder Höhlen für andere Tiere bestehen – nicht entfernt. Und der Wald sei auch nach den Fällarbeiten "noch überwiegend von Kiefern überschirmt", er behalte seine ökologischen Eigenschaften.
Hintergrund
Räte wollen weniger Nutzwald
Mit zahlreichen Fragen und Anregungen reagierten die Gemeinderäte auf die Präsentation des Forstbezirksleiters Philipp Schweigler (vgl. Artikel rechts). Dabei ging es unter anderem um die mögliche Einbindung von Bürgern in
Räte wollen weniger Nutzwald
Mit zahlreichen Fragen und Anregungen reagierten die Gemeinderäte auf die Präsentation des Forstbezirksleiters Philipp Schweigler (vgl. Artikel rechts). Dabei ging es unter anderem um die mögliche Einbindung von Bürgern in aufwendige Pflegearbeiten, um eine neue Form der Waldbewirtschaftung und um Kritik am Vorgehen mit dem gerade erst ausgewiesenen Naturschutzgebiet "Brühlwegdüne".
"Vor fünf Jahren haben wir uns noch geärgert, dass der Wald keine Erträge abwirft, dann haben wir uns gefreut auf Null herauszukommen", sagte Lars Albrecht (CDU) mit Blick auf den Wandel im Forsthaushalt (vgl. "Forst 2021"). "Und die letzten Jahre wird das Defizit immer größer." Er warb dafür, "Geld in die Hand zu nehmen, neue Bäume zu setzen und tote zu fällen". So wollte er von Schweigler wissen, wie viel Wald man in einem Jahr pflanzen kann und was das kostet. "Ein Hektar pro Jahr sollte machbar sein", entgegnete der Fachmann, "das kostet etwa 40.000 bis 50.000 Euro pro Hektar, bis er fertig ist und man den Zaun abbauen kann".
Besonders sorgfältig mit den Zahlen und Fakten zum Forst beschäftigt hatte sich Georg Diem (FDP). "Unser Holzboden steht zu 51 Prozent auf Dünenfläche", hob er hervor, "das ist wirtschaftlich sehr wenig attraktiv". Er warf in Schweiglers Richtung die Frage auf, ob es nicht "Zeit zum Umdenken auf eine Dauerwaldbewirtschaftung" sei; bisher herrscht wie in ganz Deutschland auch in Sandhausen die Betriebsform eines auf Holzernte ausgerichteten Altersklassenwaldes vor. Mit einem Dauerwald verband Diem "eine wirkliche Priorisierung von Naherholung und Ökologie", zumal man damit "bestens gerüstet" für "Krisenereignisse wie Dürren" sei. Dazu erklärte Schweigler: "Ob Dauerwald oder Altersklassenwald, das ist nicht die Frage, die wir uns zurzeit stellen. Sondern zurzeit brennt das Dach, das müssen wir zuerst lösen."
Beate Würzer (GAL) würde das "Ziel der Herstellung eines lichten Kiefernwaldes aufgeben". Vielmehr solle man auf diesen Fläche auf die "offenbar entwicklungsfähige Naturverjüngung" setzen. Ähnlich wie Diem sah auch Würzer gute Gründe für "einen Paradigmenwechsel: weg vom Wald als alleinig ökonomischem Produkt, hin zur ganzheitlichen Betrachtung des Waldes als Dauerwald". Dieser sei auch in der Lage, "enorme Mengen an CO2 zu binden". Zudem könnte aus ihrer Sicht "bürgerschaftliches Engagement positiv genutzt werden", um die Waldarbeiter bei der Beseitigung der schädlichen Kermesbeere zu unterstützen. Auch sprach sich Würzer dafür aus, Bürgern zweimal jährlich "forstliche Waldbegehungen" anzubieten. Dafür zeigte sich Schweigler ebenso offen wie für eine Bekämpfung der Kermesbeere mit Ehrenamtlichen.
Auch für Thomas Schulzes (SPD) Fraktion ist "die Naherholungs- und Klimaschutzfunktion unseres Waldes schon lange am wichtigsten". Daher könnten sie die Aussage über eine "zweitrangige Nutzfunktion" unterstreichen. Um den Wald "zukunftsfähig" umzubauen, nehme man höhere Kosten durch mehr Pflegeaufwand in Kauf. Als "Lichtblick" bezeichnete Schulz, dass sich die Verjüngungsvorräte vermehrt haben. Auch er warb für einen "Waldumbau mit einer besseren Durchmischung der verschiedenen Baumarten".
Der Waldboden soll dem RP zufolge nach der "Auflichtung" abgetragen und "zur Verbesserung des Waldbodens in anderen Waldbeständen" verwendet werden. Später könne hier zum Beispiel der seltene Sandlaufkäfer heimisch werden. Das zum Start des Projekts bearbeitete Areal befinde sich in direkter Nachbarschaft zum Naturschutzgebiet "Pferdstriebdüne", sodass man auf eine "schnelle" Ansiedelung dort bereits heimischer Arten abziele: unter anderem der "blauflügeligen Ödlandschrecke".
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Zusätzlich zu den ersten 0,5 Hektar geplanter Sandrasen-Fläche wurden laut Lang vergangene Woche bereits andere Teile des Naturschutzgebiets bearbeitet: "Wir haben teilweise auch Totholz rausgeholt, um die Fläche für die Beweidung durch Tiere vorzubereiten, womit in diesem Jahr begonnen wird." Schafe und Ziegen sollen demnach die "Vegetation reduzieren", um die Voraussetzungen für den Sandrasen zu schaffen. Dies geschieht bereits seit einigen Jahren etwa auf der Fläche "Pflege Schönau" im Nordwesten der Gemeinde.



