Ein Bürgermeister muss neutral sein
Das Innenministerium bekräftigt die geltende Regelung.

Schriesheim. (hö) Man mag geteilter Meinung sein, ob Bürgermeister Hansjörg Höfer die Neutralitätspflicht verletzt hat, als er den SPD-Landtagskandidaten Sebastian Cuny empfing und wünschte, Cuny möge gewählt werden (RNZ vom Dienstag). Die CDU-Landtagsabgeordnete Julia Philippi sieht darin einen klaren Regelverstoß des Bürgermeisters; Höfer verteidigte sich, entschuldigte sich aber vorsorglich bei Cunys Mitbewerbern, wenn bei ihnen der Eindruck einer Wahlempfehlung entstanden sei.
Allerdings steht nach einer Anfrage der RNZ ans baden-württembergische Innenministerium fest, dass es erstens eine solche Neutralitätspflicht gibt und dass die auch für Bürgermeister gilt. Das Ministerium stellte klar: "Für Staatsorgane besteht nach der Rechtsprechung im Vorfeld von Wahlen eine sogenannte Neutralitätspflicht, wonach sie sich als Amtsträger in amtlicher Funktion im Hinblick auf eine Wahl neutral zu verhalten haben. Dieser Grundsatz gilt auch für Bürgermeister."
Zur Neutralitätspflicht gebe es explizit keine gesetzliche Regelung im Wahlrecht, es handele sich allerdings "um gefestigte Rechtsprechung". Verletzungen der Neutralitätspflicht könnten gegebenenfalls im Wahlprüfungsverfahren eine Rolle spielen, so ein Ministeriumssprecher am Mittwoch gegenüber der RNZ. Nicht abschließend geregelt ist hingegen, wie lange die Karenzzeit, also die Zeit der parteipolitischen Enthaltsamkeit von Staatsorganen vor Wahlen, dauert. Rechtsamtsleiter aus ganz Baden-Württemberg hielten bei einer Tagung im Oktober 2013 drei Monate für ausreichend – also genau die Frist, die im Bürgermeistersprengel vereinbart ist. Der Staatsgerichtshof (heute Verfassungsgerichtshof) Baden-Württemberg hatte 1981 noch sechs Monate genannt.
Auch die Schriesheimer CDU reagierte auf den Vorgang. Ihr Vorstand erklärte: "Wir haben am Dienstag mit Verwunderung vom Gespräch Sebastian Cunys mit Bürgermeister Hansjörg Höfer gelesen. So sehr wir uns freuen, dass ein Schriesheimer in den Landtag gewählt werden möchte, und wir Sebastian Cuny als Person schätzen, desto überraschender ist es dennoch, dass unser Bürgermeister, der eigentlich zur Neutralität verpflichtet ist, sich so klar für einen Kandidaten ausspricht."
Update: Mittwoch, 13. Januar 2021, 17.30 Uhr
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Verletzte der Bürgermeister Hansjörg Höfer seine Neutralitätspflicht?
Höfer hatte kurz nach Beginn der sogenannten Karenzzeit den SPD-Landtagskandidaten Sebastian Cuny empfangen. Doch dabei ging es gar nicht um die Wahl, so Höfer.
Schriesheim. (hö) Hat Bürgermeister Hansjörg Höfer seine Neutralitätspflicht vor Wahlen verletzt, als er unlängst den SPD-Landtagskandidaten Sebastian Cuny zu einem Gespräch empfing und sich dabei wünschte, der Schriesheimer Cuny solle gewählt werden? Die CDU-Landtagsabgeordnete Julia Philippi findet schon: "Für Staatsorgane, die eigentlich immer eine gewisse Zurückhaltung wahren sollten, gilt vor Wahlen eine noch mal gesteigerte Neutralitätspflicht." Das betreffe die Polizei und die öffentlichen Schulen, aber auch im kommunalen Bereich Bürgermeister, Amtsleitungen oder Feuerwehrkommandanten. In dieser Zeit nehmen diese Personen, zumindest in ihrer Funktion, an keinen (presse-)öffentlichen Gesprächen teil – außer bei Podiumsdiskussionen.
Philippi berichtet: "Da die Dauer dieser Karenzzeit vor Wahlen in der Vergangenheit unterschiedlich gehandhabt wurde, habe ich bereits im Sommer bei den zehn Kommunen in meinem Wahlkreis nachgefragt. Mir wurde sowohl vom Ordnungsamt der Stadt Schriesheim als auch vom Ilvesheimer Bürgermeister Andreas Metz für den gesamten Sprengel schriftlich mitgeteilt, dass man sich auf einheitlich drei Monate Karenzzeit geeinigt habe. Beim Wahltag 14. März bedeutet dies eine gesteigerte Neutralitätspflicht ab dem 15. Dezember, die ich selbstverständlich respektiere." Das Gespräch zwischen Höfer und Cuny fand am 16. Dezember statt.
Deswegen war Philippi "sehr verwundert", als sie am Dienstag in der RNZ davon gelesen habe – "ganz unabhängig von der ,Wahlempfehlung’ eines grünen Bürgermeisters für einen anderen als den grünen Kandidaten. Dass ein Bürgermeister in seiner Funktion, in diesem Fall sogar im Rathaus, überhaupt eine irgendwie geartete Wahlempfehlung ausspricht, ist eine Frage, mit der sich sicher auch die Fraktionen im Gemeinderat auseinandersetzen werden".
Ihr grüner Mitbewerber Uli Sckerl ist gelassener: "Jeder muss selbst wissen und verantworten, was er tut. Ich selbst respektiere natürlich die Karenzpflicht." Er wolle das nicht weiter kommentieren.
Für das Rathaus erklärte die Kommunikationsbeauftragte Larissa Wagner, dass es sich "grundsätzlich um einen Antrittsbesuch von Sebastian Cuny in seiner Funktion als SPD-Landtagskandidat" gehandelt habe. Zudem war für diesen Termin die Anwesenheit der SPD-Bundestagskandidatin Elisabeth Krämer geplant, die mit der Bergstraße bisher wenig vertraut sei und Schriesheim näher kennenlernen wollte. Das persönliche Gespräch zwischen Cuny und Höfer kam schließlich durch die coronabedingte Absage Krämers zustande – "und war somit nicht intendiert". Es sei "durchaus üblich, dass sich Kandidaten bei den Gemeinden vorstellen und über deren anstehende Aufgaben und Probleme informieren". Außerdem habe die Landtagswahl bei diesem Gespräch nicht im Vordergrund gestanden, "viel mehr drehte sich die Unterhaltung um die großen Projekte und Herausforderungen, welche für die Stadt in den kommenden Jahren sowohl finanziell als auch gesellschaftlich von großer Bedeutung sind".
Höfer sagte: "Mir persönlich ist es natürlich wichtig, dass unser Wahlkreis auch nach der anstehenden Wahl so stark vertreten ist wie bisher. Wenn ein Stadtoberhaupt in diesem Zuge einem ortsansässigen Kommunalpolitiker viel Glück für eine anstehende Wahl wünscht, dürfte das nicht verwerflich sein. Ich möchte jedoch klarstellen, dass dies keinesfalls als Wahlempfehlung meinerseits zu verstehen ist. Sollte diese Geste von anderen Mitbewerbern missverständlich aufgefasst worden sein, möchte ich mich hierfür natürlich entschuldigen." Selbstverständlich stehe er in seiner Funktion als Bürgermeister dem Wahlausgang neutral gegenüber und wünsche "allen Bewerbern viel Erfolg".



