Haben Geimpfte künftig die besseren Karten?
Große Koalition prüft, ob eine solche Bevorzugung verboten werden muss

Von Andreas Herholz, RNZ Berlin, und Teresa Dapp
Berlin. Mit der Corona-Impfung wieder ins Kino, den Konzertsaal und ins Restaurant gehen? Gedankenspiele über Sonderrechten für Geimpfte sorgen für eine kontroverse Debatte. Während die einen dies verfassungsrechtlich geradezu für geboten halten, weil es mit Impfschutz und Immunität keinen vernünftigen Grund mehr für die umfassenden Grundrechtsbeschränkungen gebe und zudem so die Impfbereitschaft erhöht werden könne, warnen andere eindringlich davor. Sie befürchten einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz und das Diskriminierungsverbot. Auch dürfe es keine "Impfpflicht durch die Hintertür" geben. Rechtsexperten der Großen Koalition prüfen daher bereits ein Verbot solcher Privilegien für Corona-Geimpfte. Damit soll eine Ungleichbehandlung von Geimpften und Nichtgeimpften ausgeschlossen werden.
So verweist der rechtspolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe im Deutschen Bundestag, Volker Ullrich, auf das geltende allgemeine Diskriminierungsverbot. "Derzeit wissen wir noch nicht, ob eine Impfung davor schützt, andere anzustecken. Zudem sind wir in einer Situation, in welcher viele noch nicht geimpft sind, obwohl sie es gerne wären, weil sie in der Impfreihenfolge noch nicht dran waren", erklärte er im Gespräch mit unserer Berliner Redaktion. In dieser Übergangsphase sei es schwierig, wenn unterschiedliche rechtliche Regelungen bestehen würden. Zwar gelte Vertragsfreiheit, allerdings eben auch der Schutz vor Diskriminierung aufgrund mittelbarer Drittwirkung von Grundrechten. "Wir brauchen also eine Debatte, ob hier eine unterschiedliche rechtliche Behandlung gerechtfertigt ist", forderte er.
Auch die SPD warnt vor den Folgen von Sonderregeln: Wenn Fluggesellschaften nur noch Geimpfte befördern oder Restaurants Menschen ohne Corona-Impfung den Zutritt verweigern würden, wäre dies nicht hinnehmbar, warnte der rechtspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Fechner. Um zu verhindern, dass etwa Firmen solche Sonderregeln über ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen einführen, denkt man in der Koalition an gesetzliche Änderungen.
In den Branchen, die entsprechende Kontrollen einführen könnten, fallen die Reaktionen unterschiedlich aus. Der Chef der Lufthansa etwa, Carsten Spohr, hatte zuletzt angekündigt, dass künftig bei Interkontinental-Flügen Passagiere womöglich entweder getestet oder geimpft sein müssten. Die Bahn hingegen, deren Aktien komplett dem Bund gehören, schließt Privilegien oder Nachteile auf Nachfrage eindeutig aus: "Die Deutsche Bahn wird bei der Beförderung ihrer Kunden keinen Unterschied zwischen geimpften und nicht geimpften Passagieren machen." Und auch der Handelsverband warnt, "eine Einteilung der Kundinnen und Kunden in Geimpfte und Ungeimpfte ist nicht wünschenswert und in der Praxis auch sicher kaum möglich".
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Selbst aus der Gastronomie heißt es: "Für diese Diskussion ist es aus unserer Sicht viel zu früh", so die Hauptgeschäftsführerin des Branchenverbands Dehoga, Ingrid Hartges. "Solange nicht ausreichend Impfstoff für alle zur Verfügung steht, brauchen wir nicht über Zugangsbeschränkungen zu sprechen." Auch rechtliche Fragen seien offen. Der Unions-Rechtsexperte Jan-Marco Luczak (CDU) schimpft über eine "Phantomdebatte" mit "verfrühten und hypothetischen Diskussionen".
Viele hoffen, dass diese sich von selbst erledigen. Nämlich dann, wenn sich ausreichend Menschen freiwillig impfen lassen und die sogenannte "Herdenimmunität" erreicht wird. 60 bis 70 Prozent der Menschen müssen immun sein, um das Virus zu stoppen, hieß es dazu bisher oft von Experten. Doch auch daran gibt es schon Zweifel.