Rhein-Neckar Löwen

Wenn "Steini" die Advents-Party versaut

Die Löwen verspielen gegen Flensburg eine Sieben-Tore-Führung und müssen sich mit einem 31:31-Unentschieden zufrieden geben.

11.12.2020 UPDATE: 13.12.2020 19:30 Uhr 4 Minuten, 1 Sekunde
Marius Steinhauser (r.) durfte „nur“ die Siebenmeter werfen – dabei behielt der Ex-Löwe aber auch in der letzten Aktion die Nerven. Foto: vaf

Von Tillmann Bauer

Mannheim. Uwe Gensheimer schüttelte ungläubig den Kopf. Der Kapitän der Rhein-Neckar Löwen saß einsam auf dem Aufgang zur Tribüne der Mannheimer SAP Arena – er war traurig. Zurecht, schließlich hatte der Friedrichsfelder ein starkes Spiel abgeliefert, neun Tore erzielt und sein Team fast zum wettbewerbsübergreifend zehnten Sieg in Folge geführt. Nur das "fast" störte ihn.

Es dauerte nur wenige Sekunden, da gesellte sich Marius Steinhauser zu ihm. Die beiden Freunde wechselten ein paar Worte. Beim 31:31 (19:13)-Unentschieden im Bundesliga-Spitzenspiel zwischen den Löwen und der SG Flensburg-Handewitt war es wieder Ex-Löwe Steinhauser, der seinem ehemaligen Verein die Advents-Party versaute – mit der letzten Aktion des Spiels verwandelte der 27-Jährige einen umstrittenen Siebenmeter gegen Andreas Palicka, der im Löwen-Tor nach langer Verletzung sein Comeback feierte. Der Schlussmann (15 Paraden) sagte: "Ein Punkt ist besser als zwei." Und meinte: "Ein Punkt ist besser als keiner."

An diesem dritten Advent gab es also zwei Mannschaften mit einem Zähler und nun drei Minuspunkten – und einen Grund, warum die Flensburger nach Schlusspfiff jubelten und sich die Löwen trotz Tabellenführung wie Verlierer fühlen mussten.

"Die erste Halbzeit war ja nicht normal", sagte Martin Schwalb. Nicht normal, damit meinte der Trainer, dass bis zum 19:13-Pausenstand so ziemlich alles gelang. Die Löwen rannten und rannten und rannten. Teilweise sah es auf der blauen Spielfläche so aus, als würden die Mannheimer in die Einkaufsmeile stürmen, um noch rechtzeitig vor dem Weihnachtsfest alle Geschenke zu besorgen. Sie hatten Feuer unter den Sohlen.

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Und dass die Defensive aggressiv war, um Ballgewinne zu provozieren, war nicht nur auf dem Feld, sondern auch hinter der Auswechselbank zu erkennen. Erst musste Ymir Örn Gislason, der seinen Vertrag am Sonntag bis 2024 verlängert hat, sein zerrissenes Trikot wechseln (8.), nur wenige Minuten später bekam auch Jannik Kohlbacher aus gleichem Grund neue Arbeitskleidung (20.). Ein echter Kampf!

Nach jedem Ballgewinn gab es für die Löwen nur einen Weg: im Vollsprint nach vorne. Man spielte konsequent, man spielte emotional, man überrollte die verletzungsgebeutelten Nordlichter. Zeitweise führten die Mannheimer, die schon an diesem Dienstag (20.15 Uhr/Sky) wieder in Hannover antreten müssen, mit sieben Toren Differenz – es war zumindest im ersten Abschnitt eine vorweihnachtliche Hochgeschwindigkeits-Gala.

Was früh nach einem entspannten Tag aussah, entwickelte sich nach dem Pausentee zu dem Spiel, das eigentlich alle im Vorfeld erwartet hatten. Weil die Löwen in acht Minuten (!) kein Tor – und die Flensburger in der gleichen Zeit sieben machten, stand es plötzlich 20:20 (38.). SG-Torwart Torbjörn Bergerud (11 Paraden) wuchs über sich hinaus. Das Spiel war wieder offen; und blieb bis zur letzten Minute reine Nervensache.

"Wir hätten das Ding gewinnen müssen", sagte Schwalb: "Aber wir haben gegen Flensburg ein Riesenspiel gemacht – ich sehe das nicht als Nackenschlag."

Vielleicht kein Schlag, aber ein kleines Zwicken war das Verspielen einer Sieben-Tore-Führung und der "Steini"-Treffer in der Schlusssekunde schon.

Löwen: Schmid 8/1, Nilsson 3, Gensheimer 9/1, Groetzki 3, Lagergren 3, Kohlbacher 1, Petersson 2, Nielsen 1, Lagarde 1

Flensburg: Golla 5, Wanne 9, Sogard 1, Gottfridsson 1, Svan 3, Mensah 3, Steinhauser 3/3, Hald 2, Rod 3, Holpert 1

Strafminuten: Gensheimer 4 – Golla 2, Rod 2

Stenogramm: 3:1 (5.), 7:3 (10.), 13:6 (15.), 13:8 (20.), 16:11 (25.), 19:13 (Halbzeit), 20:17 (35.), 21:21 (40.), 23:23 (45.), 26:25 (50.), 28:28 (55.), 31:31 (Ende)

Update: Sonntag, 13. Dezember 2020, 19.30 Uhr


Wenn der Respekt vor Flensburg-Handewitt groß ist

Was vor dem Spitzenspiel in der Handball-Bundesliga zwischen den Rhein-Neckar Löwen und der SG Flensburg-Handewitt wichtig ist

Von Tillmann Bauer

Heidelberg. Benjamin Buric röstet Kaffee. Der bosnische Schlussmann der SG Flensburg-Handewitt ist nicht nur absoluter Erfolgsgarant, sondern eben auch "Kaffee-Wart" seines Handball-Vereins. Er sollte die Mannschaft vor dem Bundesliga-Spitzenspiel am Sonntag (13.30 Uhr/Sky) bei den Rhein-Neckar Löwen gut mit Koffein versorgen – schließlich machen viele Spiele, Reisen und Einheiten in wenigen Tagen müde. Und Müdigkeit ist das letzte, was die Flensburger gebrauchen können.

Das jüngste Duell zwischen den Löwen und Flensburg war umkämpft – damals mit Jannik Kohlbacher (M.) in der ausverkauften SAP Arena. Foto: vaf

Abgesehen vom Kaffee – was ist vor dem Duell zwischen den Löwen und der SG Flensburg-Handewitt noch wichtig?

> Die Form ist gut – bei beiden Mannschaften. Die Löwen reiten auf einer Erfolgswelle und haben wettbewerbsübergreifend neun Spiele in Folge gewonnen. Die Flensburger gingen zuletzt im Nordderby beim THW Kiel im Oktober mit einer Niederlage vom Feld. Seitdem wurden neun Spiele nicht verloren. Während das Auswärtsspiel der Löwen in der EHF European League in Schaffhausen kurzfristig abgesagt wurde, warfen sich die Flensburger noch am Donnerstag mit einem 30:29 in der Königsklasse gegen die Norweger von Elverum Handball ein.

> Die Tabelle verspricht ein echtes Spitzenspiel. Gemeinsam mit dem amtierenden Meister THW Kiel sind Flensburg und die Löwen die einzigen Teams, die bisher lediglich zwei Minuspunkte auf dem Konto haben. Deshalb teilen sich diese drei Mannschaften momentan die Tabellenführung. Auch wenn die Flensburger noch ein Spiel weniger als die Löwen absolviert haben, kann man von einer wegweisenden Begegnung sprechen.

> Die Historie spricht für das Team aus dem Norden. In der vergangenen Spielzeit mussten die Mannheimer kurz vor Weihnachten – damals noch unter Ex-Trainer Kristjan Andresson – eine 22:24-Heimniederlage einstecken. Und auch das Auswärtsspiel zuvor in der Flensburger "Hölle Nord" entschied die Mannschaft von Maik Machulla schon am dritten Spieltag der vergangenen Saison mit 30:27 für sich.

> Die Personalsituation bei den Löwen hat sich pünktlich gebessert. So deutet alles auf ein Comeback des schwedischen Schlussmanns Andreas Palicka hin, die anderen Langzeitverletzten Jesper Nielsen und Jannik Kohlbacher sind mittlerweile wieder auf dem Weg zurück zu alter Stärke. Lediglich auf Torwart Mikael Appelgren müssen die Löwen noch verzichten. In Flensburg gab es dagegen zuletzt eine echte Schockdiagnose: Nationalspieler Franz Semper wird mit einem Kreuzbandriss lange fehlen – generell sind viele wichtige Spieler angeschlagen oder noch nicht im Vollbesitz ihrer Kräfte. Oh weh!

> Die Rückkehrer sind motiviert. Dass Marius Steinhauser noch einige Freunde bei den Löwen hat, sollte mittlerweile bekannt sein. Der Rechtsaußen wechselte bereits vor drei Jahren aus Mannheim in den Norden. Frischer ist dagegen der Tapetenwechsel von Mads Mensah Larsen – den Dänen zog es erst vor wenigen Monaten nach Flensburg und damit wieder näher an seine Heimat. Steinhauser sagt über den Mann, der in der SAP Arena seiner Frau einen Heiratsantrag gemacht hat: "Mads hat nicht lange gebraucht, um sich bei uns zu integrieren. Er ist einfach ein offener Typ und macht seine Sache richtig gut."

> Die Rollen sind nicht klar verteilt. Favorit will sich keine der beiden Mannschaften nennen, genau das macht das Duell spannend. Während die Löwen darauf hinweisen, dass Flensburg ein sehr eingespieltes Team sei und man sich selbst erst noch finden müsse, loben die Flensburger gleichzeitig die Arbeit, die bei den Löwen unter Trainer Martin Schwalb geleistet wird. Der gegenseitige Respekt ist groß.

Stand: Freitag, 11. Dezember 2020, 21 Uhr

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