Glühwein-Demo ohne Alkohol (Update)
Die Benzenickelbasarfreunde haben ihre geplante Versammlung nach Anfeindungen und Angriffen abgesagt. Dabei distanzierten sie sich klar von "Corona-Leugnern".

Nußloch. (cm) Die für den ersten Advent geplante und nach massiver Kritik inzwischen abgesagte "Glühwein-Demo" der "Benzenickelbazarfreunde" auf dem Lindenplatz hätte so oder so wohl ohne Glühwein stattfinden müssen. Dies teilte das Landratsamt am Dienstag mit.
"Zum konkreten Ablauf dieser Versammlung hätte die Versammlungsbehörde des Rhein-Neckar-Kreises rechtzeitig vor dem Versammlungstermin eine Verfügung an die Veranstalter adressiert, die unter anderem ein Verbot des Verkaufs, des Ausschanks sowie des Konsums von Alkohol enthalten hätte", so die Behörde. Damit sollten "engere Ansammlungen" mit Unterschreiten des Corona-Mindestabstands verhindert werden. Zudem könne beim Trinken keine Mund-Nasen-Bedeckung getragen werden. Das Landratsamt stellte klar, dass das Verwaltungsgericht lediglich die Auffassung vertreten habe, dass es sich bei der Veranstaltung um eine Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes handelt. Es sei kein Glühweintrinken mit 50 Personen unter Wahrung der Abstandsregeln genehmigt worden.
Update: Dienstag, 17. November 2020, 13.37 Uhr
Nußloch. (cm) Nach einem Sturm der Entrüstung haben die "Benzenickelbasarfreunde Nußloch und Umgebung" ihre für den ersten Adventssonntag, 29. November, auf dem Lindenplatz geplante "Glühwein-Demo" abgesagt. Dies teilte die etwa 20 Personen große Gruppe am Samstagabend mit. Die "genehmigte und rechtskonforme ,Versammlung für freien Glühweinausschank und -konsum. Tradition erhalten – auch in Krisenzeiten’" werde nicht stattfinden.
"Getragen wird die Entscheidung von der Feststellung, dass der Versammlungszweck nicht mehr erreicht werden kann", teilte die Gruppe mit. Dieser sei gewesen, "auf die Notwendigkeit und Möglichkeit des Erhalts eines Mindestmaßes an gesellschaftlichem Leben in unserer am Leitbild der Freiheit ausgerichteten Gesellschaft aufmerksam" zu machen.
Hintergrund
Die Mitteilung der "Benzenickelbasarfreunde Nußloch und Umgebung" im Wortlaut:
Wir geben bekannt, dass die für den 29.11.2020 auf dem Lindenplatz in Nußloch genehmigte und rechtskonforme Versammlung "Versammlung für freien Glühweinausschank und
Die Mitteilung der "Benzenickelbasarfreunde Nußloch und Umgebung" im Wortlaut:
Wir geben bekannt, dass die für den 29.11.2020 auf dem Lindenplatz in Nußloch genehmigte und rechtskonforme Versammlung "Versammlung für freien Glühweinausschank und -konsum. Tradition erhalten – auch in Krisenzeiten" abgesagt ist.
Getragen wird die Entscheidung von der Feststellung, dass der Versammlungszweck, nach dem auf die Notwendigkeit und Möglichkeit des Erhalts eines Mindestmaßes an gesellschaftlichem Leben in unserer am Leitbild der Freiheit ausgerichteten Gesellschaft aufmerksam gemacht werden soll, nicht mehr erreicht werden kann.
Die an uns herangetragenen Anfeindungen und Anwürfe, die selbst davor nicht zurückschrecken, die Aussetzung von Grundrechten, die "Registrierung" unserer Versammlungsteilnehmer und Mitglieder zu fordern und Gewalt als Mittel zur Durchsetzung eigener rechtsstaatsferner Interessen billigen, haben verdeutlicht, dass die Stimmung zumindest teilweise bereits in Richtung von Angst getriebener Ignoranz und Intoleranz gekippt ist. Diese Entwicklung wollen und werden wir nicht befördern. In Zusammenhang mit Corona-Leugnern gebracht zu werden, lehnen wir entschieden ab.
Stattdessen stellen wir uns die Frage, wie es so weit kommen konnte, dass Grundrechte und an sich vollkommen harmlose Zusammenkünfte, die unter konsequenter Beachtung geltender Corona-Regeln stattfinden sollen, nur noch von den Gerichten akzeptiert und respektiert werden, während der öffentliche Diskus von Verbotsrhetorik, Aggressivität und Hetze dominiert wird. Respekt setzt voraus, dass man die Freiheit anderer akzeptiert und fördert. Für staatliche Stellen bedeutet Respekt vor dem Rechtsstaat und der Demokratie, dass sie sich gegenüber rechtmäßigem Verhalten zumindest neutral verhalten. Respektvoller Umgang unter Bürgern kennt solche Angriffe und Anfeindungen nicht.
Wir bedauern zutiefst, dass sich die gesellschaftliche Entwicklung augenscheinlich einen Schritt weiter vom geselligen und gesellschaftsfördernden "Miteinander" in Richtung eines bloßen "Nebeneinander" und "Gegeneinander" verschoben hat. Wenn rechtskonformes Handeln in Frage gestellt und rechtfertigungsbedürftig wird, sind dies Warnsignale, die uns aufwecken sollten. Den Freunden der Freiheit und unseren Unterstützern gilt unser Dank in schweren Zeiten.
Gez. Die Benzenickelbasarfreunde
"Die an uns herangetragenen Anfeindungen und Anwürfe haben verdeutlicht, dass die Stimmung zumindest teilweise bereits in Richtung von Angst getriebener Ignoranz und Intoleranz gekippt ist", so die Freunde. "Diese Entwicklung wollen und werden wir nicht befördern." In Zusammenhang mit Corona-Leugnern gebracht zu werden, lehne man entschieden ab.
Zur Erinnerung: Eine Vorweihnachtszeit ohne öffentlichen Glühweinkonsum war für die Benzenickelbasarfreunde "schlicht unvorstellbar", so deren Sprecher Florian Albrecht, 43-jähriger Hochschullehrer für Recht aus dem Nußlocher Ortsteil Maisbach. Mit dem Ausfall des Nußlocher Weihnachtsmarktes – dem Benzenickelbasar – wollte sich die Gruppe deshalb nicht abfinden. Selbst einen Markt zu veranstalten, ist derzeit unmöglich. Deshalb machten die Freunde den Glühweinkonsum zum Thema einer Demonstration im Sinne einer Versammlung. Mit diesem juristischen Kniff haben sie es geschafft, dass etwa 50 Personen mit Abstand hätten Glühwein trinken dürfen. "Glühweintrinken ist ein maßgebliches und zentrales Element von Weihnachtsmärkten", hatte Albrecht betont. "Man trifft sich ja nicht zum Wachskerzenkaufen."
Die Gruppe wolle darauf aufmerksam machen, dass durch Verbote und Verzicht Freiheit verloren geht. Albrecht hatte als Fachmann für Verwaltungsrecht eine Versammlung angemeldet, die vom zuständigen Rhein-Neckar-Kreis erst abgelehnt und dann nach Einschalten des Verwaltungsgerichts in Karlsruhe genehmigt wurde. Sie hätte auf Staatskosten stattfinden dürfen.
Doch es hagelte Kritik – auch vom örtlichen Bürgermeister. Joachim Förster hätte die "Glühwein-Demo" abgelehnt, aber die Gemeinde war nicht zuständig. "Ich finde so etwas in der jetzigen Zeit unnötig und respektlos gegenüber allen Leuten, die mit Corona zu tun haben", betonte er. "Das ist kontraproduktiv."
Die Benzenickelbasarfreunde stellen sich nun laut ihrer Mitteilung "die Frage, wie es so weit kommen konnte, dass Grundrechte und an sich vollkommen harmlose Zusammenkünfte, die unter konsequenter Beachtung geltender Corona-Regeln stattfinden sollen, nur noch von den Gerichten akzeptiert und respektiert werden, während der öffentliche Diskus von Verbotsrhetorik, Aggressivität und Hetze dominiert wird".
Respekt setze voraus, dass man die Freiheit anderer akzeptiere und fördere. "Wir bedauern zutiefst, dass sich die gesellschaftliche Entwicklung augenscheinlich einen Schritt weiter vom geselligen und gesellschaftsfördernden Miteinander in Richtung eines bloßen Nebeneinanders und Gegeneinanders verschoben hat", so die Gruppe. "Wenn rechtskonformes Handeln in Frage gestellt und rechtfertigungsbedürftig wird, sind dies Warnsignale, die uns aufwecken sollten – den Freunden der Freiheit und unseren Unterstützern gilt unser Dank in schweren Zeiten."
Update: Sonntag, 15. November 2020, 19.30 Uhr
"Glühwein-Demo" darf stattfinden - "Unnötig und respektlos"
Die "Benzenickelbasarfreunde" setzten ihre Versammlung am ersten Advent durch. Ein juristischer Kniff machte es möglich. Der Bürgermeister lehnt die Aktion ab.
Von Christoph Moll
Nußloch. Eine Vorweihnachtszeit ohne öffentlichen Glühweinkonsum? Für die Benzenickelbasarfreunde ist das "schlicht unvorstellbar", wie deren Sprecher Florian Albrecht meint. Mit dem Ausfall des Nußlocher Weihnachtsmarktes – eben dem Benzenickelbasar – wollte sich die Gruppe deshalb nicht abfinden. Selbst einen Markt veranstalten? Derzeit unmöglich. Aber was ist mit einer Demonstration im Sinne einer Versammlung? Mit diesem juristischen Kniff haben es die Benzenickelbasarfreunde geschafft: Am ersten Advent, Sonntag, 29. November, wird von 15 bis 18 Uhr auf dem Lindenplatz Glühwein getrunken.
Doch der Reihe nach. Die Benzenickelbasarfreunde sind ein noch junger und coronabedingter Zusammenschluss von etwa 20 Personen aus Nußloch und der Umgebung. "Alle sind gerne auf den Benzenickelbasar gegangen und kennen sich von Stammtischen in Nußloch", erklärt Sprecher Florian Albrecht, der aus dem Ortsteil Maisbach kommt. Der 43-Jährige ist Hochschullehrer für Recht.
Hintergrund
Es ist nicht das erste Mal, dass der Nußlocher Florian Albrecht mit von ihm angestrengten Gerichtsverfahren Schlagzeilen macht:
> Bierdosen-Flashmob: Besonders für Aufsehen unter Juristen sorgte eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Juli des Jahres
Es ist nicht das erste Mal, dass der Nußlocher Florian Albrecht mit von ihm angestrengten Gerichtsverfahren Schlagzeilen macht:
> Bierdosen-Flashmob: Besonders für Aufsehen unter Juristen sorgte eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Juli des Jahres 2015 zu Versammlungen auf Privateigentum. Konkret hatte Albrecht einen "Bierdosen-Flashmob für die Freiheit" auf einem Platz in privatem Eigentum in Passau beantragt. Das Gericht entschied, dass dieser stattfinden darf. Zuvor fehlte es an einer gefestigten Rechtsprechung zur Inanspruchnahme von öffentlich zugänglich gemachten, aber in privater Hand gehaltenen Grundstücken für Versammlungen. Auch damals ging es um eine zunehmende Beschränkung von Freiheitsrechten.
> Verbot des "Rucksacktrinkens": Auch in Nußloch selbst hat Albrecht schon einmal für Aufsehen gesorgt. Das war im Jahr 2008, als die Gemeinde bei der Kerwe ein Verbot des sogenannten "Rucksacktrinkens", also des Mitbringens von Alkohol auf das Festgelände, aussprach. Albrecht erwirkte am Karlsruher Verwaltungsgericht, "dass eine Allgemeinverfügung, die ein Alkoholverbot im öffentlichen Raum während der Dauer eines Straßenfestes statuiert, mit polizeirechtlichen Ermächtigungsgrundlagen nicht vereinbar ist". Denn es könne nicht pauschal davon ausgegangen werden, dass "Rucksacksäufer" für Gefahr sorgen. cm
"Wir distanzieren uns von Corona-Leugnern", betont er. Dass überall Weihnachtsmärkte ausfallen oder zuletzt über Märkte ohne Glühwein diskutiert wurde, wolle man aber nicht hinnehmen. "Das ist skandalös, da Glühweintrinken ein maßgebliches und zentrales Element von Weihnachtsmärkten ist", betont er. "Man trifft sich ja nicht zum Wachskerzenkaufen." Es werde ein "kommunikatives Forum" genommen. "Wir wollen darauf aufmerksam machen, dass durch Verbote und Verzicht Freiheit verloren geht", betont Albrecht. "Wir machen es am Thema Glühweintrinken fest." Es gebe Millionen Glühweintrinker in Deutschland. "Uns geht auf den Senkel, dass der Aufwand für die Veranstalter derzeit so groß ist und alle Märkte abgesagt werden", sagt der Nußlocher. Dabei würden Weihnachtsmärkte im Freien stattfinden, wo die Ansteckungsgefahr gering sei. Die meisten Märkte seien zudem umzäunt, um unkontrollierten Zustrom zu verhindern. Das wäre auch in Nußloch möglich.
Doch als der Benzenickelbasar abgesagt wurde, sei klar gewesen: "Wir müssen es selbst machen", so Albrecht. Als Fachmann für Verwaltungsrecht habe er deshalb eine "Versammlung für freien Glühweinausschank und Konsum – Tradition erhalten, auch in Krisenzeiten" angemeldet. "Die Versammlungsfreiheit ist ein hohes Gut", weiß Albrecht. "So etwas muss zugelassen werden." Doch das zuständige Landratsamt des Rhein-Neckar-Kreises lehnte ab. "Es hieß: Weil Alkohol im Spiel ist, wäre das keine Versammlung", berichtet Albrecht, der daraufhin beim Verwaltungsgericht in Karlsruhe Klage auf Feststellung der Versammlungseigenschaft einreichte. Dann habe sich etwas getan.
"Das Verwaltungsgericht hat uns signalisiert, dass die Veranstaltung als Versammlung anzusehen ist, weil dort unter anderem auch Reden gehalten werden", bestätigt Landratsamt-Sprecherin Silke Hartmann. Man habe deshalb anerkannt, dass es sich um eine Versammlung nach Versammlungsrecht handele. Das Verfahren beim Verwaltungsgericht sei für erledigt erklärt worden.
Florian Albrecht freut sich darüber, ärgert sich aber auch: "Es ist der Gipfel, dass das Landratsamt erst nach Androhung von juristischen Mitteln vernünftig geprüft hat", kritisiert er. "Wir wurden offenbar nicht ernst genommen."
Was ist nun geplant? Albrecht schätzt, dass auf dem Lindenplatz Platz für etwa 50 Personen ist – unter Einhaltung der Abstandsregeln. Diese müssten eingehalten werden, da Glühwein nur ohne Maske getrunken werden könne. Die Teilnehmerzahl wird begrenzt, das Gelände wohl umzäunt. Für die Kosten müsse bei Versammlungen der Staat aufkommen, so Albrecht. Der Veranstalter müsse lediglich ein paar Ordner stellen.
"Wir wollen kein Chaos und keine Corona-Regeln brechen", betont Albrecht. Es sollen Reden zum Thema gehalten und Weihnachtslieder gespielt werden. Am Ende der Veranstaltung sollen zu "O du Fröhliche" Wunderkerzen angezündet werden. "Wir warten nun ab, welche Auflagen wir erhalten", sagt Albrecht, der das Landratsamt zu einem Gespräch geladen hat. Dessen Sprecherin Hartmann betont, dass es keine Zusage zum Alkoholkonsum gebe. Albrecht kündigt schon an: "Wenn die Auflagen rechtswidrig sind, gehen wir dagegen vor."
Bürgermeister Joachim Förster lehnt "Glühwein-Demo" ab

Nußloch. (cm) "Wenn wir entscheiden dürften, dann hätten wir das nicht genehmigt", sagt Bürgermeister Joachim Förster über die geplante "Glühwein-Demo". "Die Versammlung wurde zwar auch bei uns angemeldet, zuständig ist aber nicht die Gemeinde, sondern das Landratsamt des Rhein-Neckar-Kreises." Dieses habe die Versammlung nach seinem Rechtsempfinden zunächst "richtigerweise abgelehnt", so Förster. Der Rathauschef betont, dass er die Gruppierung der Benzenickelbasarfreunde nicht kennt.
"Wir werden die Einhaltung der Auflagen als Ortspolizeibehörde zusammen mit der Polizei kontrollieren müssen, wenn die Versammlung stattfindet", so Förster. Dabei werde sich die Gemeinde eng mit dem Landratsamt abstimmen. "Ich werde auch kommen und mir das anschauen", sagt Förster. "Wir sind gespannt, wie es weitergeht."
Der Bürgermeister betont, dass jeder demonstrieren darf. "Man kann sich aber über den Grund streiten", meint er. "Ich sehe es entspannt, wenn sich alle an die Regeln halten, die wir aufstellen." Allerdings hat Förster eine klare Meinung: "Ich finde so etwas in der jetzigen Zeit unnötig und respektlos gegenüber allen Leuten, die mit Corona zu tun haben", betont er. "Das ist kontraproduktiv."