Neckar-Odenwald-Kreis

"Man begleitet die Menschen ein Leben lang"

Lisa Schneider und Christina Egner wollen Landärztinnen werden. Sie schätzen den familiären Umgang mit den Patienten.

06.11.2020 UPDATE: 07.11.2020 06:00 Uhr 4 Minuten, 15 Sekunden
Mithilfe des Landarzt-Stipendiums soll die medizinische Versorgung der Bürger zukunftssicher aufgestellt werden. Unser Foto zeigt das Krankenhaus Buchen. Foto: Tanja Radan

Von Tanja Radan

Neckar-Odenwald-Kreis. In ländlichen Regionen können die Menschen nicht mehr davon ausgehen, dass es in ihrer Gemeinden einen Hausarzt gibt, dessen Praxis sie zu Fuß erreichen können. Hausärzte, die in den Ruhestand gehen, tun sich mitunter schwer, für ihre Praxis einen Nachfolger zu finden. Damit sich dies ändert, hat der Landkreis das Landarzt-Stipendium ins Leben gerufen. Zwei Medizinstudentinnen haben das Stipendium bereits bekommen und möchten dazu beitragen, die ärztliche Versorgung auf dem Land zu verbessern. Wir haben uns mit Lisa Schneider und Christina Egner über das Stipendium, das Leben als Landarzt und ihre Zukunftspläne unterhalten.

Viele junge Ärzte wollen in die Metropolen gehen, Sie haben sich jedoch für das Landarzt-Stipendium beworben. Was reizt Sie an der Arbeit als Landärztin?

Lisa Schneider plant, sich im Landkreis als Hausärztin niederzulassen. Foto: Tanja Radan

Lisa Schneider: Ich bin hier aufgewachsen und könnte mir ein Leben in der Stadt nicht vorstellen. Ich genieße es, die Natur direkt vor der Haustüre zu haben. Ich will Landärztin werden, weil ich den familiären Umgang mit den Patienten sehr schätze. Man begleitet die Menschen teilweise ein Leben lang und bekommt dadurch einen persönlicheren Kontakt.

Christina Egner studiert in Mainz und will im Neckar-Odenwald-Kreis arbeiten. Foto: Tanja Radan

Christina Egner: Ich bin im Neckar-Odenwald-Kreis geboren und aufgewachsen. Ich bin hier immer noch sehr stark verwurzelt. Meine Familie und viele meiner Freunde leben dort. Für mich war es eigentlich schon immer klar, dass ich wieder zurück aufs Land in meine Heimat möchte. Die Zusammenarbeit mit den Kollegen und Patienten ist nicht so anonym wie in den städtischen Gebieten. Es ist einfach alles in allem eine familiärere Atmosphäre. Außerdem möchte ich meinen Teil dazu beitragen, dem Ärztemangel im Neckar-Odenwald-Kreis entgegenzuwirken, denn die Menschen und der Landkreis liegen mir sehr am Herzen.

Auch interessant
Baden-Württemberg: Das Landarzt-Leben wird schmackhaft gemacht
Baden-Württemberg: Die Landarzt-Quote wird konkret - und die hohen Strafen auch
Landarzt-Stipendium: Nicht jeder wird einen Nachfolger finden
Baden-Württemberg: Regierung will mit neuem Konzept für "Landarzt 2.0" werben
Neckar-Odenwald-Kreis: Mediziner-Netzwerk soll Nachwuchs auf dem Land sichern  (plus Download)

Wie sind Sie auf das Stipendium aufmerksam geworden, und wie ist der Auswahlprozess verlaufen?

Schneider: Da ich in Ungarn studiere und das Studium sehr kostenintensiv ist, war ich seit längerer Zeit schon auf der Suche nach Unterstützung. Mein Vater war im Januar auf einer Sitzung, wo dieses Projekt vorgestellt wurde. Natürlich hat er sich direkt die Visitenkarte der zuständigen Kreisentwicklerin Lisa-Marie Bundschuh geschnappt und ich habe mich am nächsten Tag direkt bei ihr gemeldet. Sie hat mir dann alle weiteren Infos zum Bewerbungsprozess zukommen lassen.

Egner: Ich habe es durch einen Zeitungsartikel erfahren und habe mich dann direkt darauf beworben. Das Auswahlgespräch fand in den Neckar-Odenwald-Kliniken in Mosbach statt, dort konnte man sich persönlich kennenlernen und über das Stipendium austauschen. Die Zusage kam dann eine Woche später per Post, worüber ich mich sehr gefreut habe.

Wir werden Sie als Stipendiatinnen unterstützt und betreut?

Schneider: Wir werden nicht nur finanziell unterstützt, sondern auch bei allen möglichen Fragen rund um das praktische Jahr und die Facharztausbildung. Ich denke, wenn sich das Mediziner-Netzwerk mal richtig entwickelt hat, kann es auch zu einer guten Anlaufstelle für Medizinanfänger und Interessierte sein.

Egner: Wir werden finanziell unterstützt, aber auch in anderen Aspekten, wie zum Beispiel bei Fragen rund ums praktische Jahr, die Facharztausbildung oder fachlichen Fragen. Außerdem stehen wir in engem Kontakt mit Lisa-Marie Bundschuh, die uns immer mit Rat und Tat zur Seite steht.

Wer ein Landarzt-Stipendium bekommt, verpflichtet sich: Stipendiaten müssen nach der Approbation so lange als Ärzte arbeiten, wie das Stipendium bezogen wurde, oder ihre Facharztausbildung im Landkreis absolvieren. Eine weitere Bedingung für die finanzielle Unterstützung ist, dass das praktische Studienjahr im Kreis absolviert wird. Welchen Weg wollen Sie einschlagen?

Schneider: Ich starte im Juni 2021 in mein praktisches Jahr und werde es überwiegend in der Neckar-Odenwald-Klinik am Standort Buchen absolvieren. Durch vorherige Praktika kenne ich schon einige Kolleginnen und Kollegen – was den Start schon mal erleichtert. Danach werde ich meinen Facharzt für Allgemeinmedizin anstreben.

Egner: Ich werde einen Teil meines praktischen Jahres an der Universitätsmedizin in Mainz absolvieren, wo ich auch momentan im 8. Semester studiere. Den anderen Teil werde ich in den Neckar-Odenwald-Kliniken absolvieren. Ich möchte entweder einen Teil, oder – wenn möglich – meine gesamte Facharztausbildung im Neckar-Odenwald-Kreis absolvieren. Nach meiner Facharztausbildung möchte ich nach Möglichkeit auch weiter im Neckar-Odenwald-Kreis arbeiten, entweder in einem Krankenhaus oder in einer Praxis, das steht im Moment noch nicht endgültig fest.

Eine weitere Bedingung für die finanzielle Unterstützung ist, dass die Stipendiaten ihr praktisches Studienjahr im Neckar-Odenwald-Kreis absolvieren. Wissen Sie schon, wo Sie das Praxisjahr absolvieren werden?

Schneider: Mein praktisches Jahr werde ich überwiegend im Standort Buchen absolvieren. Durch vorherige Praktika kenne ich schon einige Kolleginnen und Kollegen was den Start schon mal erleichtert.

Egner: Ich würde gerne einen Teil meines praktischen Jahres in der Gynäkologie und Geburtshilfe und den anderen Teil in der Chirurgie absolvieren – beides in den Neckar-Odenwald-Kliniken.

Man hofft, dass Ärzte auch nach dieser Zeit im Landkreis arbeiten. Wie sehen Ihre langfristigen Pläne aus?

Schneider: Einmal Landei, für immer Landei – ich werde definitiv hier bleiben! Ich schließe im Juni 2022 das Studium ab und werde den Facharzt für Allgemeinmedizin beginnen, um mich später als Hausärztin im Umkreis zwischen Buchen und Hardheim niederzulassen.

Egner: Ich könnte mir definitiv vorstellen, auch langfristig im Neckar-Odenwald-Kreis zu bleiben. Im Moment strebe ich ein chirurgisches, beziehungsweise operatives Fach an, aber auch die Gynäkologie und Geburtshilfe könnte ich mir sehr gut vorstellen.

Das Stipendium soll dem drohenden Hausärztemangel entgegenwirken. Woran liegt es aus Ihrer Sicht, dass viele Hausärzte, die in den Ruhestand gehen, keinen Nachfolger finden?

Schneider: Junge Leute zieht es in die Stadt, da natürlich die Freizeitangebote attraktiver sind. Einige möchten auch eine Karriere an einem Universitätsklinikum einschlagen. Auch die große Verantwortung, eine Praxis zu übernehmen und die hohe Arbeitsbelastung schrecken viele aufstrebende Mediziner ab. Man sollte sich vor Augen halten, welche Vorteile ein Leben auf dem Land bringt. Nicht nur die Natur direkt vor der Haustüre, sondern man kennt sich untereinander, Patienten sowie Kollegen. Falls man Familie möchte, hat das Landleben viele Vorteile zu bieten und auch die Immobilienpreise sind noch günstiger als in der Stadt.

Egner: Ich denke es ist schwierig, einen Nachfolger zu finden, da viele junge Kollegen eher in der Stadt arbeiten möchten. Für die meisten ist es schwer, sich ein Leben und Arbeiten auf dem Land vorzustellen, wenn sie bislang nur das Leben in der Stadt gewohnt sind. Desweiteren haben viele auch Bedenken bezüglich der hohen Investitionskosten, die eine Praxisübernahme mit sich bringt, man hat mehr Verpflichtungen als ein angestellter Arzt. Außerdem hat man viele zusätzliche Aufgaben wie beispielsweise IT und ein kompliziertes Abrechnungssystem. Die Medizin entwickelt sich stets weiter, dies erfordert auch Investitionen in Technologie und Equipment, was wiederum mit hohen Kosten und damit mit einem finanziellen Risiko verbunden ist. Ein weiterer Punkt der Bedenken schafft ist, dass man in einer Landarztpraxis eher auf sich alleine gestellt ist, in einer Klinik ist man immer ein Team aus vielen Kollegen, auch unterschiedlicher Fachrichtungen, was ein interdisziplinäres Arbeiten ermöglicht.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.