Heidelberg

Wie Pfarrer Hermann Maas nach Kriegsende das Leben in der Stadt prägte

Freundschaft zur jüdischen Gemeinde - Sorge um Heidelberg - "Einer der ganz Großen"

25.09.2020 UPDATE: 27.09.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 57 Sekunden
Gelebte Völkerverständigung: Der protestantische Pfarrer Hermann Maas 1965 im Gespräch mit einer jungen Israelin. Maas war zu diesem Zeitpunkt selbst schon mehrfach in den jungen Staat gereist – als erster Deutscher auf Einladung der Regierung. Foto: Ballarin

Von Julia Lauer

Heidelberg. Pfarrer Hermann Maas (1877-1970) setzte sich Zeit seines Lebens für die Ökumene ein, er verhalf jüdischen Mitbürgern während der Herrschaft der Nationalsozialisten zur Ausreise, später machte er sich für die Beziehungen zwischen Deutschland und Israel stark. Wir dokumentieren sein Wirken in Heidelberg nach dem Zweiten Weltkrieg – anhand der Berichterstattung dieser Zeitung.

> Zur Aufgabe der Kirchen in der Welt, Oster-Ausgabe 1946: Die Entnazifizierung hatte begonnen, der Staat Israel war noch nicht gegründet, als Hermann Maas auf der Titelseite der RNZ einen großen Aufsatz anlässlich des Osterfests verfasste. Der Geist der Versöhnung trage dazu bei, andere wahrzunehmen, schrieb Maas – über Kirchengrenzen hinaus. "Darin müssen die Kirchen heute den Völkern vorangehen. Das ist der neue Sinn und Aufbruch der ökumenischen Bewegung." Auch auf die Not des jüdischen Volkes wies er hin. Nach den zurückliegenden Verbrechen sollten wir uns "in herzlicher Liebe des jüdischen Volkes annehmen, daß seine Not gelindert, seine Tränen getrocknet werden und sein gehetztes Wandern ein Ende finde". Maas verfasste weitere Gastbeiträge für die RNZ.

> Weihe zum Kreisdekan, RNZ vom 15. Oktober 1946: Als Maas sein neues Amt antrat, fanden die Feierlichkeiten in der Christuskirche statt. Die Heiliggeistkirche, an der er von 1915 bis 1943 Pfarrer gewesen war, befand sich im Umbau. Hunderte Menschen aus allen Stadtteilen und aus der Umgebung kamen zu der Feier, die Kirche war bis zum letzten Platz besetzt. Wäre seine Berufung "nur ein Akt kirchenbeamtlicher Beförderung, es wäre wohl kaum so warme lebendige Anteilnahme spürbar gewesen", hieß es in der RNZ. Nun freuten sich die Menschen mit dem neuen Dekan. Viele könnten sich ihren Pfarrer "aus dem kirchlichen Leben unserer Stadt nicht fortdenken", schrieb die RNZ weiter.

> Ehrendoktor der Theologischen Fakultät, RNZ vom 7. August 1947: Verständigung zwischen den Kirchen, den Religionen und den Völkern – die RNZ nahm die aktuelle Würdigung zum Anlass, um auf Maas’ bisheriges Engagement zurückzublicken. Der Ökumene habe er den besten Teil seines Lebens geopfert, ist dort zu lesen. "Als vor wenigen Tagen die Alte Brücke Heidelbergs wieder entstand, da ging unter den Ersten auch Hermann Maas über ihre ehrwürdige Straße. Vielleicht passt dieser Brückengang zu seinem ökumenischen Lebenswerk."

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> Bericht zu seiner Israel-Reise, RNZ vom 23. Juni 1950: Als erster Deutscher wurde Maas im Frühjahr 1950 zu einem längeren Staatsbesuch nach Israel eingeladen. Einige Wochen nach seiner Rückkehr sprach er im "Internationalen Presseklub Heidelberg" über die Reise – er berichtete von der verhältnismäßig großen Zahl an Einwanderern in das kleine Land, von Durchgangslagern, bescheidenen Lebensmittelrationen, harter Arbeit, von der hebräischen Sprache, die damals fast nur Schulkinder beherrschten. "Was Kreisdekan Maas an persönlichen Eindrücken vermittelte, war enorm", befand die RNZ. "Der Bericht von Hermann Maas war wichtiger als mancher hochoffizielle geistige Festakt in der Aula einer Universität."

> Ehrenbürgerschaft der Stadt Heidelberg, RNZ vom 6. August 1952: Dass Hermann Maas Ehrenbürger der Stadt Heidelberg wurde, ging auf einen einstimmigen Beschluss des Stadtrats zurück. Damit würdigte das Gremium seine Verdienste als Seelsorger in der Altstadt und seine Unterstützung der Verfolgten. Maas erhielt die Urkunde von Bürgermeister Josef Amann an seinem 75. Geburtstag in der Beethovenstraße, wo er wohnte. "Das hätte ich mir nie träumen lassen", freute sich Maas. Aber er wies bei dieser Gelegenheit auch auf Probleme Heidelbergs hin, auf "dunkle Hinterhöfe, die Dachwohnungen und mancherlei Elend". Unter den Gratulanten war auch Landesrabbiner Robert Raphael Geis. Er teilte mit, dass ein Wald in der Nähe von Nazareth fortan Maas’ Namen trage.

> Maas’ Tod, RNZ vom 28. September 1970: Dass Hermann Maas im Alter von 93 Jahren bei einem Verwandtschaftsbesuch in Mainz gestorben sei, meldete die RNZ auf der Titelseite. Auf Seite drei erfuhren die Leser mehr. "Krank war er vorher nicht gewesen, am Abend vor seinem Tod war er noch fröhlich und vergnügt." Seine sterblichen Überreste würden nach Heidelberg überführt. "In der Heiliggeistkirche wird er in dieser Woche aufgebahrt. Die Beerdigung findet auf seinen Wunsch in Handschuhsheim statt." In den Tagen darauf folgten weitere Berichte. "Wie haben wir ihn geliebt!", schrieb der Landesrabbiner Nathan Peter Levinson in einem Nachruf. Noch drei Wochen zuvor habe Maas die jüdische Gemeinde Heidelberg besucht.

> Maas’ Beerdigung, RNZ vom 2. Oktober 1970: Um 11 Uhr begann in der völlig überfüllten Heiliggeistkirche die Trauerfeier. Die Psalmen und Lieder hatte Maas selbst gewählt. Oberbürgermeister Reinhold Zundel hielt eine Ansprache, in der er auch an Maas’ Eintreten für die Gründung des Stadtteils Pfaffengrund erinnerte. Er habe Nächstenliebe nicht nur gepredigt, sondern auch gelebt, fasste die RNZ zusammen. "Jeder schien sich bewusst zu sein, dass mit Hermann Maas einer der ganz Großen dahingegangen war."

Info: Ein Festgottesdienst zum 50. Todestag von Hermann Maas findet am Sonntag um 11 Uhr in der Heiliggeistkirche statt.

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