Immobilienaffäre Mannheim

GBG sieht Schuld bei sich und entlastet Nikolas Löbel (Update)

Mieter in GBG-Wohnungen untergebracht - Interne Arbeitsanweisung des Unternehmens verbietet das - Stadtrat weist Vorwürfe politischer Einflussnahme zurück

17.09.2020 UPDATE: 25.09.2020 19:39 Uhr 5 Minuten, 16 Sekunden
Dieses Mehrfamilienhaus in der Käfertaler Straße im Stadtteil Neckarstadt-Ost hat Nikolas Löbel im vergangenen Jahr gekauft und aufwendig sanieren lassen. Foto: Dorn

Mannheim. (alb) Der CDU-Bundestagsabgeordnete Nikolas Löbel hat bei der Anmietung von zwei sogenannten Drehscheibenwohnungen der GBG "zu keinem Zeitpunkt" politisch Einfluss genommen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Compliance-Untersuchung einer internen Beauftragten des Unternehmens und einer Rechtsanwaltskanzlei. Löbels Namen nannte GBG-Chef Karl-Heinz Frings in einer Mitteilung zwar nicht.

Gleichzeitig teilte er aber mit, dass Mitarbeiter bei der Vermietung gegen interne Regeln verstoßen hätten. Drehscheibenwohnungen dürfen lediglich GBG-Mieter übergangsweise nutzen, wenn ihre eigentlichen Wohnungen saniert werden oder es dort zu einem Schaden kam. Dennoch konnte Löbel zwei seiner Mieter auf eigene Kosten in diesen Wohnungen "einquartieren", während er sein 2019 erworbenes Mehrfamilienhaus in der Neckarstadt-Ost sanierte (die RNZ berichtete). Das löste eine Debatte aus, die sich auch daran entzündete, dass der Abgeordnete einem der beiden Mieter kurz nach dem Umzug in die GBG-Wohnung fristlos kündigte. Der Mann erwirkte zwar eine einstweilige Verfügung dagegen, doch hatte Löbel bereits die Schlüssel ausgewechselt und und die Wohnung an eine WG vermietet. Zudem hatte Löbels Anwalt, CDU-Gemeinderatsfraktionschef und GBG-Aufsichtratsmitglied Claudius Kranz, dem Mieter eine dauerhafte Anmietung in der Immobilie der städtischen Gesellschaft angeboten.

Dies lässt sich laut Frings jedoch nicht belegen. Er kündigte an, dass die GBG ihre Compliance-Vorschriften verschärfe. Anfragen von Amtsträgern wie Löbel müssten künftig über seinen Tisch oder den des Prokuristen laufen. Eine seriöse abschließende Bewertung des Sachverhalts und möglicher Konsequenzen sei erst nach Vorliegen des Compliance-Berichts möglich, sagte Frings. Man habe lediglich festgestellt, dass Regelungen nicht eingehalten wurden und keinem Dritten ein Fehlverhalten unterstellt.

"Der GBG-Bericht bestätigt unmissverständlich, dass Nikolas Löbel sich jederzeit korrekt verhalten hat. Die Vorwürfe gegen ihn erweisen sich daher als haltlose Unterstellungen", erklärte Thomas Hornung, persönlicher Referent des Bundestagsabgeordneten, in einer ersten Reaktion. 

Update: Freitag, 25. September 2020, 19.39 Uhr

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Von Alexander Albrecht

Mannheim. Ist der "private" Nikolas Löbel ein raffgieriger Vermieter, der einen Mann nach knapp 40 Jahren aus seiner Wohnung geworfen hat, um den großen Reibach zu machen? Hat der CDU-Stadtrat und Bundestagsabgeordnete seine politische Stellung dazu missbraucht, den unbequemen Mieter in einem Haus der GBG unterzubringen, obwohl das die internen Statuten der städtischen Wohnungsbaugesellschaft verbieten?

Bundestagsabgeordneter Nikolas Löbel. Foto: Gerold

Es stehen schwere Vorwürfe gegen den 34-jährigen Löbel im Raum, er selbst wittert eine Kampagne und sieht bei sich kein Fehlverhalten. Das linke Lager schreit Zeter und Mordio, und die GBG gibt keine glückliche Figur ab. Die ganze Geschichte.

Löbel hat im Juli vergangenen Jahres in der Neckarstadt-Ost ein Mehrfamilienhaus gekauft, dessen damaligen Zustand er als "heruntergekommen" bezeichnet. Die Immobilie hat einen schon lange Zeit leer stehenden Gaststättenbereich und acht Wohnungen, von denen wiederum lediglich drei vermietet sind. Löbel will das denkmalgeschützte Haus aufwendig sanieren lassen. Dazu müssen aber die drei Mietparteien zwischenzeitlich raus. Eine streicht freiwillig die Segel und sucht sich eine neue Wohnung. Für die anderen Mieter muss Löbel dagegen eine Bleibe suchen, darunter auch für einen Mann, den wir Walter K. nennen. Er lebt seit rund 40 Jahren in dem Gebäude in der Käfertaler Straße.

Was Löbel beim Hauserwerb nicht weiß, wie er gegenüber der RNZ betont: Schon der Vor-Vermieter hatte mächtig Ärger mit Walter K., der bis dato vier Euro pro Quadratmeter – insgesamt 83 – Miete zahlt. "Ich habe die Rechtsstreitigkeiten mit dem Mann übernommen", berichtet Löbel. So soll der Schornsteinfeger nur mit Hilfe der Polizei und der Feuerwehr in K.s Wohnung gelangt sein.

Löbel recherchiert nach eigenen Angaben im Internet und stößt auf die GBG, die zehn Ferienwohnungen in ihrem Bestand hat. "In diesen werden über einen kurzen Zeitraum Menschen untergebracht, die Angehörige oder Freunde in Mannheim besuchen", sagt Unternehmenssprecher Heiko Brohm.

GBG-Chef Karl-Heinz Frings. Foto: Gerold

Diese Info habe auch er, Löbel, erhalten, als er – "als Bürger dieser Stadt" – telefonisch bei einem GBG-Mitarbeiter vorstellig wird, der ihm zuvor völlig unbekannt gewesen sei. Dafür habe der Angestellte sogenannte Drehscheibenwohnungen ins Spiel gebracht. Was der Mitarbeiter aber eigentlich nicht darf. Denn laut GBG-Geschäftsführer Karl-Heinz Frings stehen die Drehscheibenwohnungen nach einer internen Anweisung lediglich Mietern der Wohnungsbaugesellschaft zur Verfügung.

Etwa dann, wenn die Bewohner zuvor unverschuldet in eine Notsituation geraten sind, zum Beispiel bei einem Brand oder Wasserrohrbruch beziehungsweise im Falle einer Sanierung. Die zu diesem Zweck 175 freigehaltenen Wohnungen dienten während der Corona-Pandemie auch dazu, besonders zu schützende Menschen kurzfristig unterzubringen.

Trotzdem kann Löbel, der Vorwürfe einer politischen Einflussnahme scharf zurückweist, kurz vor Ausbruch des Virus "seine" beiden Mieter in vollständig möblierten Drehscheibenwohnungen unterbringen. Die Kosten dafür trägt der Abgeordnete: 975 beziehungsweise 750 Euro monatlich.

Hintergrund

SPD, Grüne und Linke kritisieren Löbel, aber auch Kranz: "Das Gegenteil von dem, was er versprochen hat"

Die "Causa Löbel" und das Verhalten der GBG haben in Mannheim mächtig Staub aufgewirbelt. SPD, Linke und Grüne üben heftige Kritik und fordern

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SPD, Grüne und Linke kritisieren Löbel, aber auch Kranz: "Das Gegenteil von dem, was er versprochen hat"

Die "Causa Löbel" und das Verhalten der GBG haben in Mannheim mächtig Staub aufgewirbelt. SPD, Linke und Grüne üben heftige Kritik und fordern Aufklärung. "Unfassbar" nennen die Genossen in der SPD Neckarstadt-Ost die "momentanen Vorgänge". Sie werfen Löbel vor, Preise weit oberhalb des Mietspiegels zu verlangen und Wohnraum für Airbnb angesichts des angespannten Wohnungsmarkts im Stadtteil zu zweckentfremden.

Sollte ihm hinter den Kulissen sein Anwalt und GBG-Aufsichtrat Claudius Kranz dabei geholfen haben, Mieter zwischenzeitlich in Drehscheibenwohnungen unterzubringen, "wäre das ein Skandal", sagte SPD-Ortsvereinschef Sascha Brüning laut einer Mitteilung, "und ein Schlag ins Gesicht" jeden Bürgers, der auf der Warteliste für eine Wohnung der städtischen Tochtergesellschaft stehe.

SPD-Stadtrat Reinhold Götz fordert lückenlose Aufklärung und maximale Transparenz. Bestätigten sich die Vorwürfe gegen Löbel und Kranz, nehme die Glaubwürdigkeit der Mannheimer Politik massiven Schaden und müsse personelle Konsequenzen nach sich ziehen. Dass der CDU-Bundestagsabgeordnete eine links-grüne Kampagne vermute und eine Veranstaltung mit dem "fast schon höhnischen Titel ,Welche Miete ist gerechtfertigt oder doch überhöht’" bewerbe, zeuge von fehlendem Feingefühl und Unrechtsbewusstsein.

Inhaltlich ähnlich, aber im Ton etwas moderater äußern sich die Grünen. Kritisch beäugen sie auch die Rolle von Claudius Kranz, der behauptet hatte, dass die GBG den von Löbel "verdrängten" Mieter dauerhaft in einer GBG-Wohnung unterbringen könne. Spätestens an dieser Stelle hätte Kranz als Aufsichtsratsmitglied der Wohnungsbaugesellschaft seinen Mandaten stoppen müssen, monieren die Grünen.

"Das gesamte Vorgehen von Nikolas Löbel als Immobilienbesitzer, Stadtrat und Bundestagsabgeordneter ist wenig geeignet, der Politik der Stadt bei der Beschaffung von bezahlbarem Wohnraum Vertrauen zu verschaffen", sagte Grünen-Stadtrat Gerhard Fontagnier.

Die Linke verlangen von Kranz, sein Aufsichtsratsmandat bei der GBG niederzulegen. Und in Richtung Löbel: "Es ist schon dreist genug, dass ein CDU-Politiker, der im Bundestagswahlkampf vollmundig Werbung für mehr bezahlbaren Wohnraum gemacht hat, nun das Gegenteil dessen macht, was er versprochen hat. Zum einen vermietet Löbel Wohnungen zu höchstmöglichen Preisen, zum anderen trägt er zur Verknappung von Wohnraum bei, indem er Wohnungen zur gewerblichen Nutzung beispielsweise Airbnb überlässt", sagte Dennis Ulas, Linken-Bezirksrat in der Neckarstadt-Ost.

Die Methoden, mit denen der CDU-Mann versuche, "die maximale Rendite" aus dem Objekt in der Käfertaler Straße zu erwirtschaften, zeige auch seine Sichtweise auf den Wohnungsmarkt, kommentierte der Mannheimer Mieterverein. "Das ist ein Vorgehen, das wir in der Stadt selten so erlebt haben." (alb)

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Zwei Tage später kündigt Löbel Walter K. die alte Wohnung. "Fristlos und fristgemäß", wie er sagt. Walter K. habe zunächst einen Teil der Wohnungsschlüssel freiwillig abgegeben, bei einem Ortstermin jedoch seine Familie beleidigt und denunziert – "und da kenne ich keinen Spaß". Dennoch habe er während der Renovierung ständig Zugang zu seiner Wohnung gehabt und sei auch fast täglich vorbeigekommen, um die Post zu abzuholen. Die Immobilie in der Käfertaler Straße wird Ende Januar/Anfang Februar saniert, ein Teil der Habseligkeiten des Mieters in einer Garage zwischengelagert.

Löbel schafft aus den acht Wohnungen zehn, die Quadratmeterpreise liegen ihm zufolge zwischen 7,50 und 14 Euro. Letzteren Preis verlangt er von Studenten. "Das kann ich damit rechtfertigen, dass die Zimmer von mir vollständig eingerichtet wurden inklusive Schreibtischen, Betten, Lampen und Einbauküchen", so Löbel. Inzwischen sei das Haus vollvermietet – und somit auch Walter K.s Wohnung, in der seit 1. August eine WG lebt. Vier Wohnungen vermietet Löbel unbefristet an eine Agentur, die diese wiederum an Online-Portale wie Airbnb vermittelt. "Ich brauche eine bestimmte Rendite, um Zins und Tilgung bedienen zu können", sagt der CDU-Kreischef.

Monate vorher, Anfang März, kann das Walter K. nicht ahnen. Der 66-Jährige reicht Prozesskostenhilfe für eine Klage ein. Er will die außerordentliche Kündigung vom 29. Januar nicht hinnehmen und seine alte Wohnung behalten. Das Verfahren am Amtsgericht läuft noch. Weil Löbel dem Mieter im Juli den Zugang zu der Wohnung in der Käfertaler Straße verwehrt, beantragt Walter K. beim Amtsgericht eine einstweilige Verfügung, insbesondere die Herausgabe der Schlüssel.

Löbel-Anwalt Claudius Kranz. Foto: Gerold

Juristisch vertreten wird Löbel von seinem Parteifreund Claudius Kranz, Vorsitzender der CDU-Fraktion im Gemeinderat und Aufsichtsratsmitglied bei der GBG. Den Posten hatte zuvor Löbel inne. Noch vor dem Urteil behauptet Kranz laut einem Medienbericht, die Wohnungsbaugesellschaft habe angeboten, dass Walter K. die GBG-Wohnung dauerhaft anmieten könne, gegebenenfalls unmöbliert. Löbel würde die Kosten für den Umzug der eingelagerten Möbel übernehmen und eine Ablösesumme an den Mieter zahlen.

Das Amtsgericht gibt in seinem Urteil vom 7. August Walter K. Recht und erlässt die einstweilige Verfügung. Der Richter wundert sich, warum Löbel die Wohnung an die WG vermietet und übergeben hat, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch andere Wohnungen frei gewesen wären. Das habe der CDU-Mann bei der Verhandlung eingeräumt. Löbel sei "planvoll und sehenden Auges" vorgegangen, kritisiert der Richter. Dabei habe er gewusst, dass Walter K. Härtegründe anführte und unbedingt in seine Wohnung zurückkehren wollte.

Das Schloss hat Löbel allerdings auswechseln lassen. Er und Kranz haben gegen das Urteil Berufung beim Mannheimer Landgericht eingelegt. Löbel hat die Vereinbarung mit der GBG über die Ersatzwohnung von Walter K. bis zum 31. Oktober verlängert. Der andere Mieter ist von der GBG-Wohnung in die Käfertaler Straße 89 zurückgekehrt. "Er hat Bestandsschutz und zahlt 7,50 Euro pro Quadratmeter", erklärt Löbel.

Die GBG will sich die Richterschelte nicht zu eigen machen, betont Brohm. Aktuell werde der Vorgang aufgearbeitet. Die Revisionsabteilung hat eine erste Einschätzung verfasst und an die Compliance-Beauftragte des Unternehmens übergeben. Sie prüft, ob sich der Mitarbeiter regeltreu verhalten hat. Mögliche Verstöße aufklären soll zudem eine von der GBG beauftragte Rechtsanwaltskanzlei. "So lange uns keine Ergebnisse vorliegen, werden wir zum Schutz der involvierten Mitarbeiter keine weitere Stellungnahme mehr abgeben", sagt Brohm.

Löbel vermutet Kommunikationsfehler der Firmenleitung. Offenbar gebe es eine andere Interpretation zu dem, wie die Angestellten in seinem Fall vorgegangen seien. Er hätte sich gewünscht, dass sich Frings "vor seine Leute" gestellt und sich bei ihm entschuldigt hätte. "Ich habe schließlich nichts falsch gemacht." Er sieht sich als Opfer einer Kampagne der Mannheimer Linken, zwei ihnen nahestehenden Blogs und der Grünen. Der ebenfalls unter Beschuss geratene Claudius Kranz nennt Korruptionsvorwürfe gegen ihn unhaltbar. Er habe keine eigenen Vorteile erlangt und sei bei der Anmietung von GBG-Wohnungen nicht beteiligt gewesen.

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