Ruhige Architektur machte das Rennen für das neue Stadthaus
Gemeinderat einigte sich auf Entwurf - Barock-Elemente und Klinker überzeugten nicht

Von Thomas Frenzel
Leimen. Die Würfel sind gefallen – zumindest aus Sicht der Kommunalpolitik und der sie begleitenden Stadtplanung: Mit einhelligem Votum folgte der Gemeinderat der Empfehlung des Bewertungsgremiums, das sich in den vergangenen Monaten mit den Entwürfen befasst hatte, die im Zuge eines sogenannten "Anbieter-Auswahlverfahrens" zur Bebauung am innerstädtischen Rathausplatz eingereicht worden waren. Vorgabe war, dass sich die Entwürfe an den städtebaulichen Wettbewerb aus dem Jahre 2008 hielten. Der sieht ein L-förmiges Stadthaus vor, das zum einen die Gebäudeachse des historischen Rathauses aufgreift und auf der Fläche der jetzigen Autoabstellfläche den Rathausplatz auch gegenüber der oberhalb gelegenen Bürgermeister-Lingg-Straße einfasst.
Hintergrund
Das Anbieter-Auswahlverfahren für den Bau eines Stadthauses am Rathausplatz ist abgeschlossen. Geht es nach dem Wunsch des Gemeinderats, kommt die Bewerbergemeinschaft aus der Paulus Wohnbau GmbH aus Pleidelsheim und den Bodamer Faber Architekten aus Stuttgart zum Zug
Das Anbieter-Auswahlverfahren für den Bau eines Stadthauses am Rathausplatz ist abgeschlossen. Geht es nach dem Wunsch des Gemeinderats, kommt die Bewerbergemeinschaft aus der Paulus Wohnbau GmbH aus Pleidelsheim und den Bodamer Faber Architekten aus Stuttgart zum Zug (vergleiche weiterer Artikel). Und das waren Stimmen dazu:
> Oberbürgermeister Hans D. Reinwalderachtete die Ratsentscheidung als einen "sehr großen Schritt für Leimen". In Anspielung auf das Bürgerbegehren, das vor vier Jahren den von ihm propagierten Hotel-Festhallen-Komplex scheitern ließ, sprach er von einem "sehr langen Weg, der zu großer Einmütigkeit geführt hat". Wenn alles laufe wie geplant, könnte das Jahr 2021 für die konkrete Planung von Stadthaus und Quartiersgarage unter dem Turmschulhof genutzt und "im optimalen Fall" im Frühjahr 2022 mit dem Bau begonnen werden: "Das ist unsere Hoffnung."
> Michael Reinig (GALL) zollte – wie alle Redner – ein herzliches Dankeschön an KE-Vertreter Jan Currle, der Leimens Stadtkernsanierung von Anfang an begleitet. Der aktuelle Siegerentwurf entspreche am ehesten den Vorgaben des städtebaulichen Wettbewerbs vor zwölf Jahren. Der Entwurf selbst sorge für ein kleines Déjà-vu-Erlebnis: Er stammt von denselben Architekten, die schon den Hotel-Festhallen-Bau geplant hatten. Nachzuverhandeln, so Reinig weiter, sei das Energiekonzept für dieses Stadthaus.
> Richard Bader (CDU) zeigte sich überzeugt von dem "städtebaulich sensiblen Konzept". Der Entwurf zeuge von einem "sehr guten Umgang mit den umliegenden, teils denkmalgeschützten Gebäuden" und werde zu einer Belebung des Stadtkerns beitragen.
> Britta Kettenmann (FW) würdigte die gute Atmosphäre im Bewertungsgremium: "Alle wollen das Beste für Leimen und der Siegerentwurf ist einfach das Beste für Leimen."
> Alexander Hahn (FDP), der dem Bürgerbegehren vor vier Jahren seine Stimme verliehen hatte, sah in der aktuellen Entscheidung den Beleg dafür, dass "Bürgerbeteiligung keine Last darstellt, sondern für Verbesserung sorgt".
> Peter Sandner (SPD) würdigte bei dem Siegerentwurf die architektonische Zurückhaltung gegenüber dem historischen Rathaus genauso wie die gestalterische Angleichung an das neue Rathaus. Eher skeptisch äußerte er sich zu dem geplanten Zeitstrahl einer Stadthausverwirklichung: "Ich hoffe, dass wir diesen Zeitplan einhalten können." (fre)
Dass es bei diesen Vorgaben und nach dem vor vier Jahren an einem Bürgerbegehren gescheiterten Versuch eines Hotel-Festhallen-Projekts gar nicht so einfach war, Interessenten für eine Bebauung zu finden, machte Jan Currle deutlich. Namens der LBBW Immobilien Kommunalentwicklung GmbH (KE) begleitete er auch das erwähnte Anbieter-Auswahlverfahren. Zumindest zahlenmäßig war dessen Ergebnis ernüchternd: Von insgesamt 230 Investoren, die wegen eines Angebots angeschrieben worden waren, hatten lediglich 14 reagiert. Eingereicht wurden letztendlich drei Entwürfe. "Nur drei", merkte Currle vielsagend an.
> Der Siegerentwurf stammt von der Bewerbergemeinschaft "Paulus Wohnbau GmbH (Pleidelsheim) mit Bodamer Faber Architekten (Stuttgart)". Das inklusive Dach viergeschossige Geschäfts- und Wohnhaus kommt den Vorgaben des städtebaulichen Wettbewerbs am nächsten. Mit seinem ruhigen Walmdach und der zurückhaltenden Fassadensprache respektiert es Currle zufolge das alte Rathaus und nimmt gelungenen Bezug auch zum neuen Rathaus, ohne diese Nachbarn zu dominieren. Im Erdgeschoss, das einen Durchgang in Richtung Turmschule vorsieht, ist für die Planer ein Bäckerei-Café vorstellbar inklusive Außenbewirtung auf dem Rathausplatz. Das erste Obergeschoss ist für eine Büronutzung reserviert, die auch auf das zweite Obergeschoss ausgedehnt werden kann. Das Dachgeschoss ist fürs Wohnen reserviert.

> Den zweiten Platz belegt das Projekt von "Ebner Bürkle Wohn- und Städtebau (Waiblingen) mit Krastyo Gitsov Architektur und Desing (Winnenden)". Dieses dreigeschossige Wohn- und Geschäftshaus – plus Dachgeschoss – greift nach Worten Currles Elemente von Barockschlössern auf und ordnet sich deutlich der Umgebungsbebauung unter. Der Fokus liegt auf einer Wohnnutzung, die beiden oberen Etagen sind als Maisonette-Einheiten inklusive Dachterrassen konzipiert. Laut Planer sei die Nutzung bewusst offen gehalten. Mit den Verkaufsflächen im Erdgeschoss sei auch eine Hotel-Gastronomie-Nutzung denkbar. Die Bewertungskommission hätte sich hier im Entwurf mehr Gewerbeanteil gewünscht. Zudem bemängelte sie die "überladene, unruhige Fassade" und erachtete die für Fotovoltaik vorgesehenen Dachflächen als denkmalrechtlich problematisch.
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> Der dritten Platz wurde dem Entwurf von "Tröndle Bau GmbH (Edingen-Neckarhausen) mit SSV Architekten (Heidelberg) zuerkannt. Dieser giebelständige Entwurf sei zwar aus der vorhandenen Stadtkernbebauung heraus entwickelt, so Currle, kehre mit der "Sägezahnstruktur" des Daches aber das vom benachbarten alten Rathaus vorgegebene Dachkonzept um. Lediglich das Dachgeschoss ist für Wohnen reserviert. Der Rest soll als Büroflächen genutzt werden – im Erdgeschoss mit Dienstleistungen wie Frisör, Apotheke und Bäckerei-Café. Abgesehen davon, dass dieser Entwurf in Teilen die empfohlenen Trauf- und Firsthöhen überschreitet, würde er laut Currle als neue expressive Dominante den Platz mitsamt dem Rathauspalais beherrschen. Die vorgesehene dunkle Klinkerfassade sei zwar hochwertig, wirke an dieser Stelle aber eher fremd.
Nach Worten von Currle ging es bei dem nunmehr abgeschlossenen Anbieterwettbewerb ausschließlich um das Stadthaus – nicht um die von Stadthaus im Zuge der Stellplatzverpflichtung zu nutzende Quartiersgarage; diese will die Stadt bekanntlich unter dem Hof der benachbarten Turmschule bauen. Freilich: Die Stadthausentwürfe, die eine entsprechende Unterbauung vorsehen, wurden mit der Machbarkeitsstudie zu dieser Tiefgarage abgestimmt.
Der Sitzungsunterlage war zu entnehmen, dass bezüglich des Siegerentwurfs nun die Vertragsverhandlungen für die hierfür benötigten 623 stadteigenen Quadratmeter am Rathausplatz aufgenommen werden sollen. Werde man sich nicht einig, solle der Entwurf auf dem zweiten Platz zum Zuge kommen. Ziel sei es jedenfalls, den Gemeinderat im Oktober über den Kaufvertrag und auch über die Planungsleistungen für die Quartiersgarage entscheiden zu lassen.