Aus Angst vor "Rockern" Geld des Gesangvereins veruntreut
Kassier griff tief in die Kasse des Männergesangvereins Mönchzell - Freiheitsstrafe von einem Jahr zur Bewährung ausgesetzt - Schaden im fünfstelligen Bereich

Von Christoph Moll
Meckesheim-Mönchzell/Sinsheim. "Es tut mir furchtbar leid." Immer wieder wiederholte der frühere Kassenwart des Männergesangvereins (MGV) Liederkranz Mönchzell am Mittwochvormittag vor dem Sinsheimer Amtsgericht diesen Satz. Dennoch wurde der 47-Jährige wegen Untreue in 26 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung verurteilt. Er hatte eingeräumt, knapp 10.000 Euro aus der Vereinskasse abgezweigt zu haben. Der MGV geht jedoch von einem noch höheren Schaden aus.
Laut Anklage konnte der aus dem Karlsruher Raum stammende Mann in seiner rund zweijährigen Zeit als Kassenwart von 2018 bis Anfang 2020 über die Konten verfügen, auf denen sich anfangs rund 26.000 Euro befanden. Zu dem 130 Mitglieder zählenden Verein kam er über die Familie seiner Frau. Ab dem Frühjahr 2019 soll der Vater einer Tochter insgesamt 9909,43 Euro "seinem Privatvermögen zugeführt" haben. So gab es 20 Abhebungen von Beträgen zwischen 50 und 1000 Euro an Geldautomaten vor allem in Mönchzell, aber auch in Karlsruhe und Mosbach – zuletzt am 23. Dezember 2019. Vier Mal überwies er zwischen 200 und 500 Euro auf sein Privatkonto. Zudem bezahlte er einen Minigolf-Besuch über 42 Euro und eine Telefonrechnung über 45 Euro vom Vereinskonto.
Der mit über 30.000 Euro verschuldete Angeklagte erzählte, dass er sich Anfang der 90er Jahre von einem "bekannten Rocker-Club" 20.000 Mark geliehen habe. Obwohl eine Rückzahlung in Raten vereinbart worden sei, habe der Club immer größere Beträge gefordert. Als er nach Mönchzell zog, habe dies aufgehört. Doch durch seinen Beruf als Verkäufer kam der gelernte Fliesenleger zurück in den Karlsruher Raum. "Dann wussten die wieder, wo sie mich finden", so der Mann. "Ich wurde mehrmals besucht und hatte Angst." Er habe sich Geld von seiner Frau und einem Freund geliehen. "Irgendwann wusste ich nicht mehr weiter und bin an die Vereinskasse", gestand der nicht vorbestrafte Mann. Nun habe er Ruhe vor den "Rockern".
Im Februar dieses Jahres zeigte er sich selbst an. Damals stand die Kassenprüfung an. 6000 Euro hat der Mann inzwischen zurückgezahlt. "Ich will, dass der Verein sein Geld bekommt", beteuerte der Angeklagte. Er wolle als Fliesenleger Geld hinzuverdienen, wenn es seine Gesundheit zulasse. Er habe zwei Schlaganfälle erlitten – den jüngsten vor drei Wochen.
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MGV-Kassenprüfer Gerhard Zuber berichtete als Zeuge, dass es noch keine Gespräche über weitere Rückzahlungen gegeben habe. Der 72-Jährige nannte einen Gesamtschaden von rund 16.000 Euro für den Verein, den man aber mangels Dokumentation kaum beweisen könne. So habe der Angeklagte die Einnahmen bei Festen nicht auf das Vereinskonto eingezahlt, gleichwohl aber die Ausgaben von diesem abbuchen lassen.
Die Staatsanwaltschaft erkannte ein gewerbsmäßiges Handeln und einen besonders schweren Fall der Untreue. Rechtsanwalt Oskar Dexheimer entgegnete, dass sich sein Mandant in einer Notlage befunden habe und das Geld nicht ins Privatvermögen geflossen sei: "Er hat sich immer nur Freiheit für einen Monat erkauft."
Das Gericht sah es jedoch anders und folgte dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die eine Freiheitsstrafe von einem Jahr zur Bewährung gefordert hatte. Zudem muss der Angeklagte die noch offenen 3900 Euro in monatlichen Raten von 110 Euro an den MGV zurückzahlen. Ob der Verein auch noch versucht, weiteres Geld zurückzuholen, steht nicht fest. Der MGV hat nun einen neuen Kassenwart und setzt künftig stets auf das Vier-Augen-Prinzip. Denn Vertrauen ist bekanntlich gut, aber Kontrolle ist besser.