Wenn die Messe ausgebucht ist
Reduzierte Platzzahl und mindestens zwei Meter Abstand - In evangelischen Kirchen nur Orgelmusik

Von Diana Deutsch
Heidelberg. "Es tut mir sehr leid, aber der Sonntagsgottesdienst ist ausgebucht." Nie hätte man es für möglich gehalten, dass dieser Satz einmal zum Standardrepertoire in katholischen Pfarrbüros gehören würde. Doch Corona macht’s möglich. Um die Abstandsregeln in den Messen einhalten zu können, mussten die Plätze in den Kirchenbänken radikal reduziert werden. Die Jesuitenkirche in der Altstadt beispielsweise, die größte Kirche Heidelbergs, fasst 350 Gläubige. Jetzt dürfen nur 70 kommen. Eine namentliche Anmeldung ist erforderlich, aber nicht immer erfolgreich, was in den letzten Wochen zu massiven Enttäuschungen führte bei all denen, die leer ausgegangen sind. Die Stadtkirche Heidelberg will deshalb ab Juni deutlich mehr Gottesdienste anbieten als bisher.
Es ist schon ein seltsames Bild, das die katholischen Gottesdienste derzeit abgeben. Maximal drei Gläubige dürfen in einer Bank Platz nehmen, mit zwei Meter Mindestabstand zwischen sich. Die Erzdiözese Freiburg verlangt damit 50 Zentimeter mehr Luft als das Land Baden-Württemberg. Die Bänke davor und dahinter müssen frei bleiben. Alle Plätze sind deutlich markiert. So viel Freiraum gab es in den Kirchen noch nie. "Ich fühle mich trotzdem schon viel besser als in den Wochen zuvor", sagt Pfarrer Johannes Brandt, der Leiter der Heidelberger Stadtkirche. "Da musste ich in einer leeren Kirche nur mit einer Videokamera Gottesdienst feiern." Diese Livestream-Messe gibt es letztmals an Pfingstsonntag.
"Wir versuchen, künftig in allen Pfarrkirchen der Stadt mindestens einen Sonntagsgottesdienst anzubieten", verspricht Brandt. Auch Vorabendmessen am Samstag sind geplant. Die Altstadt beginnt schon in der Woche nach Pfingsten. Der Gottesdienst findet vorläufig allerdings nicht wie gewohnt in St. Anna in der Plöck statt, sondern in der Jesuitenkirche. "Wir müssen ja Platzkorridore kennzeichnen, damit die Menschen einander nicht entgegenkommen", erläutert Brandt. "In kleinen Kirchen ist das nicht zu schaffen." Der beliebte Sonntagabend-Gottesdienst in St. Raphael zu Neuenheim wird im Juni auch wieder gefeiert. Das Katholische Universitätszentrum lädt ab Sonntag, 14. Juni, 18.30 Uhr, wieder zum Gottesdienst in die Jesuitenkirche. Nur die Prozessionen an Fronleichnam sind gestrichen. Vier bis sechs ehrenamtliche Helfer braucht es bei jedem Gottesdienst nur für die Logistik. Sie nehmen die Menschen in Empfang, kontrollieren die Namen, geleiten die Gläubigen zu ihrem Platz und sorgen dafür, dass bei der Kommunionsausteilung und am Ausgang niemand durcheinanderläuft. Selbst für den Gesang hat man inzwischen eine Lösung gefunden. Ganze Lieder darf die Gemeinde auf Anordnung der Erzdiözese zwar nicht singen. "Aber Akklamationen und Kehrverse sind erlaubt", sagt Brandt.
Die evangelischen Kirchengemeinden haben es da schwerer. Die Badische Landeskirche hat jede Form von Gemeindegesang untersagt, nur Orgelmusik ist erlaubt. Selbst das gemeinsam gesprochene Gebet sollte im Gottesdienst unterbleiben. Mit einer Ausnahme: Das Vaterunser beten weiterhin alle zusammen. Maximal eine halbe Stunde dürfen evangelische Gottesdienste in Heidelberg derzeit dauern. In der Heiliggeistkirche haben sich an den letzten Sonntagen jeweils rund fünfzig Gläubige zu solchen "Kurzgottesdiensten" versammelt. Siebzig dürfen es sein. Da ist noch Luft nach oben.



