Amtshilfe in Krisenzeiten

77 Bundeswehr-Angehörige sind im Heidelberger PHV im Einsatz

Die Bundeswehr-Angehörigen verteilen vor allem Essen an die Bewohner und sind nur in der Versorgung tätig.

12.05.2020 UPDATE: 13.05.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 44 Sekunden
77 Soldaten helfen im Ankunftszentrum für Geflüchtete in Patrick-Henry-Village. Dort helfen sie dem Land noch bis mindestens 31. Mai aus. Foto: Philipp Rothe

Von Denis Schnur

Heidelberg. Eigentlich würde er jetzt in einer Kaserne in der Nähe von Straßburg sitzen und sich mit militärischer Aufklärung befassen, erklärt Oberstabsgefreiter Šimic. Doch seit einer Woche übt ein Teil seiner deutsch-französischen Brigade nicht mehr für den Ernstfall, sondern ist ganz praktisch tätig – im Ankunftszentrum in Patrick-Henry-Village (PHV). "Wir verteilen vor allem Essen an die Bewohner", berichtet der Soldat. Er verpackt Mahlzeiten und bringt sie an die Häuser in der ehemaligen Kaserne. "Gefällt mir", sagt er über seine Tätigkeit.

Außer Šimic sind noch weitere Soldatinnen und Soldaten in PHV im Einsatz. Zu den 70 Angehörigen seiner Brigade kommen sechs Sanitäter sowie ein Arzt aus dem Sanitätsdienst. Sie leisten bis 31. Mai Amtshilfe, bei Bedarf auch länger. Nötig wurde die, weil am 27. April bei einem Bewohner das Coronavirus nachgewiesen wurde und unklar war, mit wem er Kontakt hatte.

Innenminister Thomas Strobl (CDU) lobte die gute Zusammenarbeit mit der Bundeswehr. Foto: Rothe

Die Behörden erließen eine Ausgangssperre für die rund 800 Bewohner und ließen sie auf Corona testen. Da der Test bei nur drei weiteren Menschen positiv ausfiel, dürfen ab heute die meisten das Gelände wieder verlassen. Nur die Infizierten sowie 60 Kontaktpersonen bleiben bis Freitag in Quarantäne.

Um Kontakte zwischen den Bewohnern so weit wie möglich zu reduzieren, wurde unter anderem die Kantine geschlossen und auf den "Lieferdienst" umgestellt. "Das ist sehr personalintensiv", berichtet Christoph Rothfuß, Leiter des Ankunftszentrums. Da gleichzeitig viel Personal ausfiel, bat Landesinnenminister Thomas Strobl (CDU) die Bundeswehr um Unterstützung. "Ich hatte schon früh eine Ahnung", erklärt er gestern beim Pressetermin vor Ort.

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Deshalb habe er am 17. März Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer angesprochen und schon mal um mögliche Hilfen bei der Aufnahme von Geflüchteten gebeten. "Die hat sie mir zugesagt – und jetzt hat sie Wort gehalten", so der Minister. "Und dafür sind wir in der Landesregierung sehr dankbar." Schließlich sei das Ankunftszentrum das "Herzstück der Flüchtlingsaufnahme unseres Landes". Und derzeit trügen die Soldaten dazu bei, "dass dieses Herz weiter schlagen kann".

Das täten sie gerne, betont Martin Schelleis. Der Generalleutnant ist bei der Bundeswehr für Hilfseinsätze in Notsituationen zuständig. 15.000 Soldatinnen und Soldaten stehen dazu als Reserve zur Verfügung, 700 davon sind derzeit im direkten Einsatz. In Hamburg unterstütze man etwa ein Pflegeheim und gestern sei er noch in Saarbrücken gewesen, wo die Soldaten beim Betrieb eines Abstrichcenters helfen. Auch das gehöre zu den Aufgaben der Truppe, gebe den Soldaten aber auch viel zurück: "Sie erfahren gerade sehr viel Dankbarkeit und unmittelbare Wertschätzung. Das passiert im Alltag nicht so häufig", sagt Schelleis und fügt hinzu: "Das freut die Soldaten und das freut den General."

Und tatsächlich berichten sowohl die Soldaten als auch die Mitarbeiter vor Ort, dass die Präsenz der Bundeswehr bei den Geflüchteten gut ankomme – obwohl viele von ihnen in ihren Heimatländern nicht die besten Erfahrungen mit dem Militär gemacht haben. "Das spielt keine Rolle", sagt ein Militärarzt. Im Gegenteil: "Die Bewohner bringen uns viel Vertrauen entgegen."

Das dürfte auch daran liegen, dass die Bundeswehr im Ankunftszentrum nicht als Sicherheitsdienst auftritt. "Sie übernehmen keine hoheitlichen Aufgaben", erklärt Minister Strobl. Stattdessen verteilen sie Essen, Getränke, Handtücher, Seife und Desinfektionsmittel an die Bewohner und unterstützen die Ärzte in der medizinischen Ambulanz.

Das galt auch während der Ausgangssperre, wie Polizeipräsident Andreas Stenger betont. Stattdessen seien seine Beamten mit verstärkten Kräften vor Ort gewesen. Das habe man trotz der Streifen zur Überwachung der Corona-Verordnungen stemmen können – schließlich fallen ja derzeit zahlreiche Veranstaltungen aus. "Außerdem verlief das sehr störungsarm und geordnet", so Stenger. "Schon während der Ausgangssperre konnten wir reagieren und unsere Präsenz reduzieren." Ab heute sollen nochmal weniger Polizisten vor Ort sein.

Überhaupt soll im Ankunftszentrum ab heute wieder Normalität einkehren. Die Bewohner dürfen die Einrichtung wieder verlassen, der Bus-Shuttle in die Innenstadt fährt und es werden wieder Asylsuchende nach Heidelberg zugewiesen oder in andere Kommunen zur Anschlussunterbringung gebracht. Doch auch wenn aus der Infektion des Bewohners kein größerer Ausbruch wurde, hat man im Regierungspräsidium Lehren aus dem Vorfall gezogen: "Auch Menschen, die aus anderen Bundesländern hierher kommen, werden künftig für 14 Tage isoliert untergebracht", erklärt Regierungsdirektorin Carolin Speckmann. Dazu werde man Gebäude in den Tompkins Barracks in Schwetzingen nutzen. So soll verhindert werden, dass wieder eine Ausgangssperre nötig wird.

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