Wiesenbach/Bammental

Das Bürgerhaus wird zur "Infekt-Ambulanz"

Gemeinde stellt Raum für Behandlung von potenziellen Corona-Patienten zur Verfügung

06.05.2020 UPDATE: 07.05.2020 06:00 Uhr 1 Minute, 58 Sekunden
Yvonne Sterk (r.) behandelte mit Unterstützung von Laura Rossney die ersten Patienten. Foto: privat

Von Christoph Moll

Wiesenbach/Bammental. Die Politik hat am gestrigen Mittwoch weitere Lockerungen in der Coronakrise beschlossen. Doch diese ist noch längst nicht vorbei, wissen die Wiesenbacher Ärztinnen Yvonne Sterk, Maria Bajanova-Both und Annekatrin Kölemen. Sie wollen für eine mögliche zweite Infektionswelle gerüstet sein. Deshalb behandeln sie Patienten mit einem Infekt nun nicht mehr in ihrer Praxis, sondern in einem besonderen Raum – und zwar im nach der französischen Partnergemeinde benannten Donnerysaal im Bürgerhaus. So soll die Ansteckungsgefahr verringert werden.

Hausärztin Dr. Liane Wirth. Foto: privat

Die Bammentaler Ärztin Liane Wirth hatte es mit einem Container vor ihrer Praxis vorgemacht (siehe Hintergrund). Sie kooperiert mit den drei Wiesenbacher Medizinerinnen.

"Ich bin kein Freund von Containern", betont der Wiesenbacher Bürgermeister Eric Grabenbauer. Deshalb bot er den Donnerysaal an – und zwar kostenfrei als Unterstützung in der Krise.

Hintergrund

Der Corona-Container hat sich bewährt

Die Einrichtung der "Infekt-Ambulanz" im Wiesenbacher Bürgerhaus bedeutet eine Erleichterung für Dr. Liane Wirth. Denn in den vergangenen vier Wochen hatte die Bammentaler Hausärztin in ihrem Container vor ihrer

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Der Corona-Container hat sich bewährt

Die Einrichtung der "Infekt-Ambulanz" im Wiesenbacher Bürgerhaus bedeutet eine Erleichterung für Dr. Liane Wirth. Denn in den vergangenen vier Wochen hatte die Bammentaler Hausärztin in ihrem Container vor ihrer Praxis neben ihren Patienten auch infektiöse Erkrankte ihrer Kolleginnen aus Wiesenbach untersucht. Nun wird diese Last dank der Kooperation mit den Kolleginnen auf mehrere Schultern verteilt.

"Ich bin sehr froh über die Kooperation mit den Ärztinnen aus Wiesenbach", freut sich die 42-Jährige, die auch sehr glücklich mit ihrer Container-Lösung ist: "Es läuft sehr gut, denn keiner muss Angst vor einer Ansteckung mit Corona haben – auch nicht das medizinische Personal." Zudem sei alles vor Ort: EKG, Sauerstoffgerät, Ultraschall.

Von 8 bis 10 Uhr behandelte Wirth in den vergangenen Wochen täglich in ihrer Praxis, danach ging es bis etwa 12 Uhr in den Container. Wo ein Patient behandelt wird, entscheidet eine Checkliste mit Fragen. "Die Patienten sind nicht mehr so ängstlich und haben mehr Vertrauen", hat Wirth beobachtet. So seien auch viele neue Patienten zu ihr gekommen, die angegeben hätten, dass sie keinen Hausarzt haben.

Seit Anfang März behandelt Wirth nur mit Maske. "Es geht auch ums Psychologische", meint sie. "Auch wenn 1000 Mal desinfiziert wurde, besteht oft noch Unsicherheit." Manche Patienten hätten sogar eine potenzielle Corona-Erkrankung verheimlichen wollen – aus Angst vor gesellschaftlicher Ächtung und Folgen bei der Arbeit. Die Anschaffung des Containers habe sich jedenfalls gelohnt.

Anfangs war Wirth noch davon ausgegangen, dass sie die Miete von 10.500 Euro für die Monate April und Mai selbst zahlen muss, doch dann übernahm die von Ehrenbürger Hansi Flick initiierte Hilfsaktion "Bammental gegen Corona" die Kosten. Der Container ist zunächst bis Ende Mai gebucht, Wirth will aber verlängern – auf jeden Fall für Juni und vielleicht noch so lange, bis ein Impfstoff da ist. "Es läuft gut, solange alle Mundschutz tragen", glaubt die Medizinerin, die eine zweite Infektionswelle nicht für ausgeschlossen hält. "Dafür müssen wir gerüstet sein", sagt sie. Auch mit Bürgermeister Holger Karl habe es schon Gespräche gegeben, wie im wirklichen Ernstfall zum Beispiel eine Halle in ein Lazarett umgewandelt werden könnte.

Wirth hat in ihrer Praxis übrigens bisher 99 Abstriche zum Testen auf eine Corona-Infektion durchgeführt, zwei davon waren positiv. Inzwischen konnten sich hier sicherheitshalber auch Personen testen lassen, die keine typischen Corona-Symptome zeigten – zum Beispiel medizinisches Personal. "Aber es geht nicht nur um Corona", betont Wirth. "Es gibt ja auch noch andere Erkrankungen, die keine Pause machen." Zuletzt sei es im Container wieder ruhiger geworden, sodass dieser an vier Tagen gar nicht öffnen musste. Eine trügerische Ruhe? Das werden die nächsten Wochen zeigen. (cm) 

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Der etwa 30 Quadratmeter große Raum mit Küche sei "ideal", meint Grabenbauer. Außerdem gebe es einen Aufzug im Gebäude. "Wir haben uns darauf geeinigt – allerdings in diesen Zeiten ohne Handschlag", schmunzelt der Bürgermeister. Die Gemeinde stellte Trennwände und Tische zur Verfügung. Nach den Behandlungstagen werden die Räume von Personal der Gemeinde desinfiziert. Dies geschieht auch, bevor der Gemeinderat in einer Woche nebenan im Bürgersaal tagt – erstmals in der Coronakrise.

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Am Dienstag standen die ersten Patienten vor dem Bürgerhaus. Yvonne Sterk bot die erste "Infekt-Sprechstunde" an. Sechs Patienten hatten sich zuvor telefonisch in den Praxen der Ärztinnen gemeldet und wurden wegen ihrer Symptome ins Bürgerhaus geschickt. "Eine ältere Dame ist erschrocken und war irritiert, weil ich sie in voller Montur mit Schutzanzug, Maske und Visier behandelt habe", erzählt Sterk. "Sie hat mich zunächst gar nicht erkannt." Doch die anderen jüngeren Patienten hätten das Angebot dankbar angenommen. Es wurden eine Handvoll Abstriche zum Testen auf eine Corona-Infektion genommen. "Wir schauen dort auch Patienten mit Durchfall an, weil das ein Symptom einer Corona-Infektion sein kann", erklärt die 52-jährige Medizinerin, die seit dem Jahr 2013 in Wiesenbach tätig ist.

Die "Infekt-Ambulanz" soll hier nun immer dienstags und freitags von 10 bis 12 Uhr angeboten werden. Dienstags wird sie von der Gemeinschaftspraxis von Yvonne Sterk und Maria Bajanova-Both übernommen, freitags von Annekatrin Kölemen, die ihre Praxis ebenfalls in Wiesenbach hat. Montags und donnerstags hält Liane Wirth weiter eine "Infekt-Sprechstunde" in ihrem Container in Bammental ab. Sie behandelte bisher alle infektiösen Patienten der drei Praxen. Nun teilen sich die Ärztinnen die Sprechstunde auf, sodass Patienten aus Bammental – je nach Wochentag – nach Wiesenbach fahren müssen. Patienten müssen sich vorher in ihrer Praxis melden.

"Wir hätten die Infekt-Ambulanz schon gerne früher angeboten", berichtet Sterk, die auf dem Dilsberg lebt. "Wir hatten dafür aber nicht genügend Schutzausrüstung." Wie lange sie das Angebot beibehalten, steht noch nicht fest. "Das ist von der Lage abhängig", so Sterk. Die Ärztinnen hoffen, dass sie mit der "Infekt-Ambulanz" den Patienten die Angst vor einer Corona-Ansteckung nehmen können. "Viele haben sich nicht mehr in die Praxis getraut", berichtet Sterk.

Zunächst wird übrigens jeder Patient am Eingang des Bürgerhauses abgeholt. Denn fernsteuerbare Türöffner funktioniert nicht. Jetzt fiel auf, dass er beim Bau des Bürgerhauses nicht angeschlossen wurde. Das war vor 25 Jahren.

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