Vollsperrung bis 4. Mai

"Hauruck-Aktion" in der Heidelberger Mittermaierstraße stößt auf Kritik

Die Sanierung stelle keine Verbesserung für Radler und Fußgänger dar. Die Stadt hatte die "Gunst der Stunde" für die Bauarbeiten genutzt.

20.04.2020 UPDATE: 24.04.2020 19:45 Uhr 3 Minuten, 10 Sekunden
Gestern wurde bereits die Asphaltschicht der Mittermaierstraße abgefräst. Zwischen Alter Eppelheimer und Bergheimer Straße wird sie jetzt grundhaft erneuert. Foto: Philipp Rothe

Von Holger Buchwald

Heidelberg. Während die Stadt verkündet, dass die Bauarbeiten in der Mittermaierstraße voll im Zeitplan liegen und die wichtige Verbindung vom Hauptbahnhof in Richtung Neuenheimer Feld wohl schon am 4. Mai wieder freigegeben werden kann, ärgert sich die Interessengemeinschaft Fußverkehr (IG Fuß), dass in der Straße vollendete Tatsachen geschaffen werden. Noch kurz bevor das Tiefbauamt nämlich mit den Arbeiten begann, hatten IG-Fuß-Sprecher Peter Bews und der Allgemeine Deutsche Fahrradclub vorgeschlagen, Autospuren für Radler freizugeben und somit mehr Platz für Fußgänger zu schaffen. Bislang teilen sie sich einen schmalen Bürgersteig, während es für Autos vier Fahrspuren gibt.

"Seit Jahrzehnten ist die prekäre Situation für Radler und Fußgänger in dieser Straße Thema", ärgert sich Bews. Die derzeitige Situation sei nicht mit der Straßenverkehrsordnung vereinbar. Aus Sicherheitsgründen sei es längst überfällig, mehr Platz für die schwachen Verkehrsteilnehmer zu schaffen. Anstatt diesen Forderungen nachzukommen, saniere die Stadt jetzt aber nur den Straßenbelag. An der Bürgersteig-Situation werde nichts verändert.

Die Grünen-Fraktion im Gemeinderat hatte ebenfalls vorgeschlagen, in der ganzen Stadt "Pop-Up Bikelanes" als Modellversuch einzurichten – um so wenigstens in der Zeit der Corona-Krise mehr Platz für Radler und Fußgänger zu schaffen. Dass die Stadt nur auf kleinen Streckenabschnitten Fahrspuren für Radler freigeben wolle, kritisiert Felix Grädler, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen: "Wir finden es schade, dass sich die Stadt hier nicht mehr traut. Wenn wir die Verkehrswende und den Kampf gegen den Klimawandel ernst nehmen wollen, dann ist der Vorschlag der Verwaltung absolut nicht ausreichend."

Der Vorschlag für "Pop-Up Bikelanes" finde eine breite Unterstützung in der Bevölkerung, so Stadtrat Christoph Rothfuß. Zahlreiche Vorschläge, wo solche Radspuren eingerichtet werden könnten, seien bei den Grünen eingegangen, unter anderem der Czernyring, die Speyerer Straße, die Berliner Straße, aber auch die Mittermaierstraße. "Es ist unverständlich, dass die letztgenannte nun in einer Hauruck-Aktion saniert wird, ohne auch nur eine minimale Verbesserung für den Rad- und Fußverkehr zu erreichen", kritisiert Rothfuß.

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Von Timo Teufert

Heidelberg. Sie ist eine der am stärksten befahrenen Straßen der Stadt – und jetzt kurzfristig gesperrt worden. Seit Montag ist die wichtige Nord-Süd-Achse zwischen Kurfürsten-Anlage und Bergheimer Straße auf 290 Metern komplett dicht: Weil durch die Corona-Pandemie derzeit sehr wenig Verkehr ist, lässt die Stadt die Mittermaierstraße nun kurzerhand erneuern. Schon in zwei Wochen soll die Baufirma alle Arbeiten erledigt haben. Am 4. Mai, wenn nach den jetzigen Plänen die Schulen teilweise wieder öffnen sollen, wird auch die Straße wieder für den Verkehr freigegeben.

"Egal, wann wir die Mittermaierstraße saniert hätten, es hätte immer sehr weh getan", sagt Klaus-Peter Hofbauer, Abteilungsleiter Straßenerhaltung beim Tiefbauamt. Denn aus Erfahrung wissen die Experten, dass schon kleinere Reparaturen, für die eine Fahrspur gesperrt werden muss, zu normalen Zeiten enorme Rückstaus produzieren. "Wir wollten deshalb diese Chance, dass gerade nicht viel los ist auf den Straßen, nicht ungenutzt an uns vorbeiziehen lassen", berichtet Hofbauer.

Am Montagmorgen habe es zwar einen Rückstau bis zur Montpellierbrücke gegeben, der Verkehr sei aber nicht kollabiert. "Wir haben also eine günstige Zeit gewählt", meint er. Die Umleitung verläuft über den Czernyring, die Emil-Maier-Straße, die Vangerowstraße und das Iqbal-Ufer. Fußgänger und Fahrradfahrer kommen auch weiterhin an der Baustelle vorbei.

Grund für die Erneuerung: "Der Aufbau der Mittermaierstraße zwischen Alter Eppelheimer Straße und Bergheimer Straße entsprach nicht mehr den aktuellen Anforderungen und war nicht für die heutigen Belastungen ausgelegt", berichtet Hofbauer. Der Aufbau aus den 1950/60er Jahren führte zu erheblichen Beschädigungen.

Zunächst wurde gestern die Fahrbahndecke abgefräst, jetzt werden 70 Zentimeter des Untergrundes ausgehoben. "Wir bauen die Straße dann ganz neu auf: Neben einer Schotterschicht werden drei Asphaltschichten eingebaut", erklärt Hofbauer. Das mache es auch in Zukunft leichter, die Straße mit einfachen Mitteln zu erhalten. Schäden an der Deckschicht können dann durch Abfräsen beseitigt werden. Das war bislang nicht möglich, weil der Asphalt nur acht Zentimeter dick war. "Selbst Fahrradwege haben heute eine stärkere Asphaltdecke als die Mittermaierstraße bisher", so Hofbauer.

Dass die Verwaltung so zügig reagieren konnte, liegt zum einen daran, dass es bereits 2009 eine Baugrunduntersuchung in der Mittermaierstraße gab. Damals wurde überlegt, ob die Straße mit Mitteln aus dem Konjunkturprogramm II, das im Zuge der Finanzkrise aufgesetzt worden war, saniert werden könnte. Zum anderen hatte die Baufirma, die die Stadt als Vertragspartner für den Straßenerhalt und -unterhalt in diesem Jahr verpflichtet hat, noch ein Zeitfenster von zwei Wochen frei.

Trotzdem ist der Zeitplan ambitioniert: "Die Bord- und Randsteine werden nicht angefasst. Das spart Handarbeit. Sonst würden die zwei Wochen nicht ausreichen", so Hofbauer. Alternativ hätte man die Strecke auch in drei Bauabschnitte aufteilen können, doch dann hätten die Arbeiten sechs Wochen gedauert. "Es sollte jetzt aber schnell losgehen und nicht erst dann, wenn sich das öffentliche Leben wieder normalisiert", so Hofbauer. "Die Vollsperrung tut zwar weh, geht aber deutlich schneller."

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