"Reguläre Forstwirtschaft nicht mehr möglich"
Revierleiter Robert Lang beschrieb den Waldzustand in den Revieren St. Leon-Rots - Rat bewilligt überplanmäßige Ausgaben

St. Leon-Rot. (oé) "Eine reguläre Forstwirtschaft, so wie wir sie gekannt haben, ist nicht mehr möglich." Dieses ernüchternde Fazit zog Revierleiter Robert Lang, als er jetzt im Gemeinderat der Spargelgemeinde den Forstbetriebsplan für das laufende Jahr erläuterte. Nur ein Beispiel: Eigentlich ist für das aktuelle Jahr ein Hiebsatz von 800 Festmetern vorgesehen. "Wir liegen aber jetzt schon bei über 1000 Festmetern", so Lang – und das aus "nicht einmal der Hälfte des Gemeindewaldes". Daran wird sich auch in der weiteren Zukunft kaum etwas ändern. "Wir werden diese Absterbe-Erscheinungen weiter haben", sagt der Forstexperte. Gerade in den Wäldern der Oberrheinebene, die vom Klimawandel besonders stark betroffen sind: eines der "Extremgebiete", so Lang.
Wie damit umgehen? Die Forstverwaltung hat sich dazu entschlossen, die Wälder aktiv zu verjüngen. In den Gemeindewäldern von Rot und St. Leon sollen insgesamt vier Hektar Flächen in den Revieren Hochholzer Wald und Adamsbühl neu aufgeforstet werden. Vor allem mit Laubgehölzen. Dabei setzen die Förster primär auf heimische Baumarten, die mit Trockenheit und Hitze besser zurechtkommen. Lang nannte als Beispiele Feldahorn, Baumhasel, Kirsche, Rot- und Stieleiche, aber auch die Hainbuche. Nadelhölzer wie die Schwarzkiefer oder Exoten wie die Libanon-Zeder kämen auch in Frage. Aber diese Bäume gibt es auf dem Markt derzeit schlicht und einfach "nicht zu kaufen".
Wildbestände deutlich zu hoch
Gepflanzt werden sollen statt der üblichen 3- bis 4000 Setzlinge pro Hektar nun 7000 – also zusammen 28.000 Setzlinge auf den vier Hektar Fläche, "damit wir nicht nachpflanzen müssen". Wegen einer drohenden Maikäfer-Plage müssen die Aufforstungsflächen auch noch aufwendig gepflegt werden. Sie sollen rund um die Setzlinge weitgehend "vegetationsfrei" gehalten werden, damit die Eiablage der Maikäfer verhindert wird. Schon vorab wurden die betreffenden Flächen komplett gepflügt und umgegraben, auch die alten Stöcke und Baumstümpfe wurden entfernt, weil sich darunter die Engerlinge sammeln. Die Flächen müssen jedoch auch weiterhin gefräst und gehackt werden, "arbeitsintensive Maßnahmen, die Geld kosten", so der Experte. Dagegen werden seinen Worten zufolge "keinerlei chemische Mittel" eingesetzt.
Kosten entstehen auch für die Wildschutzmaßnahmen, die eigentlich zu 50 Prozent von den Jagdpächtern zu tragen wären. "Wegen der besonderen Situation" empfahl Lang jedoch, auf diesen Betrag zu verzichten. Allerdings verwies er auch darauf, dass die "Schalenwildbestände deutlich zu hoch" seien, was die Wiederbewaldung zu beeinträchtigen drohe. Deshalb seine Forderung, dass die Jäger bei der Bejagung aktiver werden müssten. Hier sehe er "einige Defizite". SPD-Gemeinderat Prof. Wolfgang Werner forderte die Gemeinde deshalb auf, hier entsprechend auf den Hegering einzuwirken.
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Die Maßnahmen insgesamt schlagen im aktuellen Fortsbetriebsplan finanziell deutlich zu Buche – mit einem Defizit von voraussichtlich knapp 212.000 Euro, 59.000 Euro mehr als im Haushaltsplan vorgesehen. Die Fraktionen stimmten der Bewilligung dieser außerplanmäßigen Mittel durchweg zu. Einen funktionsfähigen und erholsamen Wald zu haben, "ist uns das Geld wert", meinte etwa Achim Schell (CDU). Zugleich hatten die Fraktionen aber noch viele Fragen an den Forstexperten. Zum Beispiel, ob auch zusätzlich neue Flächen außerhalb des bestehenden Waldes aufgeforstet werden könnten (Siegfried Köck, Freie Wähler)?
Dafür gibt es Robert Lang zufolge wegen des neuen, enorm vergrößerten Zuschnitts der Forstreviere infolge der Reform der Forstverwaltung "keine Kapazitäten mehr". Es fehlten sowohl Personal als auch Ressourcen. Dabei sparte der Revierförster nicht mit Kritik. Aus Angst davor, dass die Gemeinden abspringen könnten, habe man bei der Neuorganisation der Forstverwaltung ein Sparprogramm aufgelegt. Die Gemeinden hätten ein "Billig-Forstprogramm" gekauft. In 40 Jahren Forstverwaltung habe er "so etwas noch nicht erlebt", machte Lang deutlich. Allerdings verwies er auch auf die besonderen Umstände. "Dieses Waldsterben gab es vorher nicht."
Michael Herling (FDP) bedankte sich ausdrücklich für diese Aussagen. "Ich schätze deutliche Worte," sagte er. Norbert Knopf (Grüne) kündigte an, dass seine Fraktion noch einmal einen Antrag einbringen wolle, in der Gemeinde St. Leon-Rot einen "Umweltmanager" zu installieren. Dies gerade auch für Aufforstungen, wenn der Forst dafür keine Kapazitäten mehr habe. Siegfried Köck (Freie Wähler) nannte Langs Worte "ernüchternd" und gab zu verstehen, dass seine Fraktion der Neuorganisation der Forstreviere unter diesen Voraussetzungen "sicher nicht zugestimmt hätte". Allerdings sah er anders als die Grünen "keinen Umweltschutzbeauftragten" als Antwort, sondern eher "einen kompetenten Gemeindeförster" und empfahl, hier mit anderen Kommunen in Kontakt zu treten.
Bürgermeister Dr. Alexander Eger bat indes um Geduld. Nach der langen Diskussion um die neue Forststruktur müsse man der Forstverwaltung auch die "Chance zum Nachsteuern" geben, zumal die Dramatik der Situation im Wald erst im vergangenen Jahr richtig deutlich geworden sei. Ob sich die neue Forststruktur bewährt habe, könne man erst "nach einer gewissen Frist" bewerten.
Wald wird sich verändern
Angesichts der "erschreckenden Fakten" zum Wald fragte Rouven Dittmann (Junge Liste), was die Gemeinde noch an Optionen habe. Hier gab es zunächst Lob vom Forstexperten an den Gemeinderat für die Investitionen der letzten 15 Jahre, etwa bei der Bekämpfung von Neophyten (standortfremde Pflanzen) wie der Kermesbeere. "Unser Wald steht in vielen Bereichen deutlich besser da als in anderen Kommunen, die weniger investiert haben", sagte Lang. So gebe es "sehr schöne Naturverjüngungsansätze". Die Investitionen der letzten Jahre hätten sich also "absolut ausgezahlt" und man sei für die Zukunft "mit Sicherheit besser aufgestellt als viele andere".
Allerdings machte Lang auch deutlich, dass sich der Wald verändern werde. "Geschlossene Wälder" werde man in der Rheinebene so nicht mehr haben, zwar auch keine Offenland-Strukturen, aber doch keine "voll bestockten" Wälder mehr "wie früher". Ziel müsse es sein, den Wald in seiner Erholungsfunktion, als CO2-Speicher und in seiner Rolle für die Wasserregulierung, die Luftreinhaltung und den Lärmschutz zu erhalten. Und vor allem auch als Biotop und Lebensraum vieler Tiere. Dafür müsse man der Natur die Zeit geben, so Bürgermeister Eger.



