Der Umbau beginnt
Im Südwesten läuft die Umsetzung des "Digitalpakts" langsam an und dabei tauchen viele neue Fragen auf

Von Axel Habermehl, RNZ Stuttgart
Stuttgart. Fünf Milliarden Euro sollen an die rund 40.000 Schulen in Deutschland fließen: für W-Lan-Netze, Präsentationstechnik und Geräte. So sieht es der "Digitalpakt" vor, der im Mai 2019 in Kraft trat: Der Bund gibt die Anschubfinanzierung, für die Umsetzung sind Länder und Kommunen vor Ort verantwortlich. Nun steht der erste Rechenschaftsbericht an. Eine Zwischenbilanz:
> Start: "Alle Länder sind gut unterwegs, aber es gibt Unterschiede", sagt Stefan Luther, Unterabteilungsleiter im Bundesbildungsministerium. "Die Sachsen waren beispielsweise besonders schnell." Der Freistaat hatte schon zur Unterzeichnung alles fertig. Im August 2019 gingen erste Bewilligungen raus. "Inzwischen sind die ersten Maßnahmen dort bereits abgeschlossen." Andere Länder seien noch bei der Antragsstellung.
> Region: Im Südwesten läuft die Umsetzung langsam an. "Im Berichtszeitraum wurde in Baden-Württemberg noch kein Vorhaben abgeschlossen", heißt es im Bericht von Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) an den Bund, der unserer Zeitung vorliegt. Bisher sind 14 Förderanträge bei der L-Bank eingegangen, die das Geld auszahlt. 2,4 Millionen Euro seien bewilligt worden, ein Antrag über gut 190.000 Euro werde geprüft.
> Abläufe: Aufs Land entfallen 650 Millionen Euro, reserviert bis April 2022. Pro Kopf gibt es rund 422 Euro. Hat eine Schule 1000 Schüler, kann sie also mit etwa 422.000 Euro rechnen. Letztlich entscheiden aber die Schulträger, also die Kommunen, was und wie viel wohin fließt. Dazu muss jede Schule einen "Medienentwicklungsplan" erstellen. Das Landesmedienzentrum hilft mit Vorlagen, prüft die Pläne und gibt sie frei. Die L-Bank zahlt bewilligte Mittel aus.
Auch interessant
> Verzögerungen: In der Praxis gibt es aber Probleme: "Wir haben im November 13 Medienentwicklungspläne eingereicht und haben bis heute keine Freigabe", sagte kürzlich eine Mitarbeiterin der Stadt Rottenburg auf der Messe Learntec. Die Zeit dränge. "Es wollen Schulen im Sommer anfangen."
> Konzepte: Manche Kommunen setzen Schwerpunkte, die meisten verteilen das Geld gleichmäßig. Manche Schulen sind schon gut ausgestattet, andere nicht. Ein Beispiel: Die Stadt Mannheim etwa hat für ihre 83 Schulen ein "digitales Grundpaket" definiert, so Rainer Schmidt vom Fachbereich Bildung. Dazu gehören W-Lan im Schulgebäude und Geräte für digitale Präsentationen in allen Klassen. Damit sei das Geld wohl aufgebraucht. "Schulen, die bereits viel haben, bekommen weniger, als ihnen nach Schülerzahl zusteht." Am Ende sollen alle Schulen einer Schulart in etwa gleich ausgestattet sein.
> Nadelöhr Bau: Vor allem die vielen zu verlegenden Kabel könnten ein Engpass werden. "Der Digitalpakt gilt bundesweit, alle Schule wollen in etwa dasselbe", warnt Schmidt. "Alle Handwerksbetriebe werden ausgelastet sein, das wird Preise treiben und es kann zeitlich knapp werden." Zumal viele Bauarbeiten in den Ferien stattfinden sollen.
> Lehrer: Die Bundesländer müssen ihre Lehrer fortbilden. Das Kultusministerium verweist auf eine "Qualifizierungsoffensive für Lehrkräfte in Höhe von rund fünf Millionen Euro seit 2018". Landesweit seien 130 Multiplikatoren geschult worden, die nun Fortbildungen anbieten. Die Kurse, etwa zum Tablet-Einsatz im Geschichtsunterricht, scheinen anzukommen. Oliver Hintzen, Vize-Landeschef des Verbands Bildung und Erziehung, lobt vor allem sogenannte Abrufveranstaltungen, bei denen Kursleiter der Kreismedienzentren an Schulen kommen.
> Pflege und Wartung: "Der Support ist eine der großen und spannenden Fragen", sagt Rainer Schmidt aus Mannheim. "Da braucht es Personal und Geld." Letztlich müsse jeder Schulträger entscheiden, ob er Personal einstellt oder Firmen beauftragt. Gibt es Hotlines, die sich um Fehlermeldungen kümmern? Braucht jede Schule einen "Digitalhausmeister"? Norbert Brugger, Bildungsexperte beim Städtetag, sagt: "Schulträgerschaft in der digitalen Welt ist etwas völlig Neues." Die Digitalisierung erfordere, bisherige Strukturen, die Arbeitsteilung zwischen Kommunen und Land und die rechtliche Basis komplett zu überdenken.
> Fragen: Auch sonst ist einiges offen. In vielen Klassenräumen hängen bald Displays. Doch Tablets für Lehrer, auf denen sie Unterricht vor- und nachbereiten können, sind nicht förderfähig. Ein großes Thema sind Server: Gehören sie in die Schule, oder sind große Zentralrechner besser, etwa für alle Schulen eines Ortes? Was passiert mit Bibliotheken, wenn digitales Lehrmaterial schrittweise das Schulbuch ablöst? Liegt bald ohnehin alles in einer Cloud? Der Digitalpakt hat eine große Bestandsaufnahme ausgelöst. Doch viele Fragen stellen sich jetzt erst.



