Sittiche nisten in Fassaden
Die kleinen grünen Vögel picken kreisrunde Löcher in Häuserwände - Gefahr für die Dämmung

Von Marco Partner
Mannheim. Mit Einbruch der Dämmerung kommen sie in Scharen, und versammeln sich laut fiepsend in den Baumkronen. Wie Pfeile schießen sie im Sturzflug an der Alten Feuerwache vorbei. Bei Rot über die Ampel. Den giftgrünen Piepmätzen ist‘s egal. Sie sind angekommen an ihrem Schlafplatz am Mannheimer Neckarufer. Während Kiebitze, Mauersegler oder Singdrossel im Süden überwintern, harren ausgerechnet die exotischen Vögel aus. Bei Wind und Wetter. Kälte und Regen. Halsbandsittiche fühlen sich in der Rheinebene auch im Winter wohl und veranstalten mit Anbruch der Dunkelheit ein echtes Naturschauspiel.
Doch nicht alle erfreuen sich am bunten Gefieder der kleinen Papageien. Kot, Krach und auch Schäden an der Außendämmung können die Folge sein. Wird das große Flattern allmählich zur Plage? Mitbürger Klaus Lacher machte den Fund auf dem Weg aus dem Arbeitsgericht. Zwei tennisballgroße Löcher entdeckte er an der Fassadenfront des Ursulinen-Gymnasiums. Akkurat, kreisrund ausgepickt – wie mit einer Fräse. "Die Population nimmt allmählich überhand. Sie verursachen Schäden an öffentlichen und privaten Gebäuden", befürchtet er. Lacher schrieb im großen Stil Bundestagsabgeordnete und Bürgermeister per E-Mail an. Antwort bekam er von der Schule.
"Die Papageien sind schön anzusehen, sie sitzen bei uns im Schulhof auf Bäumen. Aber die Löcher müssen leider zugemacht werden. Sie sind eine Gefahr für die Dämmung. Es können sich Feuchtigkeit, Kältebrücken und Schimmel bilden", erklärt Schulleiter Jürgen Engert. Bei dieser Maßnahme soll es aber bleiben. Die ganze Fassade mit einem Netz zu bespannen, wäre zu aufwendig.
Hintergrund
Halsbandsittiche stammen ursprünglich aus Indien und Afrika, die hier heimisch gewordenen Papageien sind vermutlich Nachfahren freigelassener Käfig-Haltungen. Da sie relativ kälteresistent sind, überleben sie im milden Klima der Rhein-Region, vor allem in den Großstädten
Halsbandsittiche stammen ursprünglich aus Indien und Afrika, die hier heimisch gewordenen Papageien sind vermutlich Nachfahren freigelassener Käfig-Haltungen. Da sie relativ kälteresistent sind, überleben sie im milden Klima der Rhein-Region, vor allem in den Großstädten fühlen sie sich wohl. Zu den Hochburgen zählen Heidelberg, Mannheim, Ludwigshafen, Speyer, Wiesbaden, Mainz, Köln und Düsseldorf. Die ersten Papageien in freier Wildbahn wurden 1967 in Köln entdeckt. Zum Nisten suchen sie eine gewisse Geräuschkulisse auf, um ihren Nachwuchs vor Greifvögeln zu schützen. (mpt)
Nistkästen vor die Löcher zu hängen, würde wahrscheinlich weitere Vögel anlocken, vermutet der Leiter des Ursulinen-Gymnasiums. Im Internet stieß er auf Foren, aber auch auf Firmen, die sich bereits auf das Löcherstopfen der Höhlenbrüter in luftiger Höhe spezialisiert haben. "Das ist ein Zeichen, dass es häufiger vorkommt."
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Wie oft, kann Nabu-Ornithologe Wolfgang Dreyer von der Mannheimer Sektion des Naturschutzbunds nicht beziffern. "An uns wurden noch keine Beschwerden herangetragen", erklärt der Vogelexperte, aber auch an den Gebäuden der Baugenossenschaft in Seckenheim hat er die Papageien-Löcher entdeckt. Erstverursacher sei aber nicht der Halsbandsittich, sondern der Buntspecht. "Wenn eine Styropordämmung hohl klingt, rechnet er damit, dass sich Würmer oder Käfer dahinter verbergen. Er leistet sozusagen die Vorarbeit. Halsbandsittiche können an der glatten Fassade nichts ausrichten, wenn aber ein Specht am Werk war, puhlen sie mit ihrem gebogenen Schnabel die Löcher aus", weiß er.
Auf rund 8000 Tiere schätzt Dreyer die Population zwischen Heidelberg und Speyer. Zweimal im Jahr führt er eine große Zählung durch, und besucht die festen Schlafplätze der grünen Exoten. Aus einem Radius von rund 20 Kilometern machen sich die Vögel, die tagsüber in kleinen Truppen unterwegs sind, zur Dämmerstunde auf zu ihrem Nachtquartier. In Mannheim sind es die Platanen am Biergarten des Alten Bahnhofs an der Kurpfalzbrücke. 1600 bunte Vögel hat Dreyer dort im Januar gezählt. In Heidelberg sitzen sie gerne auf den Platanen am Hauptbahnhof. "Ein Riesenschauspiel, ein echtes Phänomen. Die Schlafbäume sind über Jahrzehnte die gleichen, die verlassen sie nicht", so Wolfgang Dreyer.
Im Futterwettstreit mit anderen Vögeln stünden die Halsbandsittiche nicht, die sich von Früchten, Beeren, Samen und Nüssen, gelegentlich auch von Insekten und deren Larven ernähren. Von einer Plage sei man trotz zunehmender Population noch weit entfernt. "Ja, sie machen manchmal ein Riesengeschrei, und sie können Schäden anrichten, wenn sie in Schrebergärten Äpfel anknabbern oder auf Sonnenblumenfeldern herumpicken. Aber unsere Vogelwelt hat ohnehin erheblich abgenommen", rät Dreyer dazu, im Notfall die Löcher zu stopfen, und sich über die grünen Dauergäste zu freuen.