Naturschutzbund lud zur "Stunde der Wintervögel"
Wenn Menschen auf Vögel starren: Arten aus Skandinavien überwintern in Deutschland.

Von Harald Berlinghof
Schwetzingen. "Da oben sitzt einer. Was ist das für einer?", fragt einer der interessierten Bürger beim Rundgang durch den Schwetzinger Schlossgarten am vergangenen Wochenende. Wie auf Kommando rucken die mitgebrachten Ferngläser nach oben. Ist das eine Saatkrähe oder eine Rabenkrähe, die da im winterlich kahlen Geäst sitzt?
Nicht jeder kann das sofort entscheiden, ohne ein kleines Büchlein über die heimische Vogelwelt zurate zu ziehen. Doch Gerhard Stelz von der Ortsgruppe Schwetzingen und Umgebung des Naturschutzbunds (Nabu) weiß Rat.
Handys und Fotoapparate waren griffbereit
Die Saatkrähe hat einen hellen, fast weißen Schnabel. Die Rabenkrähe dagegen ist tatsächlich bis in die Schnabelspitze "rabenschwarz". Dort oben sitzt also eine Rabenkrähe. Und die ist nicht gerade vom Aussterben bedroht. Auch die Ringeltauben, Nilgänse und Kanadagänse, die den Besuchern im Verlauf des Rundgangs noch "über den Weg laufen" oder aufgeschreckt über ihre Köpfe hinwegfliegen, sind nicht wirklich eine Sensation.
Auch interessant
Etwa 20 Schwetzinger sind dem Aufruf des Nabu zum winterlichen Rundgang durch den Schlossgarten gefolgt. Die Aktion heißt "Stunde der Wintervögel" und wird in ganz Deutschland angeboten. Die meisten von ihnen haben aus der RNZ von dem Termin erfahren. Nur einer ist im Internet über die Ankündigung gestolpert. Bei der "Stunde der Wintervögel" zählen Hobby-Vogelkundler und interessierte Laien drei Tage lang Vögel. Innerhalb einer Stunde führen sie an einem Ort ihrer Wahl eine Strichliste mit Vogelarten, die sie dort gesehen haben.
Der Nabu ruft seit zehn Jahren zu dieser Aktion auf. Neben der Winterzählung steht jedes Jahr auch eine Sommerzählung an. Die nächste findet am 8. Mai statt. Wer sich dafür anmelden möchte, kann dies im Internet auf der Webseite des Nabu tun. In diesem Jahr haben sich an der Winterzählung bis Sonntagabend rund 80.000 Menschen beteiligt. Insgesamt wurden rund zwei Millionen Sichtungen von Wintervögeln gemeldet. Die Zusammensetzung der Arten im Winter unterscheidet sich von der im Sommer. Gegenwärtig sind alle Zugvogelarten nach Südeuropa oder gar nach Afrika geflogen. Zurück bleiben nur die sogenannten Standvögel. Dazu kommen Strichvögel, die bei Einbruch der kalten Jahreszeit wärmere Landstriche aufsuchen, aber nicht so weit fliegen wie die Zugvögel.
In Deutschland treffen vor allem Vogelarten aus Skandinavien ein, denen es in Schweden, Finnland und Norwegen zu kalt wird. Sie können nicht so weit fliegen, wie die echten Zugvogelarten. "Ein Beispiel dafür sind Seidenschwänze, wie sie in der Nähe von Hannover gesichtet wurden", erläutert Stelz den Vogelinteressierten im Schlossgarten.

Es gibt aber auch invasive Arten, die nach Deutschland kommen und einfach hier bleiben. Das bekannteste Beispiel dafür sind die grünen Halsbandsittiche, die es auch im Schwetzinger Schlossgarten gibt. Normalerweise sind sie wegen ihres Geschreis nicht zu übersehen. Doch bei der "Stunde der Wintervögel" am Sonntag lässt sich keiner blicken. Auch den letzten im Schlossgarten verbliebenen – weiblichen – Pfau bekommen die Besucher nicht zu Gesicht.
Und so wird ein kleines, unerschrockenes Rotkehlchen zum Star der Wanderung durch die historische Gartenanlage. Der kleine Kerl lässt sich auch von rund 20 Leuten nicht abschrecken. Im blattlosen Gebüsch und auf dem Weg davor pickt er Körner auf. Um ihn zu beobachten, brauchen die Besucher keine Ferngläser – vielmehr werden die Handys und Fotoapparate gezückt.