Bonpflicht

Wer braucht Kassenbons für Bonbons?

Neues Gesetz macht vor allem Bäckereien und Metzgereien zu schaffen - Bei Kleinstbeträgen wünschen viele Kunden keine Quittung

27.01.2020 UPDATE: 28.01.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 20 Sekunden
Gitta (l.) und Christina Stadler demonstrieren in der Gaiberger Bäckerei Schneider die Folgen des neuen Kassenbon-Gesetzes. Die Seniorchefin und die Juniorchefin der Bäckerei benötigen jetzt eine 80-Meter-Kassenbonrolle pro Tag. Foto: Alex

von Agnieszka Dorn

Gaiberg/Leimen/Nußloch. Schnell kauft der kleine Junge nach der Schule ein Bonbon für fünf Cent – und bekommt dafür einen Kassenzettel. Den er nicht mitnimmt, denn was soll er mit einen Bon über fünf Cent anfangen? "Das ist doch pure Umweltverschmutzung", schüttelt Christina Stadler den Kopf. Sie ist die Juniorchefin der Gaiberger Bäckerei Schneider. Dahin kommen öfter Kinder nach der Schule und kaufen ein oder zwei Bonbons. Stadler: "Wir sind jetzt gesetzlich verpflichtet, einen Kassenbon über diesen Betrag auszudrucken. Wer das Gesetz erlassen hat..."

Seit dem 1. Januar gilt die gesetzliche Kassenbonpflicht in Deutschland. Wer einen noch so kleinen Einkauf tätigt, bekommt überall unaufgefordert einen Kassenbon. Durch das neue Gesetz soll verhindert werden, dass Steuern hinterzogen werden. Besonders Bäckereien, die öfter mal Brötchen zu Centbeträgen verkaufen, trifft es hart. Denn die wenigsten Kunden nehmen den Kassenbon mit. Auch Metzgereien haben damit zu kämpfen.

"Es gibt ganz wenig Kunden, die einen Kassenbon brauchen", sagt auch Seniorchefin Gitta Stadler. Viele Kunden sind einfach nur genervt und lassen den Kassenzettel liegen, so Stadler weiter. Die Folge: Die Geschäfte bleiben auf einen Berg voller Kassenbons zurück. Und somit auf einen Berg voller Müll. "Wir wissen schon gar nicht mehr wohin mit den liegengelassenen Bons", sagt Gitta Stadler. Reichte eine Kassenbonrolle der Gaiberger Bäckerei früher etwa zwei Monate, so verbraucht man heute eine Rolle pro Tag. Und eine Rolle ist 80 Meter lang.

Zudem bestehen die meisten Kassenbons der Bäckereien und Metzgereien aus Thermopapier und müssen somit als teurer Restmüll entsorgt werden. "Kassenbons, Parkscheine und andere Abfälle aus Thermopapier, die bei unserer Sortieranlage in Sinsheim über die Grüne Tonne plus ankommen, werden heraussortiert und ebenfalls dem Restmüll zugeführt", erläutert AVR-Sprecher Tim Heringer auf RNZ-Nachfrage.

Auch interessant
Süße Quittung: Bäcker in Bayern reagiert auf Bonpflicht
Dossenheim: Keine Breitenstein-Brötchen mehr aus dem Wagen
Kritik an Koalition: FDP will Bonpflicht lockern: "Plage für Kunden und Betriebe"
Haufenweise Belege: Bäcker sehen sich in Kritik an Kassenbonpflicht bestätigt

Bei der Bäckerei Stadler reagiert man mit Unverständnis auf das neue Gesetz: "Es soll jeder etwas für die Umwelt tun, Plastik soll reduziert werden, Strohhalme verboten – aber dann ein Gesetz erlassen, das genau das Gegenteil bewirkt." Die Stadlers sammeln die liegengelassenen Bons und würden sie am liebsten an die Bundesregierung schicken. Damit die Politiker hautnah sehen, wie viel Müll durch das neue Gesetz nun produziert wird.

Und auch die Bäckerei Sailer in Leimen-St. Ilgen bleibt auf einen Berg voller liegen gebliebener Kassenzettel sitzen. Die Bäckerei hat weitere Filialien in Heidelbergs Stadtteilen Kirchheim und Rohrbach. Sie bittet ihre Kunden, die Kassenbons mitzunehmen, weil die Thermobons eben Restmüll sind. Genervt empfiehlt die Bäckerei ihren Kunden, die Bons doch einfach beim Finanzamt einzuwerfen. Liegengebliebene Bons werden in Müllsäcken gesammelt. "Wir wissen noch nicht genau, was wir damit machen", sagt Inhaber Toni Sailer. Das Gesetz sei aus seiner Sicht unnötig: "Unsere Kassen haben einen Chip, auf dem komplett alles registriert wird, auch Stornobuchungen." Damit sei alles nachvollziehbar. So eine Kasse hat sich übrigens auch die Bäckerei Schneider in Gaiberg des guten Willens wegen vor zwei Jahren angeschafft.

Mit der Bonflut haben auch Metzgereien zu kämpfen. "Die Kunden wollen keine Bons über kleine Beträge haben", berichtet Ute Krauß, Inhaberin der Metzgerei Krauß in Nußloch. "Wir bleiben jeden Tag auf nicht mitgenommenen Kassenbons sitzen". Es sei einfach reine Umweltverschmutzung – und das, wo doch jeder etwas zum Klimaschutz beitragen soll. "Auf der einen Seite soll man Müll reduzieren, auf der anderen Seite wird mit dem neuen Gesetz gerade sinnloser Müll massenhaft produziert", so Ute Krauß.

Übrigens: Die beiden Bäckereien haben von FDP-Chef Christian Lindner ein Schreiben erhalten, seine Partei möchte Mittelständler, von der Bonpflicht befreien. Vergangene Woche hatte die Landes-FDP mit einer Protestaktion vor dem Stuttgarter Landtag für Aufsehen gesorgt. An ihrer Seite protestierten mehrere Bäcker, die die Folgen des neuen Gesetzes mit einer halben Million, in Säcken und Kisten verpackten Kassenbons anschaulich machten.

(Der Kommentar wurde vom Verfasser bearbeitet.)
(zur Freigabe)
Möchten sie diesen Kommentar wirklich löschen?
Möchten Sie diesen Kommentar wirklich melden?
Sie haben diesen Kommentar bereits gemeldet. Er wird von uns geprüft und gegebenenfalls gelöscht.
Kommentare
Das Kommentarfeld darf nicht leer sein!
Beim Speichern des Kommentares ist ein Fehler aufgetreten, bitte versuchen sie es später erneut.
Beim Speichern ihres Nickname ist ein Fehler aufgetreten. Versuchen Sie bitte sich aus- und wieder einzuloggen.
Um zu kommentieren benötigen Sie einen Nicknamen
Bitte beachten Sie unsere Netiquette
Zum Kommentieren dieses Artikels müssen Sie als RNZ+-Abonnent angemeldet sein.