Strafzettel für Stadträte

Neckargemünder Vollzugsdienst verteilte Knöllchen, während der Bauausschuss tagte

Mitglieder des Bauausschusses sollen zahlen, weil auf dem Rathaus-Parkplatz nur Mitarbeiter der Stadt mit Monatskarte parken dürfen. Handelt es sich dabei um einen "Racheakt"?

17.01.2020 UPDATE: 18.01.2020 06:00 Uhr 1 Minute, 58 Sekunden
Im Innenhof des Rathauses dürfen nur städtische Mitarbeiter parken, an der Falltorstraße (im Hintergrund) ist es für alle erlaubt. Foto: Alex

Von Christoph Moll

Neckargemünd. Als die Mitglieder des Bauausschusses nach ihrer Sitzung am Dienstagabend zu ihren Autos gingen, traf sie der Schlag. Alle, die ihren Wagen auf dem Innenhof des Rathauses abgestellt hatten, fanden einen gelben Zettel an ihrer Windschutzscheibe. Hier ist das Parken nur für Mitarbeiter der Stadt mit einer Monatskarte erlaubt, was der Gemeinderat erst kürzlich bestätigte. Und dennoch stellten die Ausschussmitglieder hier ihre Autos ab, wie sie es schon immer tun. Auf den Zetteln wurden sie darauf hingewiesen, dass sie eine Ordnungswidrigkeit begangen haben und demnächst einen Strafzettel von der Stadt bekommen. Manche stürmten daraufhin erbost zurück ins Rathaus und legten den Zettel Bürgermeister Frank Volk vor.

Joachim Bergsträsser ist sauer auf die Stadt. Foto: Alex

So auch Joachim Bergsträsser. Der SPD-Stadtrat und Ortsvorsteher des Stadtteils Mückenloch erzählt, dass neben ihm noch weitere Stadträte und ehrenamtlich tätige Mitglieder des Ausschusses verschiedener Fraktionen betroffen waren. Insgesamt seien es sechs bis sieben Personen gewesen. "Ich bin gleich hochgerast und habe den Zettel dem Bürgermeister in die Hand gedrückt", erzählt der 62-Jährige. Dieser habe zu Stadträten gesagt, dass sie die Regelung doch selbst beschlossen hätten.

"Man könnte vermuten, dass es sich um einen Racheakt der städtischen Mitarbeiter handelt", sagt Bergsträsser, der noch immer einen "dicken Hals" hat, wie er sagt. Schließlich müssten auch die Mitarbeiter des Ordnungsamts nach dem Beschluss des Gemeinderats für einen Parkplatz zahlen. Und diese wüssten sicher, wem welches Auto gehört. Haben diese also nun den Spieß umgedreht? "Ich gehe davon aus, dass es sich um eine rein erzieherische Maßnahme handelt", sagt Bergsträsser, der im Gemeinderat sogar für gebührenfreies Parken gestimmt hatte.

Hintergrund

> Das Parken in Neckargemünd ist gerade ein ganz heißes Thema. Erst kürzlich hat der Gemeinderat nämlich beschlossen, dass Lehrer und auch städtische Mitarbeiter weiter für Parkplätze an den Schulen und am Rathaus zahlen müssen. Dies ist insofern brisant, da sich sowohl

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> Das Parken in Neckargemünd ist gerade ein ganz heißes Thema. Erst kürzlich hat der Gemeinderat nämlich beschlossen, dass Lehrer und auch städtische Mitarbeiter weiter für Parkplätze an den Schulen und am Rathaus zahlen müssen. Dies ist insofern brisant, da sich sowohl die meisten Lehrer von Grundschule, Realschule und Gymnasium als auch viele Mitarbeiter der Stadt weigern, zehn Euro im Monat für einen Monatsparkschein zu zahlen. Stattdessen parken sie lieber in angrenzenden Straßen – zum Ärger der dortigen Anwohner. Die Parkplätze an den Schulen und am Rathaus bleiben derweil größtenteils leer. Der Gemeinderat hat trotz dieses Boykotts darauf gepocht, dass die bisherige Regelung bestehen bleibt. Und diese gilt eben auch für den Parkplatz im Innenhof des Rathauses, auf dem nun die Mitglieder des Bauausschusses ihre Autos parkten und dafür Knöllchen erhielten (siehe Artikel unten). Sie können für diesen Parkplatz übrigens gar keine Parkscheine erwerben, da sie keine Mitarbeiter der Stadt sind. cm

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"Ich sehe ein, dass das Parken ein Fehler war", räumt der Ergotherapeut an der früheren Blindenschule in Ilvesheim ein. "Es geht hier aber um Fingerspitzengefühl." So sei er als ehrenamtlich tätiger Stadtrat zwei Mal im Monat abends im Rathaus, wenn der Parkplatz größtenteils frei sei. Deshalb habe er auch nicht 50 Meter entfernt an der Falltorstraße geparkt, wo das Parken kostenfrei ist.

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"Niemand steht über dem Gesetz, es gilt für alle", sagt Stadtsprecherin Petra Polte und fügt hinzu: "Auch für die, die es beschlossen haben." Es sei unerheblich, ob der Parkplatz abends gebraucht werde. Fakt sei, dass die Stadträte dort nicht parken dürfen. Andere Mitglieder des Ausschusses hätten korrekt geparkt.

Die Stadt setze den Beschluss des Gemeinderats nun konkret um, so Polte. Dass die Kontrolle während der Sitzung stattfand, "sei nicht unbedingt reiner Zufall" gewesen. Es habe sich aber nicht um eine gezielte Aktion gegen die Ausschussmitglieder gehandelt. Es habe auch Besucher getroffen. "Wir kontrollieren überall und nun hat es eben Stadträte erwischt", so Polte. "Es ist wichtig zu zeigen, dass Vorschriften für alle gelten."

Joachim Bergsträsser plant nun einen Antrag auf Parktickets für Stadträte zu stellen. Das Knöllchen will er zunächst nicht zahlen. Er hofft, dass die Ordnungswidrigkeit bei einer Verweigerung ein Fall für den Landkreis wird. "Dann zahle ich, weil das Geld dann nicht der Stadt zugutekommen würde", sagt er. "Die Zettelverteiler des Ordnungsamts würden dann in die Röhre schauen."

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