Pilot, Ingenieur, Priester - das ist der neue katholische Dekan
Alexander Czech über das Leben und seine überwältigende Erfahrung mit Gott.

Von Birgit Sommer
Heidelberg. Alexander Czech (51) ist eine interessante Persönlichkeit. Vom Bundeswehrpiloten über den Vermessungsingenieur bis zum Priester führte ihn sein Lebensweg. Ab Januar ist er Dekan des katholischen Dekanats Heidelberg-Weinheim. Zusammen mit Johannes Brandt leitet er zudem die Stadtkirche, die größte Seelsorgeeinheit des Erzbistums Freiburg. Im RNZ-Weihnachtsinterview verrät Czech sein Lieblingsweihnachtslied, er spricht über seine Berufung, über Reibungspunkte mit der Kirche, über Changemanagement und den Zustand der Welt.
Herr Czech, der liturgische Höhepunkt des Kirchenjahres ist ja Ostern, die Auferstehung. Was bedeutet Weihnachten für uns?
Für Menschen, die mit der Kirche wenig zu tun haben, ist Weihnachten wichtig als Tage, die frei sind, an denen man Kraft schöpfen kann, an denen man Zeit für die Familie hat. Diejenigen, die noch angedockt sind im Glauben, empfinden Weihnachten als Fest, das sie stärkt. Viele sagen mir aus dem Bauch heraus: "Da geht es mir gut, das ist eine schöne Stimmung." Für mich ist Weihnachten eines der intimsten Feste für meinen Glauben, und ich lebe einen lebendigen Glauben. Ich nehme mir an den Weihnachtstagen bewusst Zeit für Meditation, um mich von Gott stärken zu lassen.
Haben Sie das Thema für Ihre Predigt an Heiligabend schon festgelegt?
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Durch meine tägliche Meditation entstehen verschiedene Bilder, das verzahnt sich dann und ist bis Weihnachten vollständig. Ich predige ja frei – und es ist dann alles da, ich brauche nur noch daraus zu schöpfen. Mein Fokus liegt immer darauf, was die Menschen in ihrem Alltag und in ihrem Glaubensleben jetzt stärken könnte. Die Dynamiken der Welt machen vielen Menschen Angst, und ich frage mich dann, was ich ihnen mitgeben kann, damit sie weniger Angst und mehr Vertrauen in sich spüren.
Katholische Priester singen ja schon viel während der Messe. Haben Sie auch ein Lieblingsweihnachtslied?
Mir gefällt das neue Lied für den Advent "Oh Herr, wenn du kommst, wird die Welt wieder neu". Mein Lieblingsweihnachtslied ist "Ich steh an deiner Krippen hier, o Jesu, du mein Leben ..." Ich merke, wie diese Lieder mir das Herz öffnen, und finde beide ausgesprochen gut getextet.
Weihnachten im katholischen Pfarrhaus – bedeutet das Einsamkeit, wo doch überall die Familien zusammenkommen?
Da kann ich nur für mich persönlich antworten, nicht generell, weil ich mich, seit ich Priester bin, noch nie einsam gefühlt habe. Natürlich bin ich immer mal wieder allein, das ist auch gut so, etwa für die Meditation mit der persönlichen Ansprache Gottes.

Wie werden Sie dieses Weihnachten feiern?
Ich werde am 26. Dezember zum Kaffeetrinken nach Eppingen-Mühlbach fahren. Da feiern wir bei uns in der Familie Weihnachten. Meine Eltern kommen zwar auch immer zur Christmette, aber da sehe ich sie in der vollen Kirche oft nicht. Und es hat sich in den letzten Jahren ergeben, dass Bezirkskantor Markus Uhl und ich an Heiligabend zwischen dem Gottesdienst in Ziegelhausen um 17 Uhr und der Messe in der Jesuitenkirche um 22.30 Uhr gemeinsam essen und Weihnachten feiern.
Gibt es bei Ihnen in der Adventszeit auch Einkaufsstress? Oder haben Sie ganz andere Geschenktipps für uns?
Ich habe keinen Geschenke-Stress. Meine Geschenke für Familie und Freunde finden sich im Laufe des Jahres. Da ploppt ja immer wieder ein Wunsch auf, und bis Weihnachten ist das dann schon organisiert.
Was wünschen Sie sich denn zu Weihnachten?
Für mich persönlich? Dass ich tiefer eintauchen darf in die Beziehung zu Gott und Jesus. Wenn Sie das einmal erfahren haben, wollen Sie mehr davon.
Jetzt deuten Sie das Erlebnis an, das Sie hatten, ehe Sie sich entschlossen, Priester zu werden.
Das ist kaum in Worte zu fassen. Es hat mein Leben so stark verändert, dass sich mein Wertesystem umgebaut hat. Diese starke Erfahrung trage ich in mir. Und es geht immer weiter. Ich hätte mir nie vorstellen können, Priester als Beruf zu wählen, aber diese innere Erfahrung mit Gottes Gegenwart, die mir geschenkt wurde, hat sich bis heute bestätigt. Natürlich gibt es auch genug Punkte, an denen ich mich reibe in dieser Kirche: warum beispielsweise die tollen Begabungen von Haupt- und Ehrenamtlichen, die wir in unserer Kirche haben, nicht besser eingesetzt werden; die Frage nach der Macht-Struktur unserer Kirche, oder dass wir uns so schwer tun, den Schatz der Tradition und den notwendigen Aufbruch in die Zukunft miteinander zu vereinen.
Sie waren in der Ausbildung zum Bundeswehrpiloten und dann Vermessungsingenieur und hatten eine Lebensgefährtin. Dann kam dieses plötzliche starke Erlebnis.
Bei mir im Freundeskreis war durch zwei Mädchen das Thema Religion aufgeploppt. Mich hat das angesprochen, und dann ging ein Prozess los. Ich wollte immer mehr wissen. Als die Zeit reif war, zum richtigen Zeitpunkt, wurde ich von Gott berufen. Ich stellte fest: Gott ist keine Theorie, er ist gegenwärtig, erfahrbar. Das war eine neue Qualität für mich. Das lockt mich bis heute.
Sie hätten das auch als normaler Mann leben können, nicht als Priester.
Das wäre möglich gewesen. Im Hineinleben in eine tiefere Beziehung zu Gott wird ja auch nicht jeder angesprochen: Kannst du dir vorstellen, Priester zu werden? Bei mir war das immer wieder da. Vor dieser Erfahrung hatte ich natürlich an Familie und Kinder gedacht. Aber in der neuen inneren Ausrichtung habe ich erkannt, dass mein Weg als Priester weitergeht. Das habe ich keinen Tag bereut. Es gab keine Phase, in der ich mich quälte, weil ich keine Frau und keine Kinder habe. Ein weiser Mensch hat einmal zu mir gesagt: Ich kann mir keinen guten Priester vorstellen, den ich mir nicht zugleich als Familienvater vorstellen könnte – und umgekehrt.
Der Jetpilot ist am Altar gelandet, schrieb eine Kollegin über Sie. Wie ging das denn?
Ich war ja noch kein fertiger Jetpilot. Das war so ein Bewusstseinsbildungsprozess bei der Bundeswehr. Neben dem Traum vom Fliegen, den ich immer noch habe, wurde die Frage stärker, wo denn mein Platz in diesem Leben ist – wirklich ein Leben als Pilot bei der Bundeswehr?
Sie würden immer noch gerne fliegen?
Ich würde gerne Segelflugzeuge oder kleine Sportmaschinen fliegen. Aber die haben ihren Einsatz ja samstags und sonntags, wenn die Pfarrer gefragt sind. Das ist also keine Option für mich.
Sie wurden dann Vermessungsingenieur.
Ich habe in Mannheim Nachrichtentechnik bis zum Vordiplom studiert, dann in Karlsruhe Vermessungsingenieur.
Warum dieser Beruf?
Mein Vater ist Vermessungsingenieur und ich habe oft Ferienjobs in dieser Richtung gemacht. Ich fand das schon immer attraktiv und interessant, besonders die Landvermessung. Ich war spezialisiert auf Satellitenvermessung.
Wirkt sich diese Vorbildung jetzt noch auf Ihr Leben aus?
Ich muss einen Plan nur sehen und habe dann sofort eine räumliche Vorstellung davon. Ich stehe drin und kann mich darin bewegen. Zum Beispiel, als es bei der Planung des neuen Patrick Henry Village darum ging, wo dort eine Kirche stehen könnte. Da gab es Gespräche, aber es ist im Moment noch alles offen.
Nützt Ihnen das Verständnis für Mathematik auch jetzt?
Eine meiner Stärken ist, Prozessabläufe strukturiert erkennen und festlegen zu können.
Sie werden am 19. Januar als Dekan der katholischen Kirche in Heidelberg eingesetzt. Haben Sie sich irgendwie auf das Amt vorbereitet? Sie kennen sich ja in Heidelberg schon aus, Sie sind seit 2011 als Priester hier.
Es kommt ein Portfolio auf mich zu, das ich so bislang nicht hatte. Meine persönliche Vorbereitung ist, dass ich mich mit dem Dekansstatut befasse, der aktuellen Entwicklung der Erzdiözese und dem Kirchenentwicklungsprojekt Pastoral 2030. Ich spreche mit Dekanen über Erfahrungen und Aufgabenbereiche, mit dem Dekanatsreferenten und den Mitarbeitern im Dekanatsbüro.
Für diese Beförderung bewirbt man sich in der katholischen Kirche ja nicht, oder? Man wird gefragt, berufen.
Es werden Voten eingeholt von den Hauptamtlichen eines Kirchenbezirks, wen sie sich als Dekan vorstellen können.
Welche Voraussetzungen sind denn da ideal?
Es wird sicher niemand vorgeschlagen, der nicht als beziehungsfähig und vertrauenswürdig angesehen wird. Sozialkompetenz und Fachkompetenz sind ausschlaggebend.
Beim heutigen Priestermangel gibt es wohl nicht mehr so viele passende Kandidaten.
Niemand hat mehr die große Auswahl, wer in Frage kommt. Das war vor einigen Jahren noch anders. Man hat mich wohl gewollt mit allen Gaben und Kanten, die ich habe. Und ich habe mich geprüft und festgestellt, dass ich bei der Entwicklung vor Ort und dem, was in der Kirche geschieht, die nächsten Jahre gut dienen kann.
Nach Ihrer Zeit als Kaplan in Neckargemünd hatte Sie der Erzbischof für ein Jahr zum Lehrgang an die Führungsakademie des Landes Baden-Württemberg geschickt. Was lernt man dort?
Das war eine Schulung in Sachen Changemanagement.
Braucht man das in der Kirche?
Meinen Sie, wir können alles wegbeten (schmunzelt)? Das brauchen wir dringendst in der Kirche. Was sich als Verantwortung schon für einen normalen Pfarrer als Leiter einer Seelsorgeeinheit entwickelt hat, mit mehreren Gemeinden, Personal, Kindergärten, ist schon ein mittelständisches Unternehmen. Was es in einer veränderten Gesellschaft braucht, das ist schon anspruchsvoll.
Die Welt ist ja derzeit in keinem guten Zustand. Hat die Kirche da einen Trost für uns?
Für Menschen, die sich davon ansprechen lassen, ja. Wir versuchen, auf einem Grund zu stehen, auf den man sich verlassen kann: Gott. Egal, was mich ängstlich macht – wenn ich auf diesem Grund stehe, das hält. Das ist meine Erfahrung als Priester und Mensch. Das bedeutet natürlich nicht, dass man nie mehr zweifelt. Aber die Kirche kann auch durch Symbolformen eine Stärkung im Alltag schenken.
Symbolformen?
Das sind zum Beispiel unsere Rorate-Messen frühmorgens mit besonderen Elementen wie Kerzenlicht, Gesang, Gebeten, Stille. Dann folgt ein gemeinsames Frühstück. Oder Menschen kommen, damit ich sie in einer bestimmten Frage segne, sodass sie Stärkung erfahren und zu Lösungen kommen. Immer, wenn ich mich für Gott öffne, wirkt er. Immer.
Nach Weihnachten kommt der Jahreswechsel, eine Zeit für Rück- und Ausblick. Können Sie das für uns schon vorziehen?
Ich könnte eine ganze Liste machen. Bei aller Dramatik, die die Welt verändert, gibt es viele Hoffnungszeichen. Greta Thunberg zum Beispiel ist für mich eine strahlende Perle zum richtigen Zeitpunkt, in der richtigen Situation. Das hat für mich etwas Prophetisches. Wir kommen da zusammen, wo wir uns als Kirche ganz stark einsetzen für die Bewahrung der Schöpfung.



