"Zwei Abteilungen für Geburtshilfe sind nicht zu stemmen"
Im RNZ-Gespräch ordnet der Geschäftsführer der Neckar-Odenwald-Kliniken die Maßnahmen des Strukturplans ein - Zarte Hoffnung

Von Heiko Schattauer
Neckar-Odenwald-Kreis. Die finanzielle Entwicklung ist dramatisch, die daraus resultierenden Einschnitte sind entsprechend tief. Zu Beginn der Woche präsentierten die Verantwortlichen der Neckar-Odenwald-Kliniken den Struktur- und Maßnahmenplan, der helfen soll, die Krankenhäuser in Mosbach und Buchen zu erhalten, sie dauerhaft finanziell tragbar zu machen. Längst nicht alle Fragen konnten dabei aufgearbeitet werden. Die RNZ hat daher noch einmal das Gespräch mit Kliniken-Geschäftsführer Frank Hehn (Foto) gesucht.
Sie haben anlässlich der Vorstellung des Struktur- und Maßnahmenplans erstmals ein Meinungsforum für die Bürgerschaft aufgemacht. Wie sind denn die ersten Reaktionen und Meinungsbekundungen ausgefallen?

Bisher gibt es überraschenderweise nur verhältnismäßig wenige Reaktionen. Ich freue mich aber, dass es bis auf ganz wenige Ausnahmen sehr sachliche Beiträge mit durchweg nachvollziehbaren und konstruktiven Hinweisen sind. Zumeist werden die geplanten Einschränkungen bedauert, es gibt aber durchaus auch Verständnis dafür. Wir machen das ja auch nicht, weil wir es wollen, sondern schlicht, weil wir handeln müssen.
Was hatte man sich konkret von diesem Forum erwartet? Inwieweit sind die Meinungen denn relevant für die weitere Planung/Entscheidungsfindung?
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Eine gute stationäre Versorgung ist den Menschen im Kreis sehr wichtig. Das spürt man immer wieder. Durch unsere strategischen Überlegungen wollen wir gerade diese Versorgung für die Zukunft sicherstellen. Klar ist aber auch, dass jede Veränderung Auswirkungen hat. Deshalb ist es uns außerordentlich wichtig, dass wir wissen, wie die Bürgerinnen und Bürger das beurteilen. Sämtliche Beiträge werden den Aufsichtsrats- und Kreistagsmitgliedern vor ihrer abschließenden Beratung und Beschlussfassung zur Verfügung gestellt.
Der (geplante) Wegfall der Gynäkologie/Geburtshilfe in Mosbach ist wohl der gravierendste Einschnitt, den das Maßnahmenpaket vorsieht. Nimmt man mit der Konzentration auf Buchen in Kauf, dass viele werdende Mütter sich nun in Richtung Sinsheim und Heilbronn orientieren werden?
Oberstes Ziel ist es, überhaupt eine gute Geburtshilfe dauerhaft im Kreis zu sichern. Aufgrund bundespolitischer Entwicklungen ist davon auszugehen, dass Geburtshilfen mit weniger als 600 Geburten pro Jahr zumindest mittelfristig nicht überlebensfähig sein werden. Manche nennen hier auch schon die Zahl 800. Besonders wichtig ist es uns, werdenden Müttern und ihren Kindern die bestmögliche medizinische Versorgung und Betreuung zu bieten. Bei gynäkologischen Operationen ist die fachliche Nähe zur Allgemeinchirurgie und zur Urologie ein entscheidender Vorteil. Wir werden daher aktiv dafür werben, dass die Frauen auch weiter im Kreis entbinden, selbst wenn der Weg für manche künftig etwas länger wird. Wir werden dazu Ende Januar spezielle Infoveranstaltungen für werdende Eltern anbieten. Die Termine werden rechtzeitig veröffentlicht.
Ein Grund, der für die Entscheidung pro Buchen genannt wurde, war die Lage. Geschaut wurde da offenbar auch, welche Häuser mit Geburtshilfe in der Nähe liegen. Bis dato hat man im Radius von 30 km zwei dieser Stationen. Ist das ein Vorzug, den man sich einfach nicht mehr leisten kann?
Zwei Abteilungen können wir finanziell tatsächlich nicht mehr stemmen. Andere haben da schon sehr viel früher reagiert. Ich denke da an Heilbronn, wo es für die Stadt und den Landkreis mit zusammen 470.000 Einwohnern schon seit Jahren nur noch eine einzige Geburtshilfe gibt. Mit der Konzentration auf einen Standort sichern wir die Geburtshilfe im Kreis. Würden wir weiter zwei Standorte betreiben, wären höchstwahrscheinlich beide in ihrer Existenz gefährdet.
Apropos Vorzug: Mancher vermutet auch, dass die Geburtshilfe in Mosbach weichen muss, damit man an ihrer (im Haus wohl bestgelegenen) Stelle eine Wahlleistungsstation für Privatpatienten einrichten kann …
Das ist definitiv nicht der Fall. Da werden Ursache und Folge verwechselt. Richtig ist allerdings, dass wir infolge der Konzentration der Geburtshilfe in Buchen die Möglichkeit haben, die in Mosbach dann frei werdenden Räumlichkeiten anderweitig sinnvoll zu nutzen. Eine neue Wahlleistungsstation in Mosbach wäre jedenfalls ein deutlicher Zugewinn für Patienten und Bürger.
Die Zahl der Geburten, die im Rahmen des Pressegesprächs zum Maßnahmenpaket für die Standorte Mosbach (620) und Buchen (560) genannt wurden, sind von Leserseite in Zweifel gezogen worden. Können Sie da aufklären?
Stand gestern wurden im laufenden Jahr 583 Kinder in Mosbach und 474 Kinder in Buchen geboren. Die im Rahmen des Pressegesprächs genannten Zahlen bezogen sich auf das Jahr 2018.
Nun muss man in Buchen in Kreißsäle und Geburtsstation investieren, um eine Konzentration (und Steigerung der Geburtenzahl) zu ermöglichen. Auch für die anderen Umstrukturierungen sind infrastrukturelle Maßnahmen nötig. In welcher Größenordnung?
Egal, wo man etwas konzentriert, wird das infrastrukturelle Maßnahmen nach sich ziehen. Das gilt für Buchen wie Mosbach gleichermaßen. Die durch die Verlagerung der Geburtshilfe entstehenden finanziellen Auswirkungen sind allerdings sehr überschaubar.
Was heißt überschaubar in Zahlen?
Die Ermittlung des Aufwands für die Ertüchtigung der Räume findet derzeit erst statt. Daher können wir noch keine konkreten Zahlen nennen.
Einschnitte gibt es für Mosbach und Buchen auch in der Chirurgie: Wie darf man sich das dann in der Praxis vorstellen? Mit Blinddarmentzündung muss der Patient aus Mosbach dann nach Buchen, das Unfallopfer aus Buchen hingegen nach Mosbach?
In jedem Krankenhaus gibt es sowohl Notfälle (dazu gehört etwa ein entzündeter Blinddarm) als auch planbare Fälle (wie ein Knie- oder Hüftimplantat). Unsere künftige Struktur gewährleistet in beiden Fällen weiter eine optimale Versorgung. Notfälle werden vom Rettungsdienst dorthin gebracht, wo sie medizinisch bestmöglich behandelt werden können. Wichtig ist vor allem: Die Notfallversorgung ist für den Landkreis weiter auf sehr hohem Niveau gesichert.
Einen Schockraum darf man laut gesetzlichen Vorgaben nur betreiben, wenn ein Viszeralchirurg dauerhaft anwesend ist. Wie ist dies in der neuen Konstellation gewährleistet?
Das ist so nicht richtig. Ein Allgemein- bzw. Viszeralchirurg muss nicht dauerhaft anwesend, sondern innerhalb von 30 Minuten vor Ort sein. Das können wir wie bisher auch sicherstellen.
Die tief greifenden Einschnitte bedürfen auch intensiver öffentlicher Kommunikation. Wie soll die aussehen?
Klinikleitung und Aufsichtsrat informieren schon jetzt aktiv und detailliert über die geplanten Veränderungen. Uns ist sehr wichtig, dass die notwendigen Maßnahmen sowohl bei unseren Mitarbeitern als auch bei den Bürgern auf Verständnis stoßen. Außerdem planen wir mehrere Veranstaltungen. So soll es etwa gleich zu Beginn des neuen Jahres in Mosbach eine Informationsveranstaltung für werdende Eltern zum Thema Geburtshilfe geben.
Auch die Kommunikation mit niedergelassenen Ärzten und innerhalb der Kliniken war bei der Vorstellung (und sicher auch in den Klausursitzungen) Thema. Da scheint in der Vergangenheit nicht alles rundgelaufen zu sein …
Wir haben ein gutes und vertrauensvolles Verhältnis zu den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten im Landkreis und in der Region. Für die Zukunft der Gesundheitsversorgung ist die Zusammenarbeit mit den Haus- und Fachärzten allerdings in der Tat besonders wichtig. Wir pflegen den Kontakt seit langem vor allem durch einen fachlichen Austausch und werden das selbstverständlich auch künftig tun. Zudem werden wir mit den Kollegen besprechen, welche Auswirkungen die geplanten Strukturveränderungen auch für sie haben und wie wir die Zusammenarbeit auf der neuen Grundlage gemeinsam optimal strukturieren können.
Ein kleiner Hoffnungsschimmer sind zudem mögliche Verbesserungen bei den Rahmenbedingungen, sprich der Krankenhausfinanzierung. Wie sehen die konkret aus?
Die Rahmenbedingungen sind 2020 tatsächlich günstiger als 2019. Wir bekommen für den Standort Buchen erstmals einen Sicherstellungszuschlag in Höhe von 400.000 Euro. Durch die Erhöhung des Landesbasisfallwertes erwarten wir zudem höhere Einnahmen. Auch die bundesweite Einführung von Pflegebudgets wirkt sich positiv aus, wenngleich sich das momentan noch nicht verlässlich in Euro und Cent beziffern lässt.
Das Paket ist mit vielen Maßnahmen gefüllt. Aber Einsparungen von mindestens 4,5 Millionen Euro zu schaffen, wird – vor allem mit Blick auf die kurze Bewährungszeit – eine Herausforderung, die diesem Begriff mehr als gerecht wird. Vorausgesetzt, der Kreistag stimmt für den Plan: Wie hoch stehen die Chancen, dass das Konzept in dieser kurzen Zeit ausreichend greift? Und was, wenn nicht?
Wir sind davon überzeugt, dass unser Konzept mit der Unterstützung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, aber auch mit Unterstützung der Bevölkerung und der niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen greift. Anderenfalls stünde hier wirklich zu viel auf dem Spiel.



