Heidelberg

Eine Kultureinrichtung - oder ein Ort der Propaganda?

Die Konfuzius-Institute stehen in der Kritik, Instrumente Pekings zu sein - Enge Bindung zu Unis

12.12.2019 UPDATE: 13.12.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 26 Sekunden
Die Konfuzius-Institute sollen offiziell den Kulturaustausch zwischen China und Deutschland fördern. Doch die Einfluss-nahme Pekings sehen viele kritisch. Foto: dpa

Von Michael Abschlag

Heidelberg. Sie bieten Sprach- und Kochkurse an, informieren über Kalligrafie und chinesische Medizin. Die 19 Konfuzius-Institute in Deutschland sollen, so die offizielle Agenda, die chinesische Sprache und Kultur vermitteln, Interesse für Land und Leute wecken. Doch seit einiger Zeit stehen sie im Verdacht, in Wahrheit ein ganz anderes Ziel zu verfolgen: die Verbreitung der chinesischen Propaganda auch im Westen.

Das befürchtet zumindest der FDP-Politiker Jens Brandenburg, der für den Rhein-Neckar-Kreis im Bundestag sitzt. Ende November stellte er eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung, in der er sich nach Erkenntnissen über die Einflussnahme Pekings auf die Institute erkundigte. Das Ergebnis überraschte auch ihn: "Ich war dann doch erstaunt und erschrocken darüber, wie klar die Bundesregierung auf den politischen Einfluss Chinas hinweist."

Die Konfuzius-Institute sind offiziell Kultureinrichtungen – ähnlich wie die deutschen Goethe-Institute. Bei den 19 Instituten in Deutschland handelt es sich meist um Kooperationen einer deutschen und einer chinesischen Uni. Sie sind der Hochschule angegliedert und befinden sich in der Regel auf dem Campus – so auch in Heidelberg. Oft stellt die deutsche Universität Räume und einen Teil des Personals. Die Gelder für Projekte kommen vom Büro für "die internationale Verbreitung der chinesischen Sprache", Hanban genannt – und genau das ist der heikle Punkt. Denn das Hanban untersteht laut der Antwort der Bundesregierung dem "zentralen Propaganda-Department der Kommunistischen Partei".

In den USA gab es mehrfach Vorwürfe von Propaganda an den Instituten. In Brüssel soll der Leiter des Konfuzius-Instituts versucht haben, Mitarbeiter und Studenten für den chinesischen Geheimdienst zu rekrutieren – Ende Oktober wurde ihm deshalb das Visum entzogen. Es waren diese Vorfälle, die Brandenburg zu seiner Anfrage bewegten. Die Antwort der Bundesregierung fiel deutlich aus: Die Institute sollten offenbar "einen Fokus auf den ,Aufbau einer sozialistischen Kultur‘ und Unterstützung einer ,Diplomatie chinesischer Prägung‘ legen". Brandenburg verweist dabei auf eine Kooperation des Heidelberger Instituts mit Schulen unter anderem in Heidelberg, Mannheim und Ladenburg.

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Die Universität Heidelberg sieht die Gefahr einer Einflussnahme nicht. "Die FDP-Anfrage spricht ja von Propaganda und unterstellt damit eine direkte inhaltliche Beeinflussung beziehungsweise Steuerung aus China", sagt Prorektorin Anja-Désirée Senz, die selbst Sinologin ist. "Belege dafür, dass die Institute Werbung für die Kommunistische Partei Chinas machen, wird man aber sicher nur schwer finden." Zwar räumt auch sie ein, dass der Geldgeber – also das Hanban – einen gewissen Einfluss hat: "Wenn einem Projektmittelgeber Inhalte nicht gefallen, gibt er keine Mittel dafür", sagt Senz. "Das in der Folge nicht jedes Thema gleichermaßen aufgegriffen wird, ist durchaus denkbar." Sie sieht die Aufgaben des Instituts aber eher kultureller als politischer Natur. "Wir haben in Deutschland eine breite Öffentlichkeit, die alles thematisieren kann. Die braucht kein Konfuzius-Institut, um über Hongkong oder andere Themen zu diskutieren."

Für Senz geht es darum, ein "differenziertes Bild" von China zu zeigen. "Aus meiner Sicht eröffnen die Institute die Möglichkeit, ein Land, mit dem wir in zahlreichen Austauschbeziehungen stehen, besser kennenzulernen", so Senz. "Gerade um ein so großes und vielfältiges Land wie China zu verstehen, werden viele verschiedene Informationen und Perspektiven benötigt."

Eine reine Kultureinrichtung also? Der langjährige China-Korrespondent Kai Strittmatter widerspricht. "Der Punkt ist, dass die Konfuzius-Institute keine normalen Kulturinstitute sind. Sie sind strukturell darauf angelegt, in die Universität des Gastlandes eingebettet zu werden", erklärt er. "So eine Kooperation gibt es mit keinem einzigen Land, nicht mit England, nicht mit Frankreich, und wir hätten es ganz bestimmt nie mit der Sowjetunion gemacht. Wieso machen wir das ausgerechnet mit China, das immer eine Diktatur war und gerade dabei ist, wieder ein totalitärer Staat zu werden?"

Die Zusammenarbeit mit deutschen Universitäten biete den Instituten die Möglichkeit, Ansehen zu gewinnen und Einfluss auf die Lehre zu nehmen, kritisiert Strittmatter. "Es bleibt dem chinesischen Staat unbenommen, wie jeder andere Staat auch hier seine Kulturinstitute zu betreiben, mit welcher politischen Ausrichtung auch immer", sagt er. "Aber bitte in eigener Regie, in eigenen Häusern, ohne in deutsche Universitäten eingebettet zu sein."